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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Lin Sommerritt auf den Pik von Teneriffa

Dingen. Man weiß lange, daß Bismarck eine sehr feste religiöse Überzeugung
hatte. Weil er sie nicht über die öffentliche Waschleine gehängt hatte, war
er als religiös indifferent angefeindet worden. Bekanntlich ließ er sich dazu
herbei, die unter dieser Annahme schwer besorgten Kreise einigermaßen zu be¬
ruhigen. Und wie er das persönliche Verhältnis zu seinem Gott gestaltete:
kindlich vertrauensvoll, rein innerlich, der Form gegenüber zwanglos, jeder dog¬
matischen Rabulisterei abhold, so hat sich in auffülliger Übereinstimmung mit ihm
auch Blücher zu diesen Dingen verhalten. Auch er benutzte, genau wie jener,
im Frieden wie im Kriege, das mitgefühlte Gebetbuch, sich mit seinem Schöpfer
ins Einvernehmen zu scheu, ohne Frömmelei, ohne Formelkram, aber im felsen¬
festen Glauben an ein Jenseits. "Wenn mir jemand diese Überzeugung nähme,
dann könnte ich an die Sterbestunde nur mit Grauen denken." So der alte
Soldat. -- Und der Kanzler: "Ich weiß nicht, wo ich mein Pflichtgefühl her¬
nehmen sollte, wenn nicht von Gott. Der entschlossene Glaube an ein Leben
nach dem Tode -- deshalb bin ich Royalist. Nehmen Sie mir diesen Glauben,
und Sie nehmen mir das Vaterland."

Mit diesen Bekenntnissen bezeichnen sie selbst den Grund und Boden, ans
dem die vornehmlichsten sittlichen Eigenschaften ihres öffentlichen Wirkens ge¬
wachsen und gereift sind: unverbrüchliche Treue gegen König und Volk, Pflicht¬
bewußtsein und Verantwortungsfreudigkeit. Wohl hatte ihnen das Schicksal
geniale Männer zur Seite gestellt, diesem die Gehilfen, jenem die Mitarbeiter
vom Schwert, deren Verdienste mit den ihrigen unzertrennbar verbunden sind.
Blücher, Gneisenau, Grolman -- Bismarck, Moltke, R-von -- jede dieser Namen¬
verbindungen ist eine Trias von stolzem, nationalem Klang, von weltgeschicht¬
licher Bedeutung. Immer aber bleibt den Führern das Hauptverdienst. Denn
zu allen auferlegten Lasten kommt noch die schwerste und drückendste Bürde hinzu,
die ihnen niemand abnimmt, keiner tragen hilft, noch tragen Helfen kann: die
Verantwortung. Und diese hat der Befreier Deutschlands, der große Soldat, in
derselben Weise allein auf sein Gewissen genommen und freudig getragen, wie der
Diplomat, der gewaltige Einiger des Reichs. Sie waren sich auch hierin gleich
und von dem besondern Material, aus dem das Schicksal die großen Männer
der Tat zu formen pflegt.




Gin Hommerritt auf den Pik von Teneriffa
Reinhold Schultz Reiseerinnerung von
(Schluß)

l le Hütte liegt dicht unter der Spaltung des Lavastromes, die
einen dreieckigen Platz freiläßt, während weiter unten eine tiefe
Runse die beiden Ströme trennt; man hat eine Art Rampe
aufgeschüttet und so einen leidlich horizontalen Untergrund ge¬
schaffen. Das Gebäude besteht aus dicken Steinmauern mit
schrägen Dach und ist in drei Räume geteilt: einen links für die "Senores"
-- auch für die Senoras und etwaigen Senoritas! --, einen mittlen fürcMM


Lin Sommerritt auf den Pik von Teneriffa

Dingen. Man weiß lange, daß Bismarck eine sehr feste religiöse Überzeugung
hatte. Weil er sie nicht über die öffentliche Waschleine gehängt hatte, war
er als religiös indifferent angefeindet worden. Bekanntlich ließ er sich dazu
herbei, die unter dieser Annahme schwer besorgten Kreise einigermaßen zu be¬
ruhigen. Und wie er das persönliche Verhältnis zu seinem Gott gestaltete:
kindlich vertrauensvoll, rein innerlich, der Form gegenüber zwanglos, jeder dog¬
matischen Rabulisterei abhold, so hat sich in auffülliger Übereinstimmung mit ihm
auch Blücher zu diesen Dingen verhalten. Auch er benutzte, genau wie jener,
im Frieden wie im Kriege, das mitgefühlte Gebetbuch, sich mit seinem Schöpfer
ins Einvernehmen zu scheu, ohne Frömmelei, ohne Formelkram, aber im felsen¬
festen Glauben an ein Jenseits. „Wenn mir jemand diese Überzeugung nähme,
dann könnte ich an die Sterbestunde nur mit Grauen denken." So der alte
Soldat. — Und der Kanzler: „Ich weiß nicht, wo ich mein Pflichtgefühl her¬
nehmen sollte, wenn nicht von Gott. Der entschlossene Glaube an ein Leben
nach dem Tode — deshalb bin ich Royalist. Nehmen Sie mir diesen Glauben,
und Sie nehmen mir das Vaterland."

Mit diesen Bekenntnissen bezeichnen sie selbst den Grund und Boden, ans
dem die vornehmlichsten sittlichen Eigenschaften ihres öffentlichen Wirkens ge¬
wachsen und gereift sind: unverbrüchliche Treue gegen König und Volk, Pflicht¬
bewußtsein und Verantwortungsfreudigkeit. Wohl hatte ihnen das Schicksal
geniale Männer zur Seite gestellt, diesem die Gehilfen, jenem die Mitarbeiter
vom Schwert, deren Verdienste mit den ihrigen unzertrennbar verbunden sind.
Blücher, Gneisenau, Grolman — Bismarck, Moltke, R-von — jede dieser Namen¬
verbindungen ist eine Trias von stolzem, nationalem Klang, von weltgeschicht¬
licher Bedeutung. Immer aber bleibt den Führern das Hauptverdienst. Denn
zu allen auferlegten Lasten kommt noch die schwerste und drückendste Bürde hinzu,
die ihnen niemand abnimmt, keiner tragen hilft, noch tragen Helfen kann: die
Verantwortung. Und diese hat der Befreier Deutschlands, der große Soldat, in
derselben Weise allein auf sein Gewissen genommen und freudig getragen, wie der
Diplomat, der gewaltige Einiger des Reichs. Sie waren sich auch hierin gleich
und von dem besondern Material, aus dem das Schicksal die großen Männer
der Tat zu formen pflegt.




Gin Hommerritt auf den Pik von Teneriffa
Reinhold Schultz Reiseerinnerung von
(Schluß)

l le Hütte liegt dicht unter der Spaltung des Lavastromes, die
einen dreieckigen Platz freiläßt, während weiter unten eine tiefe
Runse die beiden Ströme trennt; man hat eine Art Rampe
aufgeschüttet und so einen leidlich horizontalen Untergrund ge¬
schaffen. Das Gebäude besteht aus dicken Steinmauern mit
schrägen Dach und ist in drei Räume geteilt: einen links für die „Senores"
— auch für die Senoras und etwaigen Senoritas! —, einen mittlen fürcMM


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[0726] Lin Sommerritt auf den Pik von Teneriffa Dingen. Man weiß lange, daß Bismarck eine sehr feste religiöse Überzeugung hatte. Weil er sie nicht über die öffentliche Waschleine gehängt hatte, war er als religiös indifferent angefeindet worden. Bekanntlich ließ er sich dazu herbei, die unter dieser Annahme schwer besorgten Kreise einigermaßen zu be¬ ruhigen. Und wie er das persönliche Verhältnis zu seinem Gott gestaltete: kindlich vertrauensvoll, rein innerlich, der Form gegenüber zwanglos, jeder dog¬ matischen Rabulisterei abhold, so hat sich in auffülliger Übereinstimmung mit ihm auch Blücher zu diesen Dingen verhalten. Auch er benutzte, genau wie jener, im Frieden wie im Kriege, das mitgefühlte Gebetbuch, sich mit seinem Schöpfer ins Einvernehmen zu scheu, ohne Frömmelei, ohne Formelkram, aber im felsen¬ festen Glauben an ein Jenseits. „Wenn mir jemand diese Überzeugung nähme, dann könnte ich an die Sterbestunde nur mit Grauen denken." So der alte Soldat. — Und der Kanzler: „Ich weiß nicht, wo ich mein Pflichtgefühl her¬ nehmen sollte, wenn nicht von Gott. Der entschlossene Glaube an ein Leben nach dem Tode — deshalb bin ich Royalist. Nehmen Sie mir diesen Glauben, und Sie nehmen mir das Vaterland." Mit diesen Bekenntnissen bezeichnen sie selbst den Grund und Boden, ans dem die vornehmlichsten sittlichen Eigenschaften ihres öffentlichen Wirkens ge¬ wachsen und gereift sind: unverbrüchliche Treue gegen König und Volk, Pflicht¬ bewußtsein und Verantwortungsfreudigkeit. Wohl hatte ihnen das Schicksal geniale Männer zur Seite gestellt, diesem die Gehilfen, jenem die Mitarbeiter vom Schwert, deren Verdienste mit den ihrigen unzertrennbar verbunden sind. Blücher, Gneisenau, Grolman — Bismarck, Moltke, R-von — jede dieser Namen¬ verbindungen ist eine Trias von stolzem, nationalem Klang, von weltgeschicht¬ licher Bedeutung. Immer aber bleibt den Führern das Hauptverdienst. Denn zu allen auferlegten Lasten kommt noch die schwerste und drückendste Bürde hinzu, die ihnen niemand abnimmt, keiner tragen hilft, noch tragen Helfen kann: die Verantwortung. Und diese hat der Befreier Deutschlands, der große Soldat, in derselben Weise allein auf sein Gewissen genommen und freudig getragen, wie der Diplomat, der gewaltige Einiger des Reichs. Sie waren sich auch hierin gleich und von dem besondern Material, aus dem das Schicksal die großen Männer der Tat zu formen pflegt. Gin Hommerritt auf den Pik von Teneriffa Reinhold Schultz Reiseerinnerung von (Schluß) l le Hütte liegt dicht unter der Spaltung des Lavastromes, die einen dreieckigen Platz freiläßt, während weiter unten eine tiefe Runse die beiden Ströme trennt; man hat eine Art Rampe aufgeschüttet und so einen leidlich horizontalen Untergrund ge¬ schaffen. Das Gebäude besteht aus dicken Steinmauern mit schrägen Dach und ist in drei Räume geteilt: einen links für die „Senores" — auch für die Senoras und etwaigen Senoritas! —, einen mittlen fürcMM

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/726>, abgerufen am 23.07.2024.