Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Aus dem Spreewalde Gestaltungen macht der Beschränkung auf das Wenige und Wesentliche der Aus dem Hpreewalde (Wanderungen in der Niederlausitz 2) von Otto Ldnard Schmidt ewöhnlich erreicht man Burg oder Lübbenau, die Orte, von denen Wir vermuteten darin die Pfarre; als wir aber einen Mann mit blondem Die Kirche in Ogrossen ist in ihrer heutigen Gestalt ein zu Anfang des acht¬ Grenzboten 1 1904 29
Aus dem Spreewalde Gestaltungen macht der Beschränkung auf das Wenige und Wesentliche der Aus dem Hpreewalde (Wanderungen in der Niederlausitz 2) von Otto Ldnard Schmidt ewöhnlich erreicht man Burg oder Lübbenau, die Orte, von denen Wir vermuteten darin die Pfarre; als wir aber einen Mann mit blondem Die Kirche in Ogrossen ist in ihrer heutigen Gestalt ein zu Anfang des acht¬ Grenzboten 1 1904 29
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Aus dem Spreewalde
Gestaltungen macht der Beschränkung auf das Wenige und Wesentliche der
Dinge Platz. Dem greisen Künstler liegt es näher, Typen zu schaffen, als
Individuen. Der Zug, zu vereinfachen, zusammenzufassen, im großen zu sehen,
kurz die künstlerische Ökonomie ist ein entscheidendes Merkmal der Kunst¬
sprache des Alters, und zugleich widerspricht es am schärfsten dem unöko¬
nomischen Kraftverbrauche, der ja für Leben und Kunst der Frühgestorbnen
ch Wilhelm waetzoldt arakteristisch ist.
Aus dem Hpreewalde
(Wanderungen in der Niederlausitz 2) von Otto Ldnard Schmidt
ewöhnlich erreicht man Burg oder Lübbenau, die Orte, von denen
aus die Bootfahrt dnrch den obern Spreewald unternommen wird,
mit der Bahn und ist dann gleich mitten in der eigentümlichen Land¬
schaft. Es gewahrt aber auch einen Reiz, ganz allmählich hinein¬
zukommen. Deshalb benutzten wir von Altdöbern aus die nordwärts
führende Landstraße und gelangten zunächst nach Ogrossen, dem
Kreuzungspunkte der Kalau-Drebkauer und der Senftenberg-Vetschauer Chaussee.
Vor dem altertümlichen Kirchlein des Dorfes stand eine Linde von so ungewöhnlicher
Größe und Schönheit, daß wir von den Rädern sprangen, um den ehrwürdigen
Baum näher zu betrachten. Er war es wert: denn seine Geschichte ging gewiß bis
auf Luthers Tage zurück, und der Duft von Millionen von Blüten und das Summen
von Tausenden fleißiger Bienen erfüllte weithin die Luft. Wir gingen auch weiter
um die Kirche herum und sahen einen an den Friedhof angrenzenden geräumigen
Hof, wo wiederum unter einer breitästigen Linde in idyllischer Behaglichkeit ein
einstöckiges Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude lagen.
Wir vermuteten darin die Pfarre; als wir aber einen Mann mit blondem
Vollbarte in leinenen Drillanzuge, die weichselne Tabakspfeife im Munde, bar¬
füßig in Holzpantoffeln aus der Haustür herauskommen und danach im offnen
Schuppen Holz hacken sahen, wurden wir in dieser Annahme irre und gingen,
ohne von ihm und seinen ebenfalls ganz ländlich gekleideten Kindern Notiz zu
nehmen, ins Innere der Kirche hinein. Später stellte sich aber heraus, daß der
fleißige Holzhauer doch der Herr Pfarrer war, und wir baten ihn wegen unsrer Eigen¬
mächtigkeit gebührend um Entschuldigung, ebenso dafür, daß wir, in sächsischen An¬
schauungen befangen, die hier in ganz anderen Sinne ländlichen Verhältnisse bei
der Einschätzung seiner Person nicht in Rechnung gezogen hätten. Wir erhielten
freundliche Verzeihung, und unser Herr Pfarrer im Drillichgewande erwies sich dann
als ein ebensogut unterrichteter und freundlicher Mentor, wie wenn ihn der übliche
schwarze Tuchrock umhüllt hätte.
Die Kirche in Ogrossen ist in ihrer heutigen Gestalt ein zu Anfang des acht¬
zehnten Jahrhunderts errichteter Anbau an den uralten, aus Feldsteinen gebauten
Kirchturm, der sich, wie der zu Altdöbern, auf einem viereckigen Postamente nach
oben zu achteckig verjüngt. Eine große Anzahl interessanter Grabsteine ziert die
Wände. Wir sehen daraus, daß Ogrossen in dem Besitz der Familien von Gers¬
dorf, von Lüttichau. dann aber derer von Stutternheim gewesen ist; dieser letzte
Name hatte auch einen guten Klang im Heere Friedrichs des Großen. Ein Grab¬
stein der 1728 verstorbnen Witwe des sächsischen Geheimrath und Oberamtspräsi¬
denten Otto Hieronymus von Stutternheim, einer gebornen von Milkau, meldet der
Grenzboten 1 1904 29
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