Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Herrenmenschen

das so sein, bis an die Hütte heran, mich würdigte es dabei keines Blickes.
Don Ignacio öffnete uns mit seinem Schlüssel das Heiligtum, ein Feuer wurde
angezündet, und bald war ein netter tom- o'oloolc-og, aufgetragen, dem alle
Ehre geschah. Ein achtstündiger Ritt in die dünne Höhenluft kounte wohl
für ihn empfänglich machen! Schluß folgt)



Herrenmenschen
Fritz Anders (Max Allihn) Roman von 2. Strandgut (Fortsetzung)

'>I>V^i^-- 1lie Damen knicksten und ließen sich nieder, und Iran Rechnungsrat
"eröffnete die Unterhaltung mit den Vokabeln, die man für solche
Gelegenheit auf Lager hat. Sind Sie schon lange hier, Herr Doktor?
sagte sie. Seit gestern. Sehen Sie mal, seit gestern. Und wo find
Sie abgestiegen? Im Kurhause. Sehen Sie mal. Man wohnt
!dort sehr gut, fast so gut wie in der Krone zu Labiau, und nicht
so eingebremst wie in diesen Privatwohnungen. Wirklich sehr gut.

Und man ißt dort auch vorzüglich, fuhr Fron Obersteuerkontrolleur fort. Frei¬
lich nicht so gut, als man es zuhause haben kann -- Gott sei Dank. Aber sonst
sehr gut. Besonders Hammelbraten und süße Speise. Nicht wahr, trauteste Frau
Rechnungsrat? Eduard, sagte ich erst gestern zu meinem Manne, ders immer
nicht gut genug kriegen kann. Eduard, sagte ich, zerHabe dich nicht, der Hammel¬
braten ist wirklich alles mögliche.

Ja, sagte die Frau Rechnungsrat, das Essen spielt hier eine große Rolle.
Aber man ist doch seiner Gesundheit wegen hier, und da ist doch das Essen eine
geradezue Hauptsache.

Ja? Nicht wahr? fuhr Frau Obersteuerkontrolleur fort. Und die Luft, diese
Luft hier, Herr Doktor, herrlich! Nicht so trocken und staubig. -- Überhaupt die
See ist doch entschieden feuchter als das Land. Und dieser Strand! Herr Doktor,
was wäre die See ohne Strand!

Der Herr Doktor stand nicht an, zu versichern, daß nach seiner Auffassung
eine See ohne Strand nicht denkbar sei.

Jawohl, fügte Frau Rechnungsrat hinzu, unsre Kinder laufen auch den
ganzen Tag barfuß, und ich muß lange schelten, ehe sie sich mit ihren Schuhen
und Strümpfen beziehn.

Bei diesen Worten kamen die barfüßigen Töchter, Mädchen bis zu vierzehn
Jahren, im Sturm angezogen, ihr buntes Badezeug schwingend. Sie waren an
Kopf und Füßen braun gebrannt wie die Indianer und kerngesunde, kräftige,
große und hübsche Mädchen. Sie machten ihrem Spitznamen: die Rotte Korah
alle Ehre und waren offenbar in großer Aufregung. Alle wollten zugleich sprechen.
Zuletzt kam die kleine Toni zu Wort und berichtete, von den andern ergänzt, der
Strandvogt, der eklige Kerl, habe gesagt, sie dürften kein Schilf mehr holen. Was
ihn denn das angehe? und woraus sie ihre Badehütten bauen sollten? Hoheit hätte
es verboten, sagte er, aber das sei gar nicht wahr. Er wolle sich nur wichtig
machen.

New, sagte eine andre, er will nur wieder eine Flasche Punschessenz haben.


Herrenmenschen

das so sein, bis an die Hütte heran, mich würdigte es dabei keines Blickes.
Don Ignacio öffnete uns mit seinem Schlüssel das Heiligtum, ein Feuer wurde
angezündet, und bald war ein netter tom- o'oloolc-og, aufgetragen, dem alle
Ehre geschah. Ein achtstündiger Ritt in die dünne Höhenluft kounte wohl
für ihn empfänglich machen! Schluß folgt)



Herrenmenschen
Fritz Anders (Max Allihn) Roman von 2. Strandgut (Fortsetzung)

'>I>V^i^-- 1lie Damen knicksten und ließen sich nieder, und Iran Rechnungsrat
»eröffnete die Unterhaltung mit den Vokabeln, die man für solche
Gelegenheit auf Lager hat. Sind Sie schon lange hier, Herr Doktor?
sagte sie. Seit gestern. Sehen Sie mal, seit gestern. Und wo find
Sie abgestiegen? Im Kurhause. Sehen Sie mal. Man wohnt
!dort sehr gut, fast so gut wie in der Krone zu Labiau, und nicht
so eingebremst wie in diesen Privatwohnungen. Wirklich sehr gut.

Und man ißt dort auch vorzüglich, fuhr Fron Obersteuerkontrolleur fort. Frei¬
lich nicht so gut, als man es zuhause haben kann — Gott sei Dank. Aber sonst
sehr gut. Besonders Hammelbraten und süße Speise. Nicht wahr, trauteste Frau
Rechnungsrat? Eduard, sagte ich erst gestern zu meinem Manne, ders immer
nicht gut genug kriegen kann. Eduard, sagte ich, zerHabe dich nicht, der Hammel¬
braten ist wirklich alles mögliche.

Ja, sagte die Frau Rechnungsrat, das Essen spielt hier eine große Rolle.
Aber man ist doch seiner Gesundheit wegen hier, und da ist doch das Essen eine
geradezue Hauptsache.

Ja? Nicht wahr? fuhr Frau Obersteuerkontrolleur fort. Und die Luft, diese
Luft hier, Herr Doktor, herrlich! Nicht so trocken und staubig. — Überhaupt die
See ist doch entschieden feuchter als das Land. Und dieser Strand! Herr Doktor,
was wäre die See ohne Strand!

Der Herr Doktor stand nicht an, zu versichern, daß nach seiner Auffassung
eine See ohne Strand nicht denkbar sei.

Jawohl, fügte Frau Rechnungsrat hinzu, unsre Kinder laufen auch den
ganzen Tag barfuß, und ich muß lange schelten, ehe sie sich mit ihren Schuhen
und Strümpfen beziehn.

Bei diesen Worten kamen die barfüßigen Töchter, Mädchen bis zu vierzehn
Jahren, im Sturm angezogen, ihr buntes Badezeug schwingend. Sie waren an
Kopf und Füßen braun gebrannt wie die Indianer und kerngesunde, kräftige,
große und hübsche Mädchen. Sie machten ihrem Spitznamen: die Rotte Korah
alle Ehre und waren offenbar in großer Aufregung. Alle wollten zugleich sprechen.
Zuletzt kam die kleine Toni zu Wort und berichtete, von den andern ergänzt, der
Strandvogt, der eklige Kerl, habe gesagt, sie dürften kein Schilf mehr holen. Was
ihn denn das angehe? und woraus sie ihre Badehütten bauen sollten? Hoheit hätte
es verboten, sagte er, aber das sei gar nicht wahr. Er wolle sich nur wichtig
machen.

New, sagte eine andre, er will nur wieder eine Flasche Punschessenz haben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0682" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88160"/>
          <fw type="header" place="top"> Herrenmenschen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2837" prev="#ID_2836"> das so sein, bis an die Hütte heran, mich würdigte es dabei keines Blickes.<lb/>
Don Ignacio öffnete uns mit seinem Schlüssel das Heiligtum, ein Feuer wurde<lb/>
angezündet, und bald war ein netter tom- o'oloolc-og, aufgetragen, dem alle<lb/>
Ehre geschah. Ein achtstündiger Ritt in die dünne Höhenluft kounte wohl<lb/>
für ihn empfänglich machen!    Schluß folgt) </p><lb/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341881_87477/figures/grenzboten_341881_87477_88160_004.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Herrenmenschen<lb/><note type="byline"> Fritz Anders (Max Allihn)</note> Roman von 2. Strandgut (Fortsetzung) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_2838"> '&gt;I&gt;V^i^-- 1lie Damen knicksten und ließen sich nieder, und Iran Rechnungsrat<lb/>
»eröffnete die Unterhaltung mit den Vokabeln, die man für solche<lb/>
Gelegenheit auf Lager hat. Sind Sie schon lange hier, Herr Doktor?<lb/>
sagte sie. Seit gestern. Sehen Sie mal, seit gestern. Und wo find<lb/>
Sie abgestiegen?  Im Kurhause.  Sehen Sie mal.  Man wohnt<lb/>
!dort sehr gut, fast so gut wie in der Krone zu Labiau, und nicht<lb/>
so eingebremst wie in diesen Privatwohnungen.  Wirklich sehr gut.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2839"> Und man ißt dort auch vorzüglich, fuhr Fron Obersteuerkontrolleur fort. Frei¬<lb/>
lich nicht so gut, als man es zuhause haben kann &#x2014; Gott sei Dank. Aber sonst<lb/>
sehr gut. Besonders Hammelbraten und süße Speise. Nicht wahr, trauteste Frau<lb/>
Rechnungsrat? Eduard, sagte ich erst gestern zu meinem Manne, ders immer<lb/>
nicht gut genug kriegen kann. Eduard, sagte ich, zerHabe dich nicht, der Hammel¬<lb/>
braten ist wirklich alles mögliche.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2840"> Ja, sagte die Frau Rechnungsrat, das Essen spielt hier eine große Rolle.<lb/>
Aber man ist doch seiner Gesundheit wegen hier, und da ist doch das Essen eine<lb/>
geradezue Hauptsache.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2841"> Ja? Nicht wahr? fuhr Frau Obersteuerkontrolleur fort. Und die Luft, diese<lb/>
Luft hier, Herr Doktor, herrlich! Nicht so trocken und staubig. &#x2014; Überhaupt die<lb/>
See ist doch entschieden feuchter als das Land. Und dieser Strand! Herr Doktor,<lb/>
was wäre die See ohne Strand!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2842"> Der Herr Doktor stand nicht an, zu versichern, daß nach seiner Auffassung<lb/>
eine See ohne Strand nicht denkbar sei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2843"> Jawohl, fügte Frau Rechnungsrat hinzu, unsre Kinder laufen auch den<lb/>
ganzen Tag barfuß, und ich muß lange schelten, ehe sie sich mit ihren Schuhen<lb/>
und Strümpfen beziehn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2844"> Bei diesen Worten kamen die barfüßigen Töchter, Mädchen bis zu vierzehn<lb/>
Jahren, im Sturm angezogen, ihr buntes Badezeug schwingend. Sie waren an<lb/>
Kopf und Füßen braun gebrannt wie die Indianer und kerngesunde, kräftige,<lb/>
große und hübsche Mädchen. Sie machten ihrem Spitznamen: die Rotte Korah<lb/>
alle Ehre und waren offenbar in großer Aufregung. Alle wollten zugleich sprechen.<lb/>
Zuletzt kam die kleine Toni zu Wort und berichtete, von den andern ergänzt, der<lb/>
Strandvogt, der eklige Kerl, habe gesagt, sie dürften kein Schilf mehr holen. Was<lb/>
ihn denn das angehe? und woraus sie ihre Badehütten bauen sollten? Hoheit hätte<lb/>
es verboten, sagte er, aber das sei gar nicht wahr. Er wolle sich nur wichtig<lb/>
machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2845"> New, sagte eine andre, er will nur wieder eine Flasche Punschessenz haben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0682] Herrenmenschen das so sein, bis an die Hütte heran, mich würdigte es dabei keines Blickes. Don Ignacio öffnete uns mit seinem Schlüssel das Heiligtum, ein Feuer wurde angezündet, und bald war ein netter tom- o'oloolc-og, aufgetragen, dem alle Ehre geschah. Ein achtstündiger Ritt in die dünne Höhenluft kounte wohl für ihn empfänglich machen! Schluß folgt) [Abbildung] Herrenmenschen Fritz Anders (Max Allihn) Roman von 2. Strandgut (Fortsetzung) '>I>V^i^-- 1lie Damen knicksten und ließen sich nieder, und Iran Rechnungsrat »eröffnete die Unterhaltung mit den Vokabeln, die man für solche Gelegenheit auf Lager hat. Sind Sie schon lange hier, Herr Doktor? sagte sie. Seit gestern. Sehen Sie mal, seit gestern. Und wo find Sie abgestiegen? Im Kurhause. Sehen Sie mal. Man wohnt !dort sehr gut, fast so gut wie in der Krone zu Labiau, und nicht so eingebremst wie in diesen Privatwohnungen. Wirklich sehr gut. Und man ißt dort auch vorzüglich, fuhr Fron Obersteuerkontrolleur fort. Frei¬ lich nicht so gut, als man es zuhause haben kann — Gott sei Dank. Aber sonst sehr gut. Besonders Hammelbraten und süße Speise. Nicht wahr, trauteste Frau Rechnungsrat? Eduard, sagte ich erst gestern zu meinem Manne, ders immer nicht gut genug kriegen kann. Eduard, sagte ich, zerHabe dich nicht, der Hammel¬ braten ist wirklich alles mögliche. Ja, sagte die Frau Rechnungsrat, das Essen spielt hier eine große Rolle. Aber man ist doch seiner Gesundheit wegen hier, und da ist doch das Essen eine geradezue Hauptsache. Ja? Nicht wahr? fuhr Frau Obersteuerkontrolleur fort. Und die Luft, diese Luft hier, Herr Doktor, herrlich! Nicht so trocken und staubig. — Überhaupt die See ist doch entschieden feuchter als das Land. Und dieser Strand! Herr Doktor, was wäre die See ohne Strand! Der Herr Doktor stand nicht an, zu versichern, daß nach seiner Auffassung eine See ohne Strand nicht denkbar sei. Jawohl, fügte Frau Rechnungsrat hinzu, unsre Kinder laufen auch den ganzen Tag barfuß, und ich muß lange schelten, ehe sie sich mit ihren Schuhen und Strümpfen beziehn. Bei diesen Worten kamen die barfüßigen Töchter, Mädchen bis zu vierzehn Jahren, im Sturm angezogen, ihr buntes Badezeug schwingend. Sie waren an Kopf und Füßen braun gebrannt wie die Indianer und kerngesunde, kräftige, große und hübsche Mädchen. Sie machten ihrem Spitznamen: die Rotte Korah alle Ehre und waren offenbar in großer Aufregung. Alle wollten zugleich sprechen. Zuletzt kam die kleine Toni zu Wort und berichtete, von den andern ergänzt, der Strandvogt, der eklige Kerl, habe gesagt, sie dürften kein Schilf mehr holen. Was ihn denn das angehe? und woraus sie ihre Badehütten bauen sollten? Hoheit hätte es verboten, sagte er, aber das sei gar nicht wahr. Er wolle sich nur wichtig machen. New, sagte eine andre, er will nur wieder eine Flasche Punschessenz haben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/682
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/682>, abgerufen am 22.12.2024.