Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren Robert Thomas Lebenserimiernngen von (Fortsetzung) Wieder auf der Walze eher Strehla wanderte ich "ach Oschatz und stieß dort die Krcmtcrer. Auf Hamburg hatte ich mich schon lange gefreut, getreu der alten Handwerks- Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren Robert Thomas Lebenserimiernngen von (Fortsetzung) Wieder auf der Walze eher Strehla wanderte ich »ach Oschatz und stieß dort die Krcmtcrer. Auf Hamburg hatte ich mich schon lange gefreut, getreu der alten Handwerks- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0670" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297049"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341881_296764/figures/grenzboten_341881_296764_297049_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren<lb/><note type="byline"> Robert Thomas</note> Lebenserimiernngen von<lb/> (Fortsetzung)<lb/> Wieder auf der Walze </head><lb/> <p xml:id="ID_3043"> eher Strehla wanderte ich »ach Oschatz und stieß dort die Krcmtcrer.<lb/> Als mich einer nach meinen Papieren fragte, bemerkte ich zu meinem<lb/> Schrecken, daß ich diese in Strehla hatte liegen lassen, erklärte aber<lb/> gleich, daß ich zurückgehn und sie holen würde. Ich machte den zwei¬<lb/> stündigen Weg noch einmal, fand die Papiere auch noch vor und kehrte<lb/> nach Oschatz zurück, wo ich sie dem Meister zeigte, der mir ein<lb/> Geldgeschenk gab. Über Würzen, Brandis und Taucha wanderte ich weiter nach<lb/> Leipzig, blieb dort eine Nacht in der Väckerhcrberge, die damals in der Wind-<lb/> mühlenstraße war, und gelangte über Halle und Köthen nach Braunschweig. Da<lb/> ich unterwegs wieder deutsche Reichskäfer aufgelesen hatte, talfte ich bei einem<lb/> Apotheker Jnsektenpulver und machte davon so reichlichen Gebrauch, daß ich ohne<lb/> die lästige Einquartierung in die Herberge zur Henne einrückte. In Braunschweig<lb/> erhielt ich das sogenannte „Stadtgeschenk" im Betrage von zwanzig oder dreißig<lb/> Pfennigen, das dort wie noch in verschiednen andern Städten von Vereinen auf¬<lb/> gebracht und an wandernde Handwerksgesellen, deren Papiere in Ordnung sind,<lb/> gegeben wird. Dort bekam ich auch Arbeit zugewiesen, und zwar eine solche, die<lb/> rin meinem Metier nicht viel zu tun hatte; ich mußte in einer Ziegelei, die eine<lb/> Stunde von Braunschweig entfernt lag, die Lehmmassen herbeischaffen und die ge¬<lb/> formten Ziegel zu dem Ringofen fahren. Die Ziegelei beschäftigte mehr als hundert<lb/> Personen, die in einer Art Kaserne auf sehr primitiven Betten schliefen. Die Arbeit<lb/> war sehr schwer, Lohn und Kost waren mäßig, ich hätte es trotzdem aber länger<lb/> als vierzehn Tage ausgehalten, wenn mich nicht die Unzahl von Flöhen Vertrieben<lb/> hätte. Ich schnürte also wieder mein Bündel und wanderte nach Hannover, wo<lb/> ich einige Tage in einer Getreidehandlung arbeitete und Maissäcke im Gewicht von<lb/> drei Zentnern zu tragen hatte. Dann ging ich nach Lüneburg und schickte mich<lb/> an, die Lüneburger Heide zu durchwandern. Bei der ersten Tageswanderung traf<lb/> ich im ganzen nur drei Häuser und erhielt in jedem eine Schüssel dicker Milch.<lb/> Da ich keine Aussicht hatte, an diesem Abend ein Nachtquartier zu finde», sah ich<lb/> mich genötigt, das erstemal in meinem Leben „eine Platte zu reißen," d. h. bei<lb/> Mutter Grün zu schlafen. Zum Glück war die Witterung, obwohl wir schon Oktober<lb/> hatten, noch leidlich mild und trocken. Ich bettete mich unter einem Busch in den<lb/> knietiefen Sand, benutzte den Berliner als Kopfkissen und meinen Rock als Bett¬<lb/> decke. Als den größten Vorzug dieses Lagers kaun ich anführen, das; es frei von<lb/> Flöhen und deutschen Reichskäsern war. Anderntags wanderte ich weiter nach<lb/> Ülzen und von dort nach dem als sehr heiß bekannten Hcirburg. Der Butz steppte<lb/> mich denn auch schon, als ich gerade den dritten Krauterer stieß, mußte mich aber<lb/> meiner Wege gehn lassen, da ich ja die Berechtigung hatte, um Arbeit vorzu¬<lb/> sprechen. Diese erhielt ich nun zwar nicht, wohl aber reichlich Geschenke, die mich<lb/> in die Lage setzten, zu Schiff nach Hamburg zu fahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_3044" next="#ID_3045"> Auf Hamburg hatte ich mich schon lange gefreut, getreu der alten Handwerks-<lb/> bnrschenregel: „In Dresden und Leipzig bin ich gewesen, nach Hamburg steht niir</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0670]
[Abbildung]
Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren
Robert Thomas Lebenserimiernngen von
(Fortsetzung)
Wieder auf der Walze
eher Strehla wanderte ich »ach Oschatz und stieß dort die Krcmtcrer.
Als mich einer nach meinen Papieren fragte, bemerkte ich zu meinem
Schrecken, daß ich diese in Strehla hatte liegen lassen, erklärte aber
gleich, daß ich zurückgehn und sie holen würde. Ich machte den zwei¬
stündigen Weg noch einmal, fand die Papiere auch noch vor und kehrte
nach Oschatz zurück, wo ich sie dem Meister zeigte, der mir ein
Geldgeschenk gab. Über Würzen, Brandis und Taucha wanderte ich weiter nach
Leipzig, blieb dort eine Nacht in der Väckerhcrberge, die damals in der Wind-
mühlenstraße war, und gelangte über Halle und Köthen nach Braunschweig. Da
ich unterwegs wieder deutsche Reichskäfer aufgelesen hatte, talfte ich bei einem
Apotheker Jnsektenpulver und machte davon so reichlichen Gebrauch, daß ich ohne
die lästige Einquartierung in die Herberge zur Henne einrückte. In Braunschweig
erhielt ich das sogenannte „Stadtgeschenk" im Betrage von zwanzig oder dreißig
Pfennigen, das dort wie noch in verschiednen andern Städten von Vereinen auf¬
gebracht und an wandernde Handwerksgesellen, deren Papiere in Ordnung sind,
gegeben wird. Dort bekam ich auch Arbeit zugewiesen, und zwar eine solche, die
rin meinem Metier nicht viel zu tun hatte; ich mußte in einer Ziegelei, die eine
Stunde von Braunschweig entfernt lag, die Lehmmassen herbeischaffen und die ge¬
formten Ziegel zu dem Ringofen fahren. Die Ziegelei beschäftigte mehr als hundert
Personen, die in einer Art Kaserne auf sehr primitiven Betten schliefen. Die Arbeit
war sehr schwer, Lohn und Kost waren mäßig, ich hätte es trotzdem aber länger
als vierzehn Tage ausgehalten, wenn mich nicht die Unzahl von Flöhen Vertrieben
hätte. Ich schnürte also wieder mein Bündel und wanderte nach Hannover, wo
ich einige Tage in einer Getreidehandlung arbeitete und Maissäcke im Gewicht von
drei Zentnern zu tragen hatte. Dann ging ich nach Lüneburg und schickte mich
an, die Lüneburger Heide zu durchwandern. Bei der ersten Tageswanderung traf
ich im ganzen nur drei Häuser und erhielt in jedem eine Schüssel dicker Milch.
Da ich keine Aussicht hatte, an diesem Abend ein Nachtquartier zu finde», sah ich
mich genötigt, das erstemal in meinem Leben „eine Platte zu reißen," d. h. bei
Mutter Grün zu schlafen. Zum Glück war die Witterung, obwohl wir schon Oktober
hatten, noch leidlich mild und trocken. Ich bettete mich unter einem Busch in den
knietiefen Sand, benutzte den Berliner als Kopfkissen und meinen Rock als Bett¬
decke. Als den größten Vorzug dieses Lagers kaun ich anführen, das; es frei von
Flöhen und deutschen Reichskäsern war. Anderntags wanderte ich weiter nach
Ülzen und von dort nach dem als sehr heiß bekannten Hcirburg. Der Butz steppte
mich denn auch schon, als ich gerade den dritten Krauterer stieß, mußte mich aber
meiner Wege gehn lassen, da ich ja die Berechtigung hatte, um Arbeit vorzu¬
sprechen. Diese erhielt ich nun zwar nicht, wohl aber reichlich Geschenke, die mich
in die Lage setzten, zu Schiff nach Hamburg zu fahren.
Auf Hamburg hatte ich mich schon lange gefreut, getreu der alten Handwerks-
bnrschenregel: „In Dresden und Leipzig bin ich gewesen, nach Hamburg steht niir
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