Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.![]() Das galante Jahrhundert reunde und Freundilmcn des avoieu rvAimo sollen hierdurch auf Das Buch ist durchaus ehrbar und als Ergebnis eifrigen Memoireu- Was man als Entschuldigung für die fehlende Moral anführen kann, ist Das Leidige dabei ist, daß man obendrein nicht immer mit den Be¬ ![]() Das galante Jahrhundert reunde und Freundilmcn des avoieu rvAimo sollen hierdurch auf Das Buch ist durchaus ehrbar und als Ergebnis eifrigen Memoireu- Was man als Entschuldigung für die fehlende Moral anführen kann, ist Das Leidige dabei ist, daß man obendrein nicht immer mit den Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0579" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242649"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341877_242067/figures/grenzboten_341877_242067_242649_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das galante Jahrhundert</head><lb/> <p xml:id="ID_2114"> reunde und Freundilmcn des avoieu rvAimo sollen hierdurch auf<lb/> eine vor kurzem im Verlage von Karl Reißner in Dresden er¬<lb/> schienene Übersetzung aus dem Italienischen aufmerksam gemacht<lb/> werden, die Neera. Das galante Jahrhundert betitelt ist<lb/> und nebst einer fünfunddreißig Seiten langen „Einleitung" kurze<lb/> Lebensabrisse von sieben durch ihren Geist und ihre Galanterie bekannt<lb/> gewordnen Französinnen des achtzehnten Jahrhunderts bringt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2115"> Das Buch ist durchaus ehrbar und als Ergebnis eifrigen Memoireu-<lb/> stndiums interessant und belehrend. Die Sitten und Lebensgewohnheiten der<lb/> französischen seinen Welt während der Regentschaft und der Negierung Ludwig?<lb/> des Fünfzehnten sind zu bekannt, als daß es einer besondern Bemerkung<lb/> darüber bedürfte, daß man es bei den sieben in dem Buche geschilderten Damen<lb/> nicht mit Quäkerinnen und Puritanerinnen zu tun hat; wie Haus Storck im<lb/> Tal des Lebens so possierlich sagt: eher das Gegenteil.</p><lb/> <p xml:id="ID_2116"> Was man als Entschuldigung für die fehlende Moral anführen kann, ist<lb/> eine gewisse Eleganz und ein begütigender geistreicher Zug inmitten der sich<lb/> hünfendcn Entgleisungen und Abwege, und Neera wird, ohne unser durch die<lb/> Leichtfertigkeit der an uns vorübergaukelnden Schmetterlinge bisweilen etwas<lb/> befremdetes Urteil beeinflussen zu wollen, den etwa geltend zu machenden<lb/> mildernden Umständen mit vieler Bereitwilligkeit gerecht. Etwas unbequem,<lb/> weil, man nicht recht mit dem dadurch verursachten unbehaglichen Gefühle<lb/> fertig zu werden weiß, ist die von der Verfasserin vorausgesetzte völlige Un¬<lb/> wissenheit des Lesers, der infolgedessen eine Reihe von Belehrungen über<lb/> Dinge empfängt, die ihm ohnehin geläufig siud. Wenn ein Primaner zu<lb/> einem Kursus in einer Beboschule verurteilt würde, möchten seine Gefühle un¬<lb/> gefähr die des Lesers sein, der über Rousseau, Voltaire, Diderot, Montes¬<lb/> quieu und d'Alembert mit literaturgeschichtlichen Anfangsgründen traktiert wird.<lb/> Sollten dem Gros des italienischen Publikums wirklich die in Frage befangnen<lb/> Verhältnisse so fern liege», daß derartige Belehrungen nötig gewesen wären?<lb/> Wenn es der Fall ist, so ist es ein neuer Beweis davon, daß Übersetzungen,<lb/> wenn sie anch noch so geschickt gemacht sind, immer um deswillen ein wenig<lb/> fremd bleiben, weil sie von einem Publikum gelesen werden, für das das<lb/> Original nicht bestimmt war.</p><lb/> <p xml:id="ID_2117" next="#ID_2118"> Das Leidige dabei ist, daß man obendrein nicht immer mit den Be¬<lb/> hauptungen der lehrsreudigeu Neera einverstanden sein kann. So ist für mich<lb/> z- B. der Satz: „Boucher. ein schwacher Kolorist, hatte Feuer und Phantasie,<lb/> aber wenig Lebenswahrheit und noch weniger Noblesse . . . ü u'aviüt pas vu<lb/> SQ bon Uhr" Unsinn zu Pferde, und ich möchte vermuten, daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0579]
[Abbildung]
Das galante Jahrhundert
reunde und Freundilmcn des avoieu rvAimo sollen hierdurch auf
eine vor kurzem im Verlage von Karl Reißner in Dresden er¬
schienene Übersetzung aus dem Italienischen aufmerksam gemacht
werden, die Neera. Das galante Jahrhundert betitelt ist
und nebst einer fünfunddreißig Seiten langen „Einleitung" kurze
Lebensabrisse von sieben durch ihren Geist und ihre Galanterie bekannt
gewordnen Französinnen des achtzehnten Jahrhunderts bringt.
Das Buch ist durchaus ehrbar und als Ergebnis eifrigen Memoireu-
stndiums interessant und belehrend. Die Sitten und Lebensgewohnheiten der
französischen seinen Welt während der Regentschaft und der Negierung Ludwig?
des Fünfzehnten sind zu bekannt, als daß es einer besondern Bemerkung
darüber bedürfte, daß man es bei den sieben in dem Buche geschilderten Damen
nicht mit Quäkerinnen und Puritanerinnen zu tun hat; wie Haus Storck im
Tal des Lebens so possierlich sagt: eher das Gegenteil.
Was man als Entschuldigung für die fehlende Moral anführen kann, ist
eine gewisse Eleganz und ein begütigender geistreicher Zug inmitten der sich
hünfendcn Entgleisungen und Abwege, und Neera wird, ohne unser durch die
Leichtfertigkeit der an uns vorübergaukelnden Schmetterlinge bisweilen etwas
befremdetes Urteil beeinflussen zu wollen, den etwa geltend zu machenden
mildernden Umständen mit vieler Bereitwilligkeit gerecht. Etwas unbequem,
weil, man nicht recht mit dem dadurch verursachten unbehaglichen Gefühle
fertig zu werden weiß, ist die von der Verfasserin vorausgesetzte völlige Un¬
wissenheit des Lesers, der infolgedessen eine Reihe von Belehrungen über
Dinge empfängt, die ihm ohnehin geläufig siud. Wenn ein Primaner zu
einem Kursus in einer Beboschule verurteilt würde, möchten seine Gefühle un¬
gefähr die des Lesers sein, der über Rousseau, Voltaire, Diderot, Montes¬
quieu und d'Alembert mit literaturgeschichtlichen Anfangsgründen traktiert wird.
Sollten dem Gros des italienischen Publikums wirklich die in Frage befangnen
Verhältnisse so fern liege», daß derartige Belehrungen nötig gewesen wären?
Wenn es der Fall ist, so ist es ein neuer Beweis davon, daß Übersetzungen,
wenn sie anch noch so geschickt gemacht sind, immer um deswillen ein wenig
fremd bleiben, weil sie von einem Publikum gelesen werden, für das das
Original nicht bestimmt war.
Das Leidige dabei ist, daß man obendrein nicht immer mit den Be¬
hauptungen der lehrsreudigeu Neera einverstanden sein kann. So ist für mich
z- B. der Satz: „Boucher. ein schwacher Kolorist, hatte Feuer und Phantasie,
aber wenig Lebenswahrheit und noch weniger Noblesse . . . ü u'aviüt pas vu
SQ bon Uhr" Unsinn zu Pferde, und ich möchte vermuten, daß
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