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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Thomas Hardys Napoleonsdraina

und die übrigen europäischen mittelmeerischen Inseln ihrer natürlichen Lage
nach Teile der ihnen benachbarten Festlandstaaten. Sie sind die Bindeglieder,
die das Meer überbrückend von dem einen Kontinent zum andern hinüber¬
führen.

Demgegenüber möchte ich das Wesen der ostindischen Inselwelt dahin
charakterisieren, daß ich sie als eine in große Bruchstücke zersplitterte selbständige
Welt bezeichne. Die Nieseninseln Sumatra, Java, Borneo, Celebes, Neu-
Guineci, die Philippinen stehn gleichwertig den benachbarten Festlandgebieten
gegenüber. Denn diese sind durch die gewaltigen Gebirgsschranken von der
großen Masse des Kontinents ebenso losgelöst wie die Inseln. So kommt
es, daß Indonesien weder mit Asien noch mit Australien in fester naher Ver¬
bindung steht, sondern zunächst zwar noch historisch europäischen Mächten
unterworfen ist, dem Wesen nach jedoch in selbständige Einzelglieder zer¬
füllt. Haben wir bei den atlantischen Mittelmeeren als charakteristisch hervor¬
gehoben, daß in ihnen die Brücken zwischen den Kontinenten liegen, so müssen
wir in dem pazifischen die Auflösung der Kontinente in große Trümmer¬
massen sehen.




Thomas Hardys Napoleonsdrama

nsre deutsche Bühne mit ihrer so oft und vergeblich getadelten
Vorliebe für alles Ausländische hat in den letzten Jahren auch
von England eine Bereicherung ihres Repertoires übernommen.
Zwar sind es in erster Linie Autoren, die drüben eben nicht
allzuviele Lorbeeren geerntet haben. Unsre Bevorzugung Oskar
Wildes ist den Engländern heutigentags nicht recht begreiflich, obgleich sie
schon schüchtern unsern Spuren folgen und ebenfalls anfangen, seine Stücke
aufzuführen. Ob nun unsre Dramatiker aus den Wildeschen Werken besonders
schätzenswerte Anregungen schöpfen werden, ist mehr als fraglich; aber andrerseits
darf auch der in England vergötterte, auf starke Bühneneffekte hinarbeitende
Stephen Philipps auf den Beifall unsrer ernster denkenden, kunstsinnigen
Kreise kaum Anspruch erheben. Im Vergleich mit diesen Autoren hat unser
heimisches Drama doch mehr zu bieten, und die zahllosen, allerorten mit großem
Eifer durchgeführten Neueinstudierungen der Shakespearedramen fordern immer
wieder zu unwillkürlichem Vergleich zwischen einst und jetzt heraus, wobei
denn die modernen Dichter ins Nichts versinken müssen.

In England zieht man solche Parallelen auch, aber mit anderen Resultat.
Unsre britischen Vettern sind bedeutend optimistischer und weniger kritisch als
wir. Alle Augenblicke muß ihr größter Dramatiker herhalten, um die Ver¬
dienste dieses oder jenes Epigonen ins rechte Licht zu rücken, gleichviel auf


Thomas Hardys Napoleonsdraina

und die übrigen europäischen mittelmeerischen Inseln ihrer natürlichen Lage
nach Teile der ihnen benachbarten Festlandstaaten. Sie sind die Bindeglieder,
die das Meer überbrückend von dem einen Kontinent zum andern hinüber¬
führen.

Demgegenüber möchte ich das Wesen der ostindischen Inselwelt dahin
charakterisieren, daß ich sie als eine in große Bruchstücke zersplitterte selbständige
Welt bezeichne. Die Nieseninseln Sumatra, Java, Borneo, Celebes, Neu-
Guineci, die Philippinen stehn gleichwertig den benachbarten Festlandgebieten
gegenüber. Denn diese sind durch die gewaltigen Gebirgsschranken von der
großen Masse des Kontinents ebenso losgelöst wie die Inseln. So kommt
es, daß Indonesien weder mit Asien noch mit Australien in fester naher Ver¬
bindung steht, sondern zunächst zwar noch historisch europäischen Mächten
unterworfen ist, dem Wesen nach jedoch in selbständige Einzelglieder zer¬
füllt. Haben wir bei den atlantischen Mittelmeeren als charakteristisch hervor¬
gehoben, daß in ihnen die Brücken zwischen den Kontinenten liegen, so müssen
wir in dem pazifischen die Auflösung der Kontinente in große Trümmer¬
massen sehen.




Thomas Hardys Napoleonsdrama

nsre deutsche Bühne mit ihrer so oft und vergeblich getadelten
Vorliebe für alles Ausländische hat in den letzten Jahren auch
von England eine Bereicherung ihres Repertoires übernommen.
Zwar sind es in erster Linie Autoren, die drüben eben nicht
allzuviele Lorbeeren geerntet haben. Unsre Bevorzugung Oskar
Wildes ist den Engländern heutigentags nicht recht begreiflich, obgleich sie
schon schüchtern unsern Spuren folgen und ebenfalls anfangen, seine Stücke
aufzuführen. Ob nun unsre Dramatiker aus den Wildeschen Werken besonders
schätzenswerte Anregungen schöpfen werden, ist mehr als fraglich; aber andrerseits
darf auch der in England vergötterte, auf starke Bühneneffekte hinarbeitende
Stephen Philipps auf den Beifall unsrer ernster denkenden, kunstsinnigen
Kreise kaum Anspruch erheben. Im Vergleich mit diesen Autoren hat unser
heimisches Drama doch mehr zu bieten, und die zahllosen, allerorten mit großem
Eifer durchgeführten Neueinstudierungen der Shakespearedramen fordern immer
wieder zu unwillkürlichem Vergleich zwischen einst und jetzt heraus, wobei
denn die modernen Dichter ins Nichts versinken müssen.

In England zieht man solche Parallelen auch, aber mit anderen Resultat.
Unsre britischen Vettern sind bedeutend optimistischer und weniger kritisch als
wir. Alle Augenblicke muß ihr größter Dramatiker herhalten, um die Ver¬
dienste dieses oder jenes Epigonen ins rechte Licht zu rücken, gleichviel auf


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[0138] Thomas Hardys Napoleonsdraina und die übrigen europäischen mittelmeerischen Inseln ihrer natürlichen Lage nach Teile der ihnen benachbarten Festlandstaaten. Sie sind die Bindeglieder, die das Meer überbrückend von dem einen Kontinent zum andern hinüber¬ führen. Demgegenüber möchte ich das Wesen der ostindischen Inselwelt dahin charakterisieren, daß ich sie als eine in große Bruchstücke zersplitterte selbständige Welt bezeichne. Die Nieseninseln Sumatra, Java, Borneo, Celebes, Neu- Guineci, die Philippinen stehn gleichwertig den benachbarten Festlandgebieten gegenüber. Denn diese sind durch die gewaltigen Gebirgsschranken von der großen Masse des Kontinents ebenso losgelöst wie die Inseln. So kommt es, daß Indonesien weder mit Asien noch mit Australien in fester naher Ver¬ bindung steht, sondern zunächst zwar noch historisch europäischen Mächten unterworfen ist, dem Wesen nach jedoch in selbständige Einzelglieder zer¬ füllt. Haben wir bei den atlantischen Mittelmeeren als charakteristisch hervor¬ gehoben, daß in ihnen die Brücken zwischen den Kontinenten liegen, so müssen wir in dem pazifischen die Auflösung der Kontinente in große Trümmer¬ massen sehen. Thomas Hardys Napoleonsdrama nsre deutsche Bühne mit ihrer so oft und vergeblich getadelten Vorliebe für alles Ausländische hat in den letzten Jahren auch von England eine Bereicherung ihres Repertoires übernommen. Zwar sind es in erster Linie Autoren, die drüben eben nicht allzuviele Lorbeeren geerntet haben. Unsre Bevorzugung Oskar Wildes ist den Engländern heutigentags nicht recht begreiflich, obgleich sie schon schüchtern unsern Spuren folgen und ebenfalls anfangen, seine Stücke aufzuführen. Ob nun unsre Dramatiker aus den Wildeschen Werken besonders schätzenswerte Anregungen schöpfen werden, ist mehr als fraglich; aber andrerseits darf auch der in England vergötterte, auf starke Bühneneffekte hinarbeitende Stephen Philipps auf den Beifall unsrer ernster denkenden, kunstsinnigen Kreise kaum Anspruch erheben. Im Vergleich mit diesen Autoren hat unser heimisches Drama doch mehr zu bieten, und die zahllosen, allerorten mit großem Eifer durchgeführten Neueinstudierungen der Shakespearedramen fordern immer wieder zu unwillkürlichem Vergleich zwischen einst und jetzt heraus, wobei denn die modernen Dichter ins Nichts versinken müssen. In England zieht man solche Parallelen auch, aber mit anderen Resultat. Unsre britischen Vettern sind bedeutend optimistischer und weniger kritisch als wir. Alle Augenblicke muß ihr größter Dramatiker herhalten, um die Ver¬ dienste dieses oder jenes Epigonen ins rechte Licht zu rücken, gleichviel auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/138>, abgerufen am 05.02.2025.