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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Rüstungen in Italien

ordentlichen Budgets herbeigeführt werden. Von diesem hohen Betrage wurden
noch 4 Millionen den schon bewilligten 16 Millionen für das Etatsjahr 1906/07
hinzugefügt, 16 Millionen sind für das Etatsjahr 1907/03 bestimmt, und je
20 Millionen wurden für den Zeitraum von 1908/09 bis 1916/17 angesetzt.
Über die Verwendung dieser Kredite gibt der Gesetzentwurf einige recht be¬
achtenswerte Daten, die erkennen lassen, wo die hauptsächlichsten Mängel und
Schwächen der italienischen Landesverteidigung zu suchen sind. Da ist zu¬
nächst die Neubewaffnung der Feldartillerie zu nennen, die schon lange das
dringendste Bedürfnis war, aber trotz mehrjähriger Versuche zu keinem Ab¬
schluß gelangen konnte. Es handelt sich um die gänzliche Neuansrüstung von
145 Batterien, die gegenwärtig noch mit dem veralteten Bronzematerial aus
dem Jahre 1888 bewaffnet sind, mit Rohrrücklaufgeschützen mit Schutzschilden,
während die außerdem noch vorhandnen 107 Batterien, die Stahlgeschütze mit
Federsvom führen, für Rohrrücklauf aptiert werden sollen. Die Herstellung
findet in den inländischen Staatsfabriken und bei Krupp statt.

Von noch größerer Bedeutung als diese Ausgaben für die Artillerie er¬
scheint die hohe Forderung von nahezu 40 Millionen, die für die Befestigungen
der Nordostgrenze Italiens in Rechnung gestellt worden sind. Hier kommt
erneut die große Besorgnis zur Sprache, die in militärischen Kreisen schon
längst besteht, daß bei einem etwaigen Kriege zwischen Italien und Österreich-
Ungarn das Grenzland Venezien so gut wie schutzlos ist und einem Vormarsch
österreichischer Truppen ohne Widerstand in die Hand fallen wird. Wobei in
diesem Augenblick noch ganz besonders ins Gewicht füllt, daß Österreich die
Organisation seiner Gebirgstruppen, die erst im vorigen Jahre ins Leben ge¬
rufen worden ist, mit auffallender Beschleunigung zu einem Abschluß zu bringen
sucht, um damit ein Äquivalent gegenüber der vorzüglichen Einrichtung der
italienischen Alpiuitruppe zu haben, und daß ferner von der österreichischen
obersten Heeresleitung in diesem Jahre die Kaisermanöver abermals in das
Tiroler Grenzgelünde verlegt werden, nachdem sie erst im Jahre 1905 im be¬
nachbarten Sulzberggebiet stattgefunden hatten.

In Erwägung aller dieser Umstände wird eine kurze charakteristische
Gegenüberstellung der befestigten Grenzverhältnisse"') unsrer beiden verbündeten
Nachbarn um so mehr am Platze sein, als darüber bisher nur wenig zuver¬
lässiges Material seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat.

^. Die Befestigungen an der italienischen Grenze gegen Österreich

sperren die Haupteinbruchslinien aus Tirol und Kärnten nach Italien und
schützen in ihrer Gesamtheit die linke Flanke einer in der venezianischen Ebene
operierenden Armee. Durch die Geländegestaltung der italienischen Nord¬
grenze erscheint jedoch der von italienischer Seite an und im Verlauf der Livenza



Andreas großer Handatlas genügt zur Orientierung.
Die Rüstungen in Italien

ordentlichen Budgets herbeigeführt werden. Von diesem hohen Betrage wurden
noch 4 Millionen den schon bewilligten 16 Millionen für das Etatsjahr 1906/07
hinzugefügt, 16 Millionen sind für das Etatsjahr 1907/03 bestimmt, und je
20 Millionen wurden für den Zeitraum von 1908/09 bis 1916/17 angesetzt.
Über die Verwendung dieser Kredite gibt der Gesetzentwurf einige recht be¬
achtenswerte Daten, die erkennen lassen, wo die hauptsächlichsten Mängel und
Schwächen der italienischen Landesverteidigung zu suchen sind. Da ist zu¬
nächst die Neubewaffnung der Feldartillerie zu nennen, die schon lange das
dringendste Bedürfnis war, aber trotz mehrjähriger Versuche zu keinem Ab¬
schluß gelangen konnte. Es handelt sich um die gänzliche Neuansrüstung von
145 Batterien, die gegenwärtig noch mit dem veralteten Bronzematerial aus
dem Jahre 1888 bewaffnet sind, mit Rohrrücklaufgeschützen mit Schutzschilden,
während die außerdem noch vorhandnen 107 Batterien, die Stahlgeschütze mit
Federsvom führen, für Rohrrücklauf aptiert werden sollen. Die Herstellung
findet in den inländischen Staatsfabriken und bei Krupp statt.

Von noch größerer Bedeutung als diese Ausgaben für die Artillerie er¬
scheint die hohe Forderung von nahezu 40 Millionen, die für die Befestigungen
der Nordostgrenze Italiens in Rechnung gestellt worden sind. Hier kommt
erneut die große Besorgnis zur Sprache, die in militärischen Kreisen schon
längst besteht, daß bei einem etwaigen Kriege zwischen Italien und Österreich-
Ungarn das Grenzland Venezien so gut wie schutzlos ist und einem Vormarsch
österreichischer Truppen ohne Widerstand in die Hand fallen wird. Wobei in
diesem Augenblick noch ganz besonders ins Gewicht füllt, daß Österreich die
Organisation seiner Gebirgstruppen, die erst im vorigen Jahre ins Leben ge¬
rufen worden ist, mit auffallender Beschleunigung zu einem Abschluß zu bringen
sucht, um damit ein Äquivalent gegenüber der vorzüglichen Einrichtung der
italienischen Alpiuitruppe zu haben, und daß ferner von der österreichischen
obersten Heeresleitung in diesem Jahre die Kaisermanöver abermals in das
Tiroler Grenzgelünde verlegt werden, nachdem sie erst im Jahre 1905 im be¬
nachbarten Sulzberggebiet stattgefunden hatten.

In Erwägung aller dieser Umstände wird eine kurze charakteristische
Gegenüberstellung der befestigten Grenzverhältnisse"') unsrer beiden verbündeten
Nachbarn um so mehr am Platze sein, als darüber bisher nur wenig zuver¬
lässiges Material seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat.

^. Die Befestigungen an der italienischen Grenze gegen Österreich

sperren die Haupteinbruchslinien aus Tirol und Kärnten nach Italien und
schützen in ihrer Gesamtheit die linke Flanke einer in der venezianischen Ebene
operierenden Armee. Durch die Geländegestaltung der italienischen Nord¬
grenze erscheint jedoch der von italienischer Seite an und im Verlauf der Livenza



Andreas großer Handatlas genügt zur Orientierung.
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[0336] Die Rüstungen in Italien ordentlichen Budgets herbeigeführt werden. Von diesem hohen Betrage wurden noch 4 Millionen den schon bewilligten 16 Millionen für das Etatsjahr 1906/07 hinzugefügt, 16 Millionen sind für das Etatsjahr 1907/03 bestimmt, und je 20 Millionen wurden für den Zeitraum von 1908/09 bis 1916/17 angesetzt. Über die Verwendung dieser Kredite gibt der Gesetzentwurf einige recht be¬ achtenswerte Daten, die erkennen lassen, wo die hauptsächlichsten Mängel und Schwächen der italienischen Landesverteidigung zu suchen sind. Da ist zu¬ nächst die Neubewaffnung der Feldartillerie zu nennen, die schon lange das dringendste Bedürfnis war, aber trotz mehrjähriger Versuche zu keinem Ab¬ schluß gelangen konnte. Es handelt sich um die gänzliche Neuansrüstung von 145 Batterien, die gegenwärtig noch mit dem veralteten Bronzematerial aus dem Jahre 1888 bewaffnet sind, mit Rohrrücklaufgeschützen mit Schutzschilden, während die außerdem noch vorhandnen 107 Batterien, die Stahlgeschütze mit Federsvom führen, für Rohrrücklauf aptiert werden sollen. Die Herstellung findet in den inländischen Staatsfabriken und bei Krupp statt. Von noch größerer Bedeutung als diese Ausgaben für die Artillerie er¬ scheint die hohe Forderung von nahezu 40 Millionen, die für die Befestigungen der Nordostgrenze Italiens in Rechnung gestellt worden sind. Hier kommt erneut die große Besorgnis zur Sprache, die in militärischen Kreisen schon längst besteht, daß bei einem etwaigen Kriege zwischen Italien und Österreich- Ungarn das Grenzland Venezien so gut wie schutzlos ist und einem Vormarsch österreichischer Truppen ohne Widerstand in die Hand fallen wird. Wobei in diesem Augenblick noch ganz besonders ins Gewicht füllt, daß Österreich die Organisation seiner Gebirgstruppen, die erst im vorigen Jahre ins Leben ge¬ rufen worden ist, mit auffallender Beschleunigung zu einem Abschluß zu bringen sucht, um damit ein Äquivalent gegenüber der vorzüglichen Einrichtung der italienischen Alpiuitruppe zu haben, und daß ferner von der österreichischen obersten Heeresleitung in diesem Jahre die Kaisermanöver abermals in das Tiroler Grenzgelünde verlegt werden, nachdem sie erst im Jahre 1905 im be¬ nachbarten Sulzberggebiet stattgefunden hatten. In Erwägung aller dieser Umstände wird eine kurze charakteristische Gegenüberstellung der befestigten Grenzverhältnisse"') unsrer beiden verbündeten Nachbarn um so mehr am Platze sein, als darüber bisher nur wenig zuver¬ lässiges Material seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. ^. Die Befestigungen an der italienischen Grenze gegen Österreich sperren die Haupteinbruchslinien aus Tirol und Kärnten nach Italien und schützen in ihrer Gesamtheit die linke Flanke einer in der venezianischen Ebene operierenden Armee. Durch die Geländegestaltung der italienischen Nord¬ grenze erscheint jedoch der von italienischer Seite an und im Verlauf der Livenza Andreas großer Handatlas genügt zur Orientierung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/336>, abgerufen am 05.02.2025.