Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Glizabeth j?erey Das wäre für die "Dirne" -- wer es nun auch sein mag, denn ich kenne Lady Elizabeth lachte nun -- plötzlich unbekümmert, mit einem strahlenden, Solange es währt, sagte Henry Percy finster. 3 LIis ng,Ä s, pÄSsion lor soviel povsr, Da Fonblanque (über Elizabcth Howard, Griisinwitwe von Northumberland) Die alte Gräfin von Northumberland hatte in dem "alten Rattennest", wie Es war jetzt zur Lenzzeit bitterkalt, und der Feuerstätten im Hause, die man Glizabeth j?erey Das wäre für die „Dirne" — wer es nun auch sein mag, denn ich kenne Lady Elizabeth lachte nun — plötzlich unbekümmert, mit einem strahlenden, Solange es währt, sagte Henry Percy finster. 3 LIis ng,Ä s, pÄSsion lor soviel povsr, Da Fonblanque (über Elizabcth Howard, Griisinwitwe von Northumberland) Die alte Gräfin von Northumberland hatte in dem „alten Rattennest", wie Es war jetzt zur Lenzzeit bitterkalt, und der Feuerstätten im Hause, die man <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300063"/> <fw type="header" place="top"> Glizabeth j?erey</fw><lb/> <p xml:id="ID_974"> Das wäre für die „Dirne" — wer es nun auch sein mag, denn ich kenne<lb/> sie nicht — eine viel zu große Ehre, sagte er übermütig ironisch. Dann — nach<lb/> einer kurzen Pause — scharf tadelnd: Schickt es sich wohl, immer an ... an so<lb/> etwas zu denken!</p><lb/> <p xml:id="ID_975"> Lady Elizabeth lachte nun — plötzlich unbekümmert, mit einem strahlenden,<lb/> errötenden Gesicht, in dessen Wangen sich zwei kleine Grübchen bildeten. Das wisse<lb/> sie wirklich nicht, sagte sie, aber die Mädchen sprächen immer von „so etwas", und<lb/> die Bücher handelten immer von „so etwas", und Harry vergaß immer, daß sie<lb/> jetzt groß und erwachsen war — und frei obendrein — frei, Monsieur Harry!<lb/> Daß er den Mut hatte, das zu vergessen . . . Frei wie der Vogel in der Luft.</p><lb/> <p xml:id="ID_976"> Solange es währt, sagte Henry Percy finster.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 3</head><lb/> <quote type="epigraph"> LIis ng,Ä s, pÄSsion lor soviel povsr,<lb/> lor inovs^ avÄ lor watoKmMug.</quote><lb/> <note type="bibl"> Da Fonblanque<lb/> (über Elizabcth Howard, Griisinwitwe von Northumberland)</note><lb/> <p xml:id="ID_977"> Die alte Gräfin von Northumberland hatte in dem „alten Rattennest", wie<lb/> sie, nicht unberechtigt, das mehr als erlaubt verfcillne und mit wenig Bequemlichkeiten<lb/> ausgestattete Alnwick nannte, einen Anfall von Gicht bekommen. Das war der<lb/> Grund, weshalb die Herrschaften solange dort blieben — es war ja eigentlich die<lb/> Absicht gewesen, gleich nach Beendigung der Trauerzeit gen Süden zu reisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_978" next="#ID_979"> Es war jetzt zur Lenzzeit bitterkalt, und der Feuerstätten im Hause, die man<lb/> benutzen konnte, waren nicht viele. Die Gräfin wohnte in dem großen dreieckigen<lb/> Zimmer nach Nordosten; dort lag sie den ganzen Tag in ihrem viereckigen, ver¬<lb/> goldeten Bett mit einem goldbefransten, rotseidnen Himmel, der über die hohen<lb/> Bettpfosten gespannt war, einen Berg von Kissen im Rücken. Aus Petworth selber<lb/> hatte sie ihr eignes großes Oberbett aus Sammet mitgebracht, das zierlich mit<lb/> Blumenstickerei und Borten ausgestattet war, aber um die Wärme zu erhalten und die<lb/> Gicht aus dem Körper zu vertreiben, mußte sie außerdem immer zwei kleine Hunde<lb/> im Bett haben — ein Paar ältere, träge spanische Pudel, die immer am Fußende<lb/> lagen und schnarchten. Die hohe Frau war jetzt über sechzig Jahre alt und konnte<lb/> — wenn man bedachte, was sie in ihrem Leben durchgemacht hatte — wohl ein<lb/> Recht darauf haben, sich in ihren alten Jahren ein wenig gebrechlich zu fühlen.<lb/> Sie war unter König Jakob geboren und hatte in ihrer Jugend für eine der<lb/> anspruchsvollsten und reizendsten Schönheiten an Karls des Ersten und Königin<lb/> Henrietta Marias vornehmem und würdigem Hofe gegolten, wie auch als erklärter<lb/> Liebling ihrer Tochter, der Prinzeß Mary, die später Prinzessin von Oranien wurde.<lb/> Sie hatte den Bürgerkrieg ausbrechen sehen und hatte es erdulden müssen, daß ihr<lb/> Mann die Partei des Usurpators ergriff; sie hatte Karl Stuart auf dem Schafott<lb/> sterben und die königliche Familie landflüchtig werden und in Not geraten sehen.<lb/> Mit ihren Kindern hatte sie von dem einen der festen Schlösser der Familie Percy<lb/> nach dem andern ziehn müssen, hatte gesehen, wie die Paläste ihrer Jugend in<lb/> Schutthaufen und Baracken verwandelt, wie die Theater geschlossen, die Galerien<lb/> geplündert wurden, hatte das leuchtende England der Stuarts in Schwarz ge¬<lb/> kleidet gesehen, gepanzert, kopfhängerisch, fanatisch, bußfertig. Ihr hatte das<lb/> Parlament die Obhut der vaterlosen Königskinder anvertraut, und sie hatte die<lb/> junge Prinzessin Elisabeth — an der sie fast mehr hing als an ihrem eignen<lb/> Sohne — vor Schmerz und Kummer dahinsiechen sehen. Sie hatte ihren Mann<lb/> und ihren Sohn sterben sehen und saß nun hier allein mit der einzigen kleinen<lb/> Tochter des letzten Jarls — der einzigen Hoffnung des Percyschen Geschlechts! —</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0276]
Glizabeth j?erey
Das wäre für die „Dirne" — wer es nun auch sein mag, denn ich kenne
sie nicht — eine viel zu große Ehre, sagte er übermütig ironisch. Dann — nach
einer kurzen Pause — scharf tadelnd: Schickt es sich wohl, immer an ... an so
etwas zu denken!
Lady Elizabeth lachte nun — plötzlich unbekümmert, mit einem strahlenden,
errötenden Gesicht, in dessen Wangen sich zwei kleine Grübchen bildeten. Das wisse
sie wirklich nicht, sagte sie, aber die Mädchen sprächen immer von „so etwas", und
die Bücher handelten immer von „so etwas", und Harry vergaß immer, daß sie
jetzt groß und erwachsen war — und frei obendrein — frei, Monsieur Harry!
Daß er den Mut hatte, das zu vergessen . . . Frei wie der Vogel in der Luft.
Solange es währt, sagte Henry Percy finster.
3
LIis ng,Ä s, pÄSsion lor soviel povsr,
lor inovs^ avÄ lor watoKmMug.
Da Fonblanque
(über Elizabcth Howard, Griisinwitwe von Northumberland)
Die alte Gräfin von Northumberland hatte in dem „alten Rattennest", wie
sie, nicht unberechtigt, das mehr als erlaubt verfcillne und mit wenig Bequemlichkeiten
ausgestattete Alnwick nannte, einen Anfall von Gicht bekommen. Das war der
Grund, weshalb die Herrschaften solange dort blieben — es war ja eigentlich die
Absicht gewesen, gleich nach Beendigung der Trauerzeit gen Süden zu reisen.
Es war jetzt zur Lenzzeit bitterkalt, und der Feuerstätten im Hause, die man
benutzen konnte, waren nicht viele. Die Gräfin wohnte in dem großen dreieckigen
Zimmer nach Nordosten; dort lag sie den ganzen Tag in ihrem viereckigen, ver¬
goldeten Bett mit einem goldbefransten, rotseidnen Himmel, der über die hohen
Bettpfosten gespannt war, einen Berg von Kissen im Rücken. Aus Petworth selber
hatte sie ihr eignes großes Oberbett aus Sammet mitgebracht, das zierlich mit
Blumenstickerei und Borten ausgestattet war, aber um die Wärme zu erhalten und die
Gicht aus dem Körper zu vertreiben, mußte sie außerdem immer zwei kleine Hunde
im Bett haben — ein Paar ältere, träge spanische Pudel, die immer am Fußende
lagen und schnarchten. Die hohe Frau war jetzt über sechzig Jahre alt und konnte
— wenn man bedachte, was sie in ihrem Leben durchgemacht hatte — wohl ein
Recht darauf haben, sich in ihren alten Jahren ein wenig gebrechlich zu fühlen.
Sie war unter König Jakob geboren und hatte in ihrer Jugend für eine der
anspruchsvollsten und reizendsten Schönheiten an Karls des Ersten und Königin
Henrietta Marias vornehmem und würdigem Hofe gegolten, wie auch als erklärter
Liebling ihrer Tochter, der Prinzeß Mary, die später Prinzessin von Oranien wurde.
Sie hatte den Bürgerkrieg ausbrechen sehen und hatte es erdulden müssen, daß ihr
Mann die Partei des Usurpators ergriff; sie hatte Karl Stuart auf dem Schafott
sterben und die königliche Familie landflüchtig werden und in Not geraten sehen.
Mit ihren Kindern hatte sie von dem einen der festen Schlösser der Familie Percy
nach dem andern ziehn müssen, hatte gesehen, wie die Paläste ihrer Jugend in
Schutthaufen und Baracken verwandelt, wie die Theater geschlossen, die Galerien
geplündert wurden, hatte das leuchtende England der Stuarts in Schwarz ge¬
kleidet gesehen, gepanzert, kopfhängerisch, fanatisch, bußfertig. Ihr hatte das
Parlament die Obhut der vaterlosen Königskinder anvertraut, und sie hatte die
junge Prinzessin Elisabeth — an der sie fast mehr hing als an ihrem eignen
Sohne — vor Schmerz und Kummer dahinsiechen sehen. Sie hatte ihren Mann
und ihren Sohn sterben sehen und saß nun hier allein mit der einzigen kleinen
Tochter des letzten Jarls — der einzigen Hoffnung des Percyschen Geschlechts! —
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