Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches die gesamtdeutschen Interessen so zu wahren, daß sie allen Wünschen gerecht wird. Gegenwärtig lenkt das politische Leben schon in die stillere Sommerzeit ein; In der auswärtigen Politik ist es sehr beachtet worden, daß die französische Bücher. Es hat schwerlich zu irgendeiner Zeit mehr Bücher gegeben als Maßgebliches und Unmaßgebliches die gesamtdeutschen Interessen so zu wahren, daß sie allen Wünschen gerecht wird. Gegenwärtig lenkt das politische Leben schon in die stillere Sommerzeit ein; In der auswärtigen Politik ist es sehr beachtet worden, daß die französische Bücher. Es hat schwerlich zu irgendeiner Zeit mehr Bücher gegeben als <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0387" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302375"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1672" prev="#ID_1671"> die gesamtdeutschen Interessen so zu wahren, daß sie allen Wünschen gerecht wird.<lb/> Sie darf auch die allgemeine politische Lage nicht außer acht lassen und muß die<lb/> freundlichen Bemühungen des Präsidenten Roosevelt anerkennen, einen wirklichen<lb/> Ausgleich der Interessen herbeizuführen und berechtigte Klagen der deutschen Im¬<lb/> porteure in Amerika abzustellen. So bestehen allerdings triftige Gründe genug,<lb/> es jetzt noch einmal mit einem Provisorium zu versuchen. Die Hoffnung, daß<lb/> wahrend der Dauer dieses neuen Provisoriums eine feste Basis für eine dauernde<lb/> handelspolitische Verständigung gewonnen wird, ist bei alledem nicht besonders groß.'</p><lb/> <p xml:id="ID_1673"> Gegenwärtig lenkt das politische Leben schon in die stillere Sommerzeit ein;<lb/> »ur die bayrischen Landtagswahlen werden wohl noch einigen Lärm mit sich bringen.<lb/> Bei den Vorberettungeu dazu hat es einen bemerkenswerten Zwischenfall gegeben.<lb/> Der katholische Geistliche Grandinger hat sich als liberaler Kandidat aufstellen lassen<lb/> und damit natürlich bei dem auf das Zentrum eingeschwornen bayrischen Klerus<lb/> schweres Ärgernis erregt. Seine Widersacher haben es endlich durchgesetzt, daß der<lb/> Erzbischof von Bamberg, Dr. von Abert, einen Brief an Grandinger schrieb, worin<lb/> er ihm seine Bedenken wegen des Eintretens für die liberale Sache aussprach und<lb/> ihn davon abmahnte, bei diesem Entschluß zu beharren. Grandinger hat sich aber<lb/> vorerst nicht einschüchtern lassen, sondern seine Kandidatur aufrecht erhalten. Der<lb/> Fall selbst darf gewiß nicht überschätzt werden, interessant ist aber doch, mit welchem<lb/> Jubel das Vorgehen des Erzbischofs in der ultramontanen Presse begrüßt worden<lb/> ist — desselben Erzbischofs, der in der Wahlzeit nach allen Richtungen hin ver¬<lb/> unglimpft wurde, weil er sich erlaubt hatte, das Bündnis des Zentrums mit der<lb/> religionsfeindlichen Sozialdemokratie zu tadeln. Damals wurde in den klerikalen<lb/> Blättern jedem, der es hören wollte, klar gemacht, daß der Erzbischof durch seine<lb/> Einwirkung auf eine politische Frage seine Befugnisse überschritten habe, und daß<lb/> der ihm unterstellte Klerus durch die Kundgebung des Oberhirten gar nicht ge¬<lb/> bunden sei. Jetzt hat der Erzbischof einen Pfarrer, der weiter nichts getan hat,<lb/> "is daß er sein Staatsbürgerrecht außerhalb des kirchlichen Gebiets und durchaus<lb/> nicht gegen die Kirche ausübt, seine Meinung gesagt, und nun hören wir aus<lb/> demselben Munde der sich über die Rechte eines katholischen Oberhirten soeben<lb/> «och höchst despektierlich ausgesprochen hat. die Autorität des Kirchenfürsten in allen<lb/> Tonarten preisen. Gewiß keine überraschende Erscheinung im politischen Kampf,<lb/> -wer doch etwas für das Notizbuch des Politikers.</p><lb/> <p xml:id="ID_1674"> In der auswärtigen Politik ist es sehr beachtet worden, daß die französische<lb/> Regierung die Öffentlichkeit darüber verständigt hat, daß man in Verhandlungen<lb/> mit Japan eingetreten ist. um sich gegenseitig den Besitzstand in Ostasien zu ver¬<lb/> bürgen und eine Handhabe zur Vermeidung künftiger Verwicklungen zu gewinnen.<lb/> Bei uns ist diese Nachricht sehr ruhig aufgenommen worden und das mit Recht<lb/> Denn diese Verständigung enthält keine Spitze gegen eine andre europasiche Macht<lb/> und ist offenbar dem Wunsch entsprungen, eine neue Gelegenheit zur Beseitigung<lb/> von Reibungsflächen zu erhalten, die, wie man zugeben muß, Frankrech unter<lb/> Umständen sehr unbequem werden können. Für uns ändert sich dadurch in der<lb/> weltpolitischen Lage in Wahrheit nichts, und es ist erfreulich, daß unsre öffentliche<lb/> Meinung dies erkannt und nichts von der Nervosität gezeigt hat, mit der in der<lb/> letzten Zeit jede uns nicht direkt berührende Verständigung zwischen fremden<lb/> Mächten aufgenommen worden ist. Deshalb brauchen wir uns über die wirklichen<lb/> Gefahren, von denen wir umgeben sind, noch lange nicht zu täuschen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Bücher.</head> <p xml:id="ID_1675" next="#ID_1676"> Es hat schwerlich zu irgendeiner Zeit mehr Bücher gegeben als<lb/> heutzutage. Aber sie haben dadurch nicht viel gewonnen. Es ist ihnen gegangen<lb/> wie andern guten und angenehmen Dingen, von denen wir mit der Zeit allzuviele<lb/> bekamen — sie sind zu Nummern geworden, die nichts persönliches mehr haben.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0387]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
die gesamtdeutschen Interessen so zu wahren, daß sie allen Wünschen gerecht wird.
Sie darf auch die allgemeine politische Lage nicht außer acht lassen und muß die
freundlichen Bemühungen des Präsidenten Roosevelt anerkennen, einen wirklichen
Ausgleich der Interessen herbeizuführen und berechtigte Klagen der deutschen Im¬
porteure in Amerika abzustellen. So bestehen allerdings triftige Gründe genug,
es jetzt noch einmal mit einem Provisorium zu versuchen. Die Hoffnung, daß
wahrend der Dauer dieses neuen Provisoriums eine feste Basis für eine dauernde
handelspolitische Verständigung gewonnen wird, ist bei alledem nicht besonders groß.'
Gegenwärtig lenkt das politische Leben schon in die stillere Sommerzeit ein;
»ur die bayrischen Landtagswahlen werden wohl noch einigen Lärm mit sich bringen.
Bei den Vorberettungeu dazu hat es einen bemerkenswerten Zwischenfall gegeben.
Der katholische Geistliche Grandinger hat sich als liberaler Kandidat aufstellen lassen
und damit natürlich bei dem auf das Zentrum eingeschwornen bayrischen Klerus
schweres Ärgernis erregt. Seine Widersacher haben es endlich durchgesetzt, daß der
Erzbischof von Bamberg, Dr. von Abert, einen Brief an Grandinger schrieb, worin
er ihm seine Bedenken wegen des Eintretens für die liberale Sache aussprach und
ihn davon abmahnte, bei diesem Entschluß zu beharren. Grandinger hat sich aber
vorerst nicht einschüchtern lassen, sondern seine Kandidatur aufrecht erhalten. Der
Fall selbst darf gewiß nicht überschätzt werden, interessant ist aber doch, mit welchem
Jubel das Vorgehen des Erzbischofs in der ultramontanen Presse begrüßt worden
ist — desselben Erzbischofs, der in der Wahlzeit nach allen Richtungen hin ver¬
unglimpft wurde, weil er sich erlaubt hatte, das Bündnis des Zentrums mit der
religionsfeindlichen Sozialdemokratie zu tadeln. Damals wurde in den klerikalen
Blättern jedem, der es hören wollte, klar gemacht, daß der Erzbischof durch seine
Einwirkung auf eine politische Frage seine Befugnisse überschritten habe, und daß
der ihm unterstellte Klerus durch die Kundgebung des Oberhirten gar nicht ge¬
bunden sei. Jetzt hat der Erzbischof einen Pfarrer, der weiter nichts getan hat,
"is daß er sein Staatsbürgerrecht außerhalb des kirchlichen Gebiets und durchaus
nicht gegen die Kirche ausübt, seine Meinung gesagt, und nun hören wir aus
demselben Munde der sich über die Rechte eines katholischen Oberhirten soeben
«och höchst despektierlich ausgesprochen hat. die Autorität des Kirchenfürsten in allen
Tonarten preisen. Gewiß keine überraschende Erscheinung im politischen Kampf,
-wer doch etwas für das Notizbuch des Politikers.
In der auswärtigen Politik ist es sehr beachtet worden, daß die französische
Regierung die Öffentlichkeit darüber verständigt hat, daß man in Verhandlungen
mit Japan eingetreten ist. um sich gegenseitig den Besitzstand in Ostasien zu ver¬
bürgen und eine Handhabe zur Vermeidung künftiger Verwicklungen zu gewinnen.
Bei uns ist diese Nachricht sehr ruhig aufgenommen worden und das mit Recht
Denn diese Verständigung enthält keine Spitze gegen eine andre europasiche Macht
und ist offenbar dem Wunsch entsprungen, eine neue Gelegenheit zur Beseitigung
von Reibungsflächen zu erhalten, die, wie man zugeben muß, Frankrech unter
Umständen sehr unbequem werden können. Für uns ändert sich dadurch in der
weltpolitischen Lage in Wahrheit nichts, und es ist erfreulich, daß unsre öffentliche
Meinung dies erkannt und nichts von der Nervosität gezeigt hat, mit der in der
letzten Zeit jede uns nicht direkt berührende Verständigung zwischen fremden
Mächten aufgenommen worden ist. Deshalb brauchen wir uns über die wirklichen
Gefahren, von denen wir umgeben sind, noch lange nicht zu täuschen.
Bücher. Es hat schwerlich zu irgendeiner Zeit mehr Bücher gegeben als
heutzutage. Aber sie haben dadurch nicht viel gewonnen. Es ist ihnen gegangen
wie andern guten und angenehmen Dingen, von denen wir mit der Zeit allzuviele
bekamen — sie sind zu Nummern geworden, die nichts persönliches mehr haben.
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