Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Ennnerunaen bare Veränderung im Ansehen der Bevölkerung. Die Einwohner dieses Landes Mantua, 11. Mai. Nun stehn wir auf klassischem Boden! Ich habe das Erdreich geküßt, das den Leider ist dieser Reisebericht nicht früher als Burtons Buch an die Öffent¬ Erinnerungen I). Dr. Robert Bosse von Tagebuchblätter i^373) (Fortsetzung) 12. November. Geheimrat Tiedemnnn war bei mir. Er erzählte, der Ennnerunaen bare Veränderung im Ansehen der Bevölkerung. Die Einwohner dieses Landes Mantua, 11. Mai. Nun stehn wir auf klassischem Boden! Ich habe das Erdreich geküßt, das den Leider ist dieser Reisebericht nicht früher als Burtons Buch an die Öffent¬ Erinnerungen I). Dr. Robert Bosse von Tagebuchblätter i^373) (Fortsetzung) 12. November. Geheimrat Tiedemnnn war bei mir. Er erzählte, der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294026"/> <fw type="header" place="top"> Ennnerunaen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1801" prev="#ID_1800"> bare Veränderung im Ansehen der Bevölkerung. Die Einwohner dieses Landes<lb/> zeichnen sich ebenso durch Schönheit ans wie die Steirer durch Häßlichkeit. Aus<lb/> jedem Gesichte sprechen einen Menschlichkeit, Geist, Gesundheit und Wohlstand an.<lb/> Aber ihr Land ist noch wilder als Steiermark, die Täter sind enger und unfrucht¬<lb/> barer. Beide Volksstämme sind deutsch >von der slawischen Beimischung in den<lb/> Ostalpen weiß Hume natürlich nichtsj und Untertanen des Hauses Österreich, sodas;<lb/> der Naturforscher wie der Politiker in Verlegenheit geraten dürfte, wenn er die<lb/> Ursache des großen Unterschieds angeben sollte. Wir sind an der Dran aufwärts<lb/> gestiegen (du weißt, daß sie sich in die Donau und mit dieser ins Schwarze Meer<lb/> ergießt) bis zu ihrer Quelle. Sie beginnt ihren Lauf als ein Bächlein, das einem<lb/> Sumpfe entquillt. Auf dem Gipfel des Berges, der übrigens eine wohlangebaute<lb/> Ebene ist j^die Toblacherj, sah es so wenig sommerlich aus wie um Weihnachten.<lb/> Eine halbe Meile hinter der Drauqnelle bemerkten wir ein andres Wasserrinnsal.<lb/> Das war einer der Quellbäche der Etsch ^vielmehr des Eisack), die samt den andern<lb/> Gewässern dieser Abdachung dem Adriatischen Meere zuströmt. Nun ging es im<lb/> Galopp abwärts dem Süden zu. Nach der dritten Meile wuchs unser kleiner Bach<lb/> zum ansehnlichen Flusse Hera», und jede Stunde brachte uns neue Frühlingsbilder,<lb/> sodaß wir an einem Tage alle Stufen der schönsten Jahreszeit von ihrem ersten<lb/> schwachen Regen bis zu ihrer vollen Blütenpracht durchlebten. Hier sind wir schon<lb/> in Italien; wenigstens ist das Italienische die Volkssprache. Die Stadt ist weder<lb/> schön noch besonders schon gelegen. Sie ist nnr berühmt geworden durch jene weise<lb/> Versammlung von Philosophen und Gottesgelehrten, die der gläubigen Menschheit<lb/> so höchst vernünftige Dogmen vorgeschrieben haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1802"> Mantua, 11. Mai.</p><lb/> <p xml:id="ID_1803"> Nun stehn wir auf klassischem Boden! Ich habe das Erdreich geküßt, das den<lb/> Virgil hervorgebracht hat, und die so schön von ihm besungne fruchtbare Ebene<lb/> bewundert. Du wirst die Beschreibung von Landschaften so satt haben wie ich,<lb/> drum beschränke ich mich auf die Bemerkung, daß es in der Welt nichts Schöneres<lb/> geben kann als die lombardische Ebene und nichts Jämmerlicheres als das Bettel¬<lb/> volk, das sie bewohnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1804"> Leider ist dieser Reisebericht nicht früher als Burtons Buch an die Öffent¬<lb/> lichkeit gelangt, und so werden die Engländer fortgefahren haben, Addison zu<lb/> glauben und die armen Deutschen für Halbmenschen und Sklaven zu halten.<lb/> Charakteristisch ist in diesem Reisebericht, daß Hume keinen einzigen der vielen<lb/> gotischen Dome erwähnt, die er gesehen haben muß. Gotisch bedeutete ihm<lb/> mittelalterlich und mittelalterlich den Inbegriff aller verächtlichen Barbarei.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Erinnerungen<lb/><note type="byline"> I). Dr. Robert Bosse</note> von<lb/> Tagebuchblätter i^373)<lb/> (Fortsetzung)</head><lb/> <p xml:id="ID_1805"> 12. November. Geheimrat Tiedemnnn war bei mir. Er erzählte, der<lb/> Finanzminister Hobrecht habe sich mit dein Fürsten Bismarck ausgesprochen. Hobrecht<lb/> wache aus der Welfenfondsfrage keine Kabincttsfrage mehr, werde sich vielmehr<lb/> überstimmen lassen und lasse jetzt auch sein Votum wegen der konstitutionelle»<lb/> Garantien falle». Seine Stellung sei also wieder gesichert. Der Fürst gehe in<lb/> diesen Tagen nach Friedrichsruh. An Graf Stolberg sei telegraphiert, er solle<lb/> herkomme».</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0407]
Ennnerunaen
bare Veränderung im Ansehen der Bevölkerung. Die Einwohner dieses Landes
zeichnen sich ebenso durch Schönheit ans wie die Steirer durch Häßlichkeit. Aus
jedem Gesichte sprechen einen Menschlichkeit, Geist, Gesundheit und Wohlstand an.
Aber ihr Land ist noch wilder als Steiermark, die Täter sind enger und unfrucht¬
barer. Beide Volksstämme sind deutsch >von der slawischen Beimischung in den
Ostalpen weiß Hume natürlich nichtsj und Untertanen des Hauses Österreich, sodas;
der Naturforscher wie der Politiker in Verlegenheit geraten dürfte, wenn er die
Ursache des großen Unterschieds angeben sollte. Wir sind an der Dran aufwärts
gestiegen (du weißt, daß sie sich in die Donau und mit dieser ins Schwarze Meer
ergießt) bis zu ihrer Quelle. Sie beginnt ihren Lauf als ein Bächlein, das einem
Sumpfe entquillt. Auf dem Gipfel des Berges, der übrigens eine wohlangebaute
Ebene ist j^die Toblacherj, sah es so wenig sommerlich aus wie um Weihnachten.
Eine halbe Meile hinter der Drauqnelle bemerkten wir ein andres Wasserrinnsal.
Das war einer der Quellbäche der Etsch ^vielmehr des Eisack), die samt den andern
Gewässern dieser Abdachung dem Adriatischen Meere zuströmt. Nun ging es im
Galopp abwärts dem Süden zu. Nach der dritten Meile wuchs unser kleiner Bach
zum ansehnlichen Flusse Hera», und jede Stunde brachte uns neue Frühlingsbilder,
sodaß wir an einem Tage alle Stufen der schönsten Jahreszeit von ihrem ersten
schwachen Regen bis zu ihrer vollen Blütenpracht durchlebten. Hier sind wir schon
in Italien; wenigstens ist das Italienische die Volkssprache. Die Stadt ist weder
schön noch besonders schon gelegen. Sie ist nnr berühmt geworden durch jene weise
Versammlung von Philosophen und Gottesgelehrten, die der gläubigen Menschheit
so höchst vernünftige Dogmen vorgeschrieben haben.
Mantua, 11. Mai.
Nun stehn wir auf klassischem Boden! Ich habe das Erdreich geküßt, das den
Virgil hervorgebracht hat, und die so schön von ihm besungne fruchtbare Ebene
bewundert. Du wirst die Beschreibung von Landschaften so satt haben wie ich,
drum beschränke ich mich auf die Bemerkung, daß es in der Welt nichts Schöneres
geben kann als die lombardische Ebene und nichts Jämmerlicheres als das Bettel¬
volk, das sie bewohnt.
Leider ist dieser Reisebericht nicht früher als Burtons Buch an die Öffent¬
lichkeit gelangt, und so werden die Engländer fortgefahren haben, Addison zu
glauben und die armen Deutschen für Halbmenschen und Sklaven zu halten.
Charakteristisch ist in diesem Reisebericht, daß Hume keinen einzigen der vielen
gotischen Dome erwähnt, die er gesehen haben muß. Gotisch bedeutete ihm
mittelalterlich und mittelalterlich den Inbegriff aller verächtlichen Barbarei.
Erinnerungen
I). Dr. Robert Bosse von
Tagebuchblätter i^373)
(Fortsetzung)
12. November. Geheimrat Tiedemnnn war bei mir. Er erzählte, der
Finanzminister Hobrecht habe sich mit dein Fürsten Bismarck ausgesprochen. Hobrecht
wache aus der Welfenfondsfrage keine Kabincttsfrage mehr, werde sich vielmehr
überstimmen lassen und lasse jetzt auch sein Votum wegen der konstitutionelle»
Garantien falle». Seine Stellung sei also wieder gesichert. Der Fürst gehe in
diesen Tagen nach Friedrichsruh. An Graf Stolberg sei telegraphiert, er solle
herkomme».
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |