Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Landesherren und Volksschulnovelle in Württemberg as württembergische Land ist zurzeit in einer großen politischen Das württembergische Volksschulwesen ruht in der Hauptsache heute noch Grenzboten III 1904 17
Landesherren und Volksschulnovelle in Württemberg as württembergische Land ist zurzeit in einer großen politischen Das württembergische Volksschulwesen ruht in der Hauptsache heute noch Grenzboten III 1904 17
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[Abbildung]
Landesherren und Volksschulnovelle in Württemberg
as württembergische Land ist zurzeit in einer großen politischen
Erregung, die durch einen Zusammenstoß der Kammer der
Standesherren mit der Regierung und der zweiten Kammer über
eine Novelle zum Volksschulgesetz entstanden ist. Über die Ent¬
stehung und den Verlauf der Sache ist folgendes zu sagen.
Das württembergische Volksschulwesen ruht in der Hauptsache heute noch
auf dem Gesetze vom Jahre 1830. das die Volksschule streng konfessionell
gliedert und sie auf allen drei Stufen unter die Aufsicht der Kirche stellt.
Die oberste Aufsicht steht nämlich dem evangelischen Konsistorium und dem
katholischen Kirchenrat zu; die Bezirksaufsicht wird im Nebenamt durch aktive
Geistliche besorgt, ebenso die Ortsaufsicht. Gegen diese ausschließlich kirchliche
Leitung haben die Volksschullehrer schon lange gekämpft, zuerst die evan¬
gelischen, seit 1901 aber auch die katholischen, die im August des genannten
Jahres auf einer Versammlung in der alten Welfenstadt nahe am Bodensee,
in Ravensburg, zwei Beschlüsse gefaßt haben, deren erster die fachmännische
Bezirksaufsicht, deren zweiter den Wegfall wenigstens der technischen Orts¬
aufsicht verlangte. Diese Bestrebungen des Lehrerstandes fanden allmählich
die Unterstützung aller politischen Parteien Württembergs mit Ausnahme des
Zentrums; sogar die (in Württemberg freilich sehr kleine) konservative Partei
konnte sich schließlich der allgemeinen Strömung nicht entziehn, die auf die
Einführung der fachmännischer Bezirksschulaufsicht ging. Was aber dieser Be¬
wegung schließlich vor allem zustatten kam, war der Umstand, daß es die
Kirchen selbst angesichts ihrer immer wachsenden eignen und nächsten Auf¬
gaben als eine Last zu empfinden anfingen, daß sie ihre Arbeitskräfte zum
Teil der Schule zur Verfügung stellen sollten. Bei der katholischen Kirche ist
das so gut der Fall wie bei der evangelischen, wenn jene auch die Sache so
sehr wie möglich zu vertuschen sticht. Auf evangelischer Seite machte man
kein Hehl daraus, daß die Geschäfte des Konsistoriums jährlich um Tausende
von Nummern gestiegen seien, ohne daß die Zahl der Räte entsprechend ge¬
wachsei, wäre, daß die Schulfragen von den überbürdeten Konsistorialmitgliederu
nicht mehr mit der nötigen Sorgfalt studiert und bearbeitet werden könnten,
und daß es auch immer schwerer halte, für die Oberamtsbezirke geistliche'
Grenzboten III 1904 17
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