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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Landtage über die Grundsätze eines neuen Wahlgesetzes, insbesondre über die Ein¬
führung der direkten Wahl und der relativen Majorität und die Nildung kleinerer
sich in der Regel mit den Amtsgerichtsbezirken denkender Wahlbezirke, die gesetzlich
festgelegt werden sollten.

Dies alles und namentlich die relative Majorität verlangten auch die liberalen
Abgeordneten. Und damit fängt auch ihr Verschulden an. Sie hatten die Ein¬
wirkung dieser Abänderungen auf ihre Parteiverhältnisse nicht genügend berücksichtigt.
Als nun in dieser Session der Entwurf des neuen Gesetzes, der den Wünschen
Rechnung trug, an den Landtag kam, ergab eine Überprüfung, daß namentlich die
-neue von der Regierung gefertigte Wahlkreiseinteilung den Liberalen schädlich war,
und daß man eine Zentrumsmehrheit für alle Zeiten erwarten mußte. Nun setzten die
liberalen Abgeordneten gegen ihre eignen Vorschläge ein, von denen sie auch die
von ihnen früher befürwortete relative Majorität ihren Parteiinteressen für nach¬
teilig erachteten. Das war ein schwerer und man darf sagen widerspruchsvoller
Kampf. Wohl fiel die relative Majorität, aber in der Hauptfrage, der Änderung
der Wahlkreiseinteilung, erklärten die Regierung und das Zentrum Hand in Hand
mit der Sozialdemokratie, daß eine Konzession in dieser Richtung ausgeschlossen sei.
Zugleich gab die Regierung die Erklärung ab, daß sie im Falle der Ablehnung
des neuen Gesetzes eine Revision der Wahlkreiseinteilung des alten Gesetzes im
Sinne des Entwurfs vornehmen würde. Nun hatten sich die politischen Verhält¬
nisse so zugespitzt und die liberalen Abgeordneten sich so festgelegt, daß sie fast
eine Zwangsroute zum ablehnenden Votum führte, obwohl unter den liberalen
Wählern es viele gern gesehen hätten, wenn es anders gekommen wäre. An diesem
Ergebnisse ist jetzt nichts mehr zu ändern. Daß diese Stellung für die liberalen
Abgeordneten bei den kommenden Wahlen nachteilige Folgen haben wird, diese
Befürchtung ist um so weniger von der Hand zu weisen, als das Imponderabile
der direkten Wahl eine Agitationskraft hat, und die Verbrüderung zwischen Zentrum
und Sozialdemokratie auch für die Zukunft fortdauern wird. Das Überwuchern
des Einflusses des Zentrums mag insbesondre für die Kultur bedauerlich sein, jedoch
nach auswärts und namentlich für die Beziehungen Bayerns zum Reich ist dieses
Scheitern des Wahlgesetzes ohne jede Bedeutung; es ist eine rein innerbayrische
Angelegenheit. Gewiß ist die Liebe unsrer wirklichen oder vermeintlichen Zentrums-
zelebritäten zum Reiche immer noch etwas angesäuert. Aber mag das Ministerium
Podewils nach seinem Friedensprogramm den Wünschen des Zentrums noch so sehr
entgegenkommen, auf dem Wege einer vom Zentrum gewünschten partikularistischen
Politik gegen das Reich wird es nicht anzutreffen sein. Es gibt gewisse Verhält¬
nisse, die stärker sind als der Einfluß der größten Zentrumszelebrität.


Denifles Verteidigung.

Der streitbare Dominikaner setzt sich nur mit
zweien seiner Kritiker: Harnack und Seeberg, gründlich auseinander in einer (bei
Kirchheim Co. in Mainz 1904 erschienenen) Schrift, die er "Luther in ratio¬
nalistischer und fin) christlicher Beleuchtung" betitelt. Da er selbstverständlich bei
seiner im 51. vorjährigen Heft der Grenzboten charakterisierten Methode bleibt,
Lebensfragen mit Folianten und gelehrtem Krimskrams entscheiden zu wollen, hat
seine Polemik nur für gelehrte Theologen Interesse und im übrigen nichts zu be¬
deuten. Doch wir wollen zwei Stellen erwähnen, die aus der Studierstube ins
Leben hinausweisen. Harnack hatte geschrieben: Luther habe vor allem eine unge¬
heure Reduktion, eine befreiende Vereinfachung vorgenommen und das Wesen der
Religion: Gott suchen und finden, die Zuversicht zu dem sich in Christus offen-
barenden Gott aus ihren Umhüllungen herausgewickelt: "aus einem weitschichtigen
System von Büßuugen, Leistungen und Tröstungen, von strengen Satzungen und
unsichern Gnadenstücken, aus Magie und blindem Gehorsam." Denifle erwidert
darauf: "Der Rationalist Harnack steht mit dieser Sprache auf demselben niedern
Niveau, auf dem die positiven protestantischen Theologen die katholische Lehre be-


Grenzboten II 1904 8g
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Landtage über die Grundsätze eines neuen Wahlgesetzes, insbesondre über die Ein¬
führung der direkten Wahl und der relativen Majorität und die Nildung kleinerer
sich in der Regel mit den Amtsgerichtsbezirken denkender Wahlbezirke, die gesetzlich
festgelegt werden sollten.

Dies alles und namentlich die relative Majorität verlangten auch die liberalen
Abgeordneten. Und damit fängt auch ihr Verschulden an. Sie hatten die Ein¬
wirkung dieser Abänderungen auf ihre Parteiverhältnisse nicht genügend berücksichtigt.
Als nun in dieser Session der Entwurf des neuen Gesetzes, der den Wünschen
Rechnung trug, an den Landtag kam, ergab eine Überprüfung, daß namentlich die
-neue von der Regierung gefertigte Wahlkreiseinteilung den Liberalen schädlich war,
und daß man eine Zentrumsmehrheit für alle Zeiten erwarten mußte. Nun setzten die
liberalen Abgeordneten gegen ihre eignen Vorschläge ein, von denen sie auch die
von ihnen früher befürwortete relative Majorität ihren Parteiinteressen für nach¬
teilig erachteten. Das war ein schwerer und man darf sagen widerspruchsvoller
Kampf. Wohl fiel die relative Majorität, aber in der Hauptfrage, der Änderung
der Wahlkreiseinteilung, erklärten die Regierung und das Zentrum Hand in Hand
mit der Sozialdemokratie, daß eine Konzession in dieser Richtung ausgeschlossen sei.
Zugleich gab die Regierung die Erklärung ab, daß sie im Falle der Ablehnung
des neuen Gesetzes eine Revision der Wahlkreiseinteilung des alten Gesetzes im
Sinne des Entwurfs vornehmen würde. Nun hatten sich die politischen Verhält¬
nisse so zugespitzt und die liberalen Abgeordneten sich so festgelegt, daß sie fast
eine Zwangsroute zum ablehnenden Votum führte, obwohl unter den liberalen
Wählern es viele gern gesehen hätten, wenn es anders gekommen wäre. An diesem
Ergebnisse ist jetzt nichts mehr zu ändern. Daß diese Stellung für die liberalen
Abgeordneten bei den kommenden Wahlen nachteilige Folgen haben wird, diese
Befürchtung ist um so weniger von der Hand zu weisen, als das Imponderabile
der direkten Wahl eine Agitationskraft hat, und die Verbrüderung zwischen Zentrum
und Sozialdemokratie auch für die Zukunft fortdauern wird. Das Überwuchern
des Einflusses des Zentrums mag insbesondre für die Kultur bedauerlich sein, jedoch
nach auswärts und namentlich für die Beziehungen Bayerns zum Reich ist dieses
Scheitern des Wahlgesetzes ohne jede Bedeutung; es ist eine rein innerbayrische
Angelegenheit. Gewiß ist die Liebe unsrer wirklichen oder vermeintlichen Zentrums-
zelebritäten zum Reiche immer noch etwas angesäuert. Aber mag das Ministerium
Podewils nach seinem Friedensprogramm den Wünschen des Zentrums noch so sehr
entgegenkommen, auf dem Wege einer vom Zentrum gewünschten partikularistischen
Politik gegen das Reich wird es nicht anzutreffen sein. Es gibt gewisse Verhält¬
nisse, die stärker sind als der Einfluß der größten Zentrumszelebrität.


Denifles Verteidigung.

Der streitbare Dominikaner setzt sich nur mit
zweien seiner Kritiker: Harnack und Seeberg, gründlich auseinander in einer (bei
Kirchheim Co. in Mainz 1904 erschienenen) Schrift, die er „Luther in ratio¬
nalistischer und fin) christlicher Beleuchtung" betitelt. Da er selbstverständlich bei
seiner im 51. vorjährigen Heft der Grenzboten charakterisierten Methode bleibt,
Lebensfragen mit Folianten und gelehrtem Krimskrams entscheiden zu wollen, hat
seine Polemik nur für gelehrte Theologen Interesse und im übrigen nichts zu be¬
deuten. Doch wir wollen zwei Stellen erwähnen, die aus der Studierstube ins
Leben hinausweisen. Harnack hatte geschrieben: Luther habe vor allem eine unge¬
heure Reduktion, eine befreiende Vereinfachung vorgenommen und das Wesen der
Religion: Gott suchen und finden, die Zuversicht zu dem sich in Christus offen-
barenden Gott aus ihren Umhüllungen herausgewickelt: „aus einem weitschichtigen
System von Büßuugen, Leistungen und Tröstungen, von strengen Satzungen und
unsichern Gnadenstücken, aus Magie und blindem Gehorsam." Denifle erwidert
darauf: „Der Rationalist Harnack steht mit dieser Sprache auf demselben niedern
Niveau, auf dem die positiven protestantischen Theologen die katholische Lehre be-


Grenzboten II 1904 8g
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[0609] Maßgebliches und Unmaßgebliches Landtage über die Grundsätze eines neuen Wahlgesetzes, insbesondre über die Ein¬ führung der direkten Wahl und der relativen Majorität und die Nildung kleinerer sich in der Regel mit den Amtsgerichtsbezirken denkender Wahlbezirke, die gesetzlich festgelegt werden sollten. Dies alles und namentlich die relative Majorität verlangten auch die liberalen Abgeordneten. Und damit fängt auch ihr Verschulden an. Sie hatten die Ein¬ wirkung dieser Abänderungen auf ihre Parteiverhältnisse nicht genügend berücksichtigt. Als nun in dieser Session der Entwurf des neuen Gesetzes, der den Wünschen Rechnung trug, an den Landtag kam, ergab eine Überprüfung, daß namentlich die -neue von der Regierung gefertigte Wahlkreiseinteilung den Liberalen schädlich war, und daß man eine Zentrumsmehrheit für alle Zeiten erwarten mußte. Nun setzten die liberalen Abgeordneten gegen ihre eignen Vorschläge ein, von denen sie auch die von ihnen früher befürwortete relative Majorität ihren Parteiinteressen für nach¬ teilig erachteten. Das war ein schwerer und man darf sagen widerspruchsvoller Kampf. Wohl fiel die relative Majorität, aber in der Hauptfrage, der Änderung der Wahlkreiseinteilung, erklärten die Regierung und das Zentrum Hand in Hand mit der Sozialdemokratie, daß eine Konzession in dieser Richtung ausgeschlossen sei. Zugleich gab die Regierung die Erklärung ab, daß sie im Falle der Ablehnung des neuen Gesetzes eine Revision der Wahlkreiseinteilung des alten Gesetzes im Sinne des Entwurfs vornehmen würde. Nun hatten sich die politischen Verhält¬ nisse so zugespitzt und die liberalen Abgeordneten sich so festgelegt, daß sie fast eine Zwangsroute zum ablehnenden Votum führte, obwohl unter den liberalen Wählern es viele gern gesehen hätten, wenn es anders gekommen wäre. An diesem Ergebnisse ist jetzt nichts mehr zu ändern. Daß diese Stellung für die liberalen Abgeordneten bei den kommenden Wahlen nachteilige Folgen haben wird, diese Befürchtung ist um so weniger von der Hand zu weisen, als das Imponderabile der direkten Wahl eine Agitationskraft hat, und die Verbrüderung zwischen Zentrum und Sozialdemokratie auch für die Zukunft fortdauern wird. Das Überwuchern des Einflusses des Zentrums mag insbesondre für die Kultur bedauerlich sein, jedoch nach auswärts und namentlich für die Beziehungen Bayerns zum Reich ist dieses Scheitern des Wahlgesetzes ohne jede Bedeutung; es ist eine rein innerbayrische Angelegenheit. Gewiß ist die Liebe unsrer wirklichen oder vermeintlichen Zentrums- zelebritäten zum Reiche immer noch etwas angesäuert. Aber mag das Ministerium Podewils nach seinem Friedensprogramm den Wünschen des Zentrums noch so sehr entgegenkommen, auf dem Wege einer vom Zentrum gewünschten partikularistischen Politik gegen das Reich wird es nicht anzutreffen sein. Es gibt gewisse Verhält¬ nisse, die stärker sind als der Einfluß der größten Zentrumszelebrität. Denifles Verteidigung. Der streitbare Dominikaner setzt sich nur mit zweien seiner Kritiker: Harnack und Seeberg, gründlich auseinander in einer (bei Kirchheim Co. in Mainz 1904 erschienenen) Schrift, die er „Luther in ratio¬ nalistischer und fin) christlicher Beleuchtung" betitelt. Da er selbstverständlich bei seiner im 51. vorjährigen Heft der Grenzboten charakterisierten Methode bleibt, Lebensfragen mit Folianten und gelehrtem Krimskrams entscheiden zu wollen, hat seine Polemik nur für gelehrte Theologen Interesse und im übrigen nichts zu be¬ deuten. Doch wir wollen zwei Stellen erwähnen, die aus der Studierstube ins Leben hinausweisen. Harnack hatte geschrieben: Luther habe vor allem eine unge¬ heure Reduktion, eine befreiende Vereinfachung vorgenommen und das Wesen der Religion: Gott suchen und finden, die Zuversicht zu dem sich in Christus offen- barenden Gott aus ihren Umhüllungen herausgewickelt: „aus einem weitschichtigen System von Büßuugen, Leistungen und Tröstungen, von strengen Satzungen und unsichern Gnadenstücken, aus Magie und blindem Gehorsam." Denifle erwidert darauf: „Der Rationalist Harnack steht mit dieser Sprache auf demselben niedern Niveau, auf dem die positiven protestantischen Theologen die katholische Lehre be- Grenzboten II 1904 8g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/609>, abgerufen am 13.11.2024.