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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Johannes Grunow und die Grenzboten

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WM
^^^^>le Grenzboten haben immer auf nationalem Boden gestanden.
Aber dieser Boden blieb nicht immer von derselben Beschaffenheit.
Als sie gegründet wurden, da war die einzige Partei, die den
Gedanken der nationalen Einigung vertrat, die liberale; die kon-
lservativen Elemente widerstrebten ihr kurzsichtig und eigennützig.
Deshalb trugen die Grenzboten jahrzehntelang einen ausgesprochen liberalen
Charakter, auch in kirchlicher Beziehung. Unter Gustav Freytags Führung trat
in den sechziger Jahren diese Richtung besonders kräftig hervor. Weil Gustav
Freytag sich damals die Verwirklichung der nationalen Einheit nur auf liberalem
Wege denken konnte, haben die Grenzboten Wohl manche Irrtümer des damaligen
Liberalismus mitgemacht, aber auch viel zur Aufklärung der nationalen Fragen
beigetragen. Als dann die Bismarckische Politik denselben nationalen Zielen zu¬
strebte, schlössen sich die Grenzboten unter der Leitung von Moritz Busch ganz
an Bismarck an und unterstützten die preußische Politik, namentlich seit 1866.
Während in der Redaktion Hans Blum und Gustav Wustmann tütig waren,
wuchs Johannes Grunows Einfluß auf sie immer mehr. Er war es, der die
Verbindung mit Bismarck herstellte. Daß er ein warmer Bewunderer des
großen Staatsmanns war, zeigte schon die Publikation der Aufzeichnungen
von Moritz Busch: "Graf Bismarck und seine Leute 1870/71." Seitdem
wurden die Grenzboten ein wichtiges Organ des Kanzlers, ohne jemals ihre
Unabhängigkeit aufzugeben; die Artikel mit dem Kometenzeichen erregten
berechtigtes Aufsehen. Nach dem Ausscheiden Hans Blums trat Johannes
Grunows Persönlichkeit auch in der Redaktion in den Vordergrund, denn
G. Wustmanns Tätigkeit richtete sich wesentlich aus das literarisch-ästhetische
Gebiet, und es ist sein Verdienst, daß die Grenzboten auf stilistische Sauberkeit
halten und keine Schlapperei in dieser Beziehung dulden. Die politische Richtung
gab den Grenzboten seit dieser Zeit Johannes Grunow, und er übernahm die
Leitung anch im allgemeinen, als sich beide Männer trennten.

Grunows starke Persönlichkeit, sein sicherer Blick für alles Wichtige, seine
Ablehnung aller Parteidoktrinen und Parteiinteressen, seine Freude am Kampfe
mit allem, was ihm als schädlich, verderblich, ungesund, unnatürlich erschien,


Grenzboten II 1906 29


Johannes Grunow und die Grenzboten

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^^^^>le Grenzboten haben immer auf nationalem Boden gestanden.
Aber dieser Boden blieb nicht immer von derselben Beschaffenheit.
Als sie gegründet wurden, da war die einzige Partei, die den
Gedanken der nationalen Einigung vertrat, die liberale; die kon-
lservativen Elemente widerstrebten ihr kurzsichtig und eigennützig.
Deshalb trugen die Grenzboten jahrzehntelang einen ausgesprochen liberalen
Charakter, auch in kirchlicher Beziehung. Unter Gustav Freytags Führung trat
in den sechziger Jahren diese Richtung besonders kräftig hervor. Weil Gustav
Freytag sich damals die Verwirklichung der nationalen Einheit nur auf liberalem
Wege denken konnte, haben die Grenzboten Wohl manche Irrtümer des damaligen
Liberalismus mitgemacht, aber auch viel zur Aufklärung der nationalen Fragen
beigetragen. Als dann die Bismarckische Politik denselben nationalen Zielen zu¬
strebte, schlössen sich die Grenzboten unter der Leitung von Moritz Busch ganz
an Bismarck an und unterstützten die preußische Politik, namentlich seit 1866.
Während in der Redaktion Hans Blum und Gustav Wustmann tütig waren,
wuchs Johannes Grunows Einfluß auf sie immer mehr. Er war es, der die
Verbindung mit Bismarck herstellte. Daß er ein warmer Bewunderer des
großen Staatsmanns war, zeigte schon die Publikation der Aufzeichnungen
von Moritz Busch: „Graf Bismarck und seine Leute 1870/71." Seitdem
wurden die Grenzboten ein wichtiges Organ des Kanzlers, ohne jemals ihre
Unabhängigkeit aufzugeben; die Artikel mit dem Kometenzeichen erregten
berechtigtes Aufsehen. Nach dem Ausscheiden Hans Blums trat Johannes
Grunows Persönlichkeit auch in der Redaktion in den Vordergrund, denn
G. Wustmanns Tätigkeit richtete sich wesentlich aus das literarisch-ästhetische
Gebiet, und es ist sein Verdienst, daß die Grenzboten auf stilistische Sauberkeit
halten und keine Schlapperei in dieser Beziehung dulden. Die politische Richtung
gab den Grenzboten seit dieser Zeit Johannes Grunow, und er übernahm die
Leitung anch im allgemeinen, als sich beide Männer trennten.

Grunows starke Persönlichkeit, sein sicherer Blick für alles Wichtige, seine
Ablehnung aller Parteidoktrinen und Parteiinteressen, seine Freude am Kampfe
mit allem, was ihm als schädlich, verderblich, ungesund, unnatürlich erschien,


Grenzboten II 1906 29
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[0237] [Abbildung] Johannes Grunow und die Grenzboten f' /^^X^ WM ^^^^>le Grenzboten haben immer auf nationalem Boden gestanden. Aber dieser Boden blieb nicht immer von derselben Beschaffenheit. Als sie gegründet wurden, da war die einzige Partei, die den Gedanken der nationalen Einigung vertrat, die liberale; die kon- lservativen Elemente widerstrebten ihr kurzsichtig und eigennützig. Deshalb trugen die Grenzboten jahrzehntelang einen ausgesprochen liberalen Charakter, auch in kirchlicher Beziehung. Unter Gustav Freytags Führung trat in den sechziger Jahren diese Richtung besonders kräftig hervor. Weil Gustav Freytag sich damals die Verwirklichung der nationalen Einheit nur auf liberalem Wege denken konnte, haben die Grenzboten Wohl manche Irrtümer des damaligen Liberalismus mitgemacht, aber auch viel zur Aufklärung der nationalen Fragen beigetragen. Als dann die Bismarckische Politik denselben nationalen Zielen zu¬ strebte, schlössen sich die Grenzboten unter der Leitung von Moritz Busch ganz an Bismarck an und unterstützten die preußische Politik, namentlich seit 1866. Während in der Redaktion Hans Blum und Gustav Wustmann tütig waren, wuchs Johannes Grunows Einfluß auf sie immer mehr. Er war es, der die Verbindung mit Bismarck herstellte. Daß er ein warmer Bewunderer des großen Staatsmanns war, zeigte schon die Publikation der Aufzeichnungen von Moritz Busch: „Graf Bismarck und seine Leute 1870/71." Seitdem wurden die Grenzboten ein wichtiges Organ des Kanzlers, ohne jemals ihre Unabhängigkeit aufzugeben; die Artikel mit dem Kometenzeichen erregten berechtigtes Aufsehen. Nach dem Ausscheiden Hans Blums trat Johannes Grunows Persönlichkeit auch in der Redaktion in den Vordergrund, denn G. Wustmanns Tätigkeit richtete sich wesentlich aus das literarisch-ästhetische Gebiet, und es ist sein Verdienst, daß die Grenzboten auf stilistische Sauberkeit halten und keine Schlapperei in dieser Beziehung dulden. Die politische Richtung gab den Grenzboten seit dieser Zeit Johannes Grunow, und er übernahm die Leitung anch im allgemeinen, als sich beide Männer trennten. Grunows starke Persönlichkeit, sein sicherer Blick für alles Wichtige, seine Ablehnung aller Parteidoktrinen und Parteiinteressen, seine Freude am Kampfe mit allem, was ihm als schädlich, verderblich, ungesund, unnatürlich erschien, Grenzboten II 1906 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/237>, abgerufen am 26.12.2024.