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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Terrorismus, der sich damals wie heute wieder breit machte. Es war eine eigne
Fügung, daß er, der unter Bökh und Creuzer klassische Philologie studiert hatte,
sich, als er schon im Amte stand, durch äußere Umstände veranlaßt der Mathe¬
matik zuwandte und diese Disziplin während seiner langen Lehrtätigkeit auch als
Leiter eines humanistischen Gymnasiums vertreten hat. Aber seine klassische Bildung
befähigte ihn besonders zum Studium der griechischen Mathematiker: er hat diese
Studien zeitlebens mit Vorliebe gepflegt und in verschiednen Schriften rühmliche
Proben davon abgelegt. Ein reicher Bekanntenkreis war die Folge seiner langen
und vielseitigen Wirksamkeit. In dem uns vorliegenden Buche finden sich Briefe
von Bökh, Creuzer, Alexander von Humboldt, Ernst Moritz Arndt und besonders
originelle Herzensergießungen eines alten Kriegskameraden, des Hofrats Stiebel,
der als praktischer Arzt in Frankfurt lebte. Aber mehr als alle diese interessieren
die von Nizze selbst geschriebnen, besonders die seinen liebevollen, treuen und
männlichen Sinn am schönsten abspiegelnden Briefe an seine Braut, die, während
des Feldzugs abgefaßt, zugleich ein lebendiges Bild der Kriegsläufte mit ihren
Wechselfällen und Schrecknissen entwerfen, sodann die aus Frankfurt an seine
Familie gerichteten, in denen der Schreiber die dort gesammelten vielseitigen Ein¬
drücke und Beobachtungen wiedergibt. Aus zahlreichen Gelegenheitsschriften, Reden,
Briefen und Tagebuchaufzeichnungen ergibt sich die Weltanschauung des trefflichen
Mannes im allgemeinen und besonders auch die Grundsätze, nach denen er als
Lehrer, Pädagog und Direktor verfuhr. Manche Züge in dem Lebensbilde sind
so intim, daß sie augenscheinlich nur für einen kleinern Kreis von Bekannten,
Freunden und Schülern bestimmt sind; aber das Ganze ist von der Art, daß auch
ferner stehende, namentlich Lehrer und Pädagogen das Buch nicht ohne wesent¬
liche Erweiterung ihres Gesichtskreises und mit Freude lesen werden.


Nachschrift zum Artikel: Russische Briefe.

Inzwischen ist vorübergehend
eine ruhigere Stimmung an der Newa eingetreten. Nichtsdestoweniger können die
Tage nach Ostern doch schon eine Auflösung der Duma bringen, weil die Reaktionäre am
Hofe ganz rücksichtslos gegen Stolypin arbeiten. Besonders wichtig ist das Verhalten
des Kriegsministers, der sich nach der Rekrutendebatte als unversöhnlich aufspielt.







Maßgebliches und Unmaßgebliches

Terrorismus, der sich damals wie heute wieder breit machte. Es war eine eigne
Fügung, daß er, der unter Bökh und Creuzer klassische Philologie studiert hatte,
sich, als er schon im Amte stand, durch äußere Umstände veranlaßt der Mathe¬
matik zuwandte und diese Disziplin während seiner langen Lehrtätigkeit auch als
Leiter eines humanistischen Gymnasiums vertreten hat. Aber seine klassische Bildung
befähigte ihn besonders zum Studium der griechischen Mathematiker: er hat diese
Studien zeitlebens mit Vorliebe gepflegt und in verschiednen Schriften rühmliche
Proben davon abgelegt. Ein reicher Bekanntenkreis war die Folge seiner langen
und vielseitigen Wirksamkeit. In dem uns vorliegenden Buche finden sich Briefe
von Bökh, Creuzer, Alexander von Humboldt, Ernst Moritz Arndt und besonders
originelle Herzensergießungen eines alten Kriegskameraden, des Hofrats Stiebel,
der als praktischer Arzt in Frankfurt lebte. Aber mehr als alle diese interessieren
die von Nizze selbst geschriebnen, besonders die seinen liebevollen, treuen und
männlichen Sinn am schönsten abspiegelnden Briefe an seine Braut, die, während
des Feldzugs abgefaßt, zugleich ein lebendiges Bild der Kriegsläufte mit ihren
Wechselfällen und Schrecknissen entwerfen, sodann die aus Frankfurt an seine
Familie gerichteten, in denen der Schreiber die dort gesammelten vielseitigen Ein¬
drücke und Beobachtungen wiedergibt. Aus zahlreichen Gelegenheitsschriften, Reden,
Briefen und Tagebuchaufzeichnungen ergibt sich die Weltanschauung des trefflichen
Mannes im allgemeinen und besonders auch die Grundsätze, nach denen er als
Lehrer, Pädagog und Direktor verfuhr. Manche Züge in dem Lebensbilde sind
so intim, daß sie augenscheinlich nur für einen kleinern Kreis von Bekannten,
Freunden und Schülern bestimmt sind; aber das Ganze ist von der Art, daß auch
ferner stehende, namentlich Lehrer und Pädagogen das Buch nicht ohne wesent¬
liche Erweiterung ihres Gesichtskreises und mit Freude lesen werden.


Nachschrift zum Artikel: Russische Briefe.

Inzwischen ist vorübergehend
eine ruhigere Stimmung an der Newa eingetreten. Nichtsdestoweniger können die
Tage nach Ostern doch schon eine Auflösung der Duma bringen, weil die Reaktionäre am
Hofe ganz rücksichtslos gegen Stolypin arbeiten. Besonders wichtig ist das Verhalten
des Kriegsministers, der sich nach der Rekrutendebatte als unversöhnlich aufspielt.







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[0332] Maßgebliches und Unmaßgebliches Terrorismus, der sich damals wie heute wieder breit machte. Es war eine eigne Fügung, daß er, der unter Bökh und Creuzer klassische Philologie studiert hatte, sich, als er schon im Amte stand, durch äußere Umstände veranlaßt der Mathe¬ matik zuwandte und diese Disziplin während seiner langen Lehrtätigkeit auch als Leiter eines humanistischen Gymnasiums vertreten hat. Aber seine klassische Bildung befähigte ihn besonders zum Studium der griechischen Mathematiker: er hat diese Studien zeitlebens mit Vorliebe gepflegt und in verschiednen Schriften rühmliche Proben davon abgelegt. Ein reicher Bekanntenkreis war die Folge seiner langen und vielseitigen Wirksamkeit. In dem uns vorliegenden Buche finden sich Briefe von Bökh, Creuzer, Alexander von Humboldt, Ernst Moritz Arndt und besonders originelle Herzensergießungen eines alten Kriegskameraden, des Hofrats Stiebel, der als praktischer Arzt in Frankfurt lebte. Aber mehr als alle diese interessieren die von Nizze selbst geschriebnen, besonders die seinen liebevollen, treuen und männlichen Sinn am schönsten abspiegelnden Briefe an seine Braut, die, während des Feldzugs abgefaßt, zugleich ein lebendiges Bild der Kriegsläufte mit ihren Wechselfällen und Schrecknissen entwerfen, sodann die aus Frankfurt an seine Familie gerichteten, in denen der Schreiber die dort gesammelten vielseitigen Ein¬ drücke und Beobachtungen wiedergibt. Aus zahlreichen Gelegenheitsschriften, Reden, Briefen und Tagebuchaufzeichnungen ergibt sich die Weltanschauung des trefflichen Mannes im allgemeinen und besonders auch die Grundsätze, nach denen er als Lehrer, Pädagog und Direktor verfuhr. Manche Züge in dem Lebensbilde sind so intim, daß sie augenscheinlich nur für einen kleinern Kreis von Bekannten, Freunden und Schülern bestimmt sind; aber das Ganze ist von der Art, daß auch ferner stehende, namentlich Lehrer und Pädagogen das Buch nicht ohne wesent¬ liche Erweiterung ihres Gesichtskreises und mit Freude lesen werden. Nachschrift zum Artikel: Russische Briefe. Inzwischen ist vorübergehend eine ruhigere Stimmung an der Newa eingetreten. Nichtsdestoweniger können die Tage nach Ostern doch schon eine Auflösung der Duma bringen, weil die Reaktionäre am Hofe ganz rücksichtslos gegen Stolypin arbeiten. Besonders wichtig ist das Verhalten des Kriegsministers, der sich nach der Rekrutendebatte als unversöhnlich aufspielt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/332>, abgerufen am 05.02.2025.