Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Vie Krisis in Ungarn

dieser Artikel schon ein folgenschweres Einspruchsrecht Rußlands in den Donan-
fürstentüinern, das für Österreich mehr als bedenklich war, so erlangten die
Artikel 7, 8 und 14 eine noch größere Bedeutung. Die Pforte garantierte
darin deu russischen Pilgern den freien Besuch Jerusalems und andrer heiligen
Orte, ferner der christlichen Religion und ihren Kirchen Schutz; endlich aber
erlaubte sie, daß Rußland wie die andern Mächte außer der Hauskirche der
Gesandtschaft in Konstantinopel auch in Galata eine öffentliche Kirche baue,
und räumte für diese Kirche und ihre Bediensteten Rußland ein Einspruchs¬
recht ein. Aus diesem ebenso klaren wie beschränkten Einspruchsrechte Ru߬
lands hat später die russische Diplomatie dank der Unfähigkeit englischer
Staatsmänner ein Einspruchs- und Schutzrecht Rußlands über die ganze
Orthodoxie im Orient ausgebildet, das zu dem formellen Hauptanlassc des
Krimkrieges wurde. Schluß folgt)




Die Krisis in Ungarn
All'in Geyer von

le Mißgriffe, die die Politik der Habsburgischen Monarchie nach
deu militärischen Niederlagen von 1859 und 1866 beging, rächen
sich erst in der Gegenwart. Die Landverluste in Oberitalien
HUAsind durch die "Okkupation" von Bosnien und der Herzegowina
_,ausgeglichen worden, und das Ausscheiden aus d^em Deutschen
Bunde hat den: Ansehen und der Großmachtftelluug des Reichs keinen
merkbaren Schaden zugefügt. Nachteile entwickelten sich erst aus der l"^geschaffnen dualistischen Neugestaltung der Monarchie. die schou die politischeBetätigung uach außen hiu nicht mehr in der frühern Weife erlaub DerDualismus verdankt seinen Ursprung dem Bestreben, an Preußen für 18( 6Rache zu nehmen; um die Ungarn dafür zu begeistern, gab man ihnen ,o
Mauch alles, was sie von ihren ..avitischen" Rechten begehrten. So bot die
Lösung der deutsche" nationalen Frage deu Magyaren Gelegenheit, die Baude.
sie als Fessel empfanden, zu zerreißen und sich dem deutscheu Teile der
Monarchie gegenüber in i rem Sinne freiheitlich zu stellen. Seitdem haben
W die errungne nationale Freiheit nicht uur zu befestigen. sondern auch .erweitern gesucht, wobei sie sich anch uicht scheuten, gegen andre Ge^^Wen. um selbst zu herrschen. Was sie sich dabei an nationalen M^e ^erlaubt haben ist bekannt, soll aber in der heutigen Betmchtnng in ' in
Spiel gelassen werden. Den politisch befähigten Köpfen unter den Magyar n.
namentlich Deal nud Andrassy. galt der Ausgleich von 1867 wirt es al
eine dauernde Einrichtung, deren Bestimmungen von den Ungarn wohl unter
allen Umftüuden behauptet aber auch beachtet und gehalten werden un.ßwi.
Sie empfanden sehr wohl, was ihnen ein günstiges Politi ches Geschick chou
nach achtzehn Jahren, seit ihr Aufstand mit russischer Hilfe niedergeschlagen


Grenzboten III 190?
Vie Krisis in Ungarn

dieser Artikel schon ein folgenschweres Einspruchsrecht Rußlands in den Donan-
fürstentüinern, das für Österreich mehr als bedenklich war, so erlangten die
Artikel 7, 8 und 14 eine noch größere Bedeutung. Die Pforte garantierte
darin deu russischen Pilgern den freien Besuch Jerusalems und andrer heiligen
Orte, ferner der christlichen Religion und ihren Kirchen Schutz; endlich aber
erlaubte sie, daß Rußland wie die andern Mächte außer der Hauskirche der
Gesandtschaft in Konstantinopel auch in Galata eine öffentliche Kirche baue,
und räumte für diese Kirche und ihre Bediensteten Rußland ein Einspruchs¬
recht ein. Aus diesem ebenso klaren wie beschränkten Einspruchsrechte Ru߬
lands hat später die russische Diplomatie dank der Unfähigkeit englischer
Staatsmänner ein Einspruchs- und Schutzrecht Rußlands über die ganze
Orthodoxie im Orient ausgebildet, das zu dem formellen Hauptanlassc des
Krimkrieges wurde. Schluß folgt)




Die Krisis in Ungarn
All'in Geyer von

le Mißgriffe, die die Politik der Habsburgischen Monarchie nach
deu militärischen Niederlagen von 1859 und 1866 beging, rächen
sich erst in der Gegenwart. Die Landverluste in Oberitalien
HUAsind durch die „Okkupation" von Bosnien und der Herzegowina
_,ausgeglichen worden, und das Ausscheiden aus d^em Deutschen
Bunde hat den: Ansehen und der Großmachtftelluug des Reichs keinen
merkbaren Schaden zugefügt. Nachteile entwickelten sich erst aus der l»^geschaffnen dualistischen Neugestaltung der Monarchie. die schou die politischeBetätigung uach außen hiu nicht mehr in der frühern Weife erlaub DerDualismus verdankt seinen Ursprung dem Bestreben, an Preußen für 18( 6Rache zu nehmen; um die Ungarn dafür zu begeistern, gab man ihnen ,o
Mauch alles, was sie von ihren ..avitischen" Rechten begehrten. So bot die
Lösung der deutsche» nationalen Frage deu Magyaren Gelegenheit, die Baude.
sie als Fessel empfanden, zu zerreißen und sich dem deutscheu Teile der
Monarchie gegenüber in i rem Sinne freiheitlich zu stellen. Seitdem haben
W die errungne nationale Freiheit nicht uur zu befestigen. sondern auch .erweitern gesucht, wobei sie sich anch uicht scheuten, gegen andre Ge^^Wen. um selbst zu herrschen. Was sie sich dabei an nationalen M^e ^erlaubt haben ist bekannt, soll aber in der heutigen Betmchtnng in ' in
Spiel gelassen werden. Den politisch befähigten Köpfen unter den Magyar n.
namentlich Deal nud Andrassy. galt der Ausgleich von 1867 wirt es al
eine dauernde Einrichtung, deren Bestimmungen von den Ungarn wohl unter
allen Umftüuden behauptet aber auch beachtet und gehalten werden un.ßwi.
Sie empfanden sehr wohl, was ihnen ein günstiges Politi ches Geschick chou
nach achtzehn Jahren, seit ihr Aufstand mit russischer Hilfe niedergeschlagen


Grenzboten III 190?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0145" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241359"/>
          <fw type="header" place="top"> Vie Krisis in Ungarn</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_618" prev="#ID_617"> dieser Artikel schon ein folgenschweres Einspruchsrecht Rußlands in den Donan-<lb/>
fürstentüinern, das für Österreich mehr als bedenklich war, so erlangten die<lb/>
Artikel 7, 8 und 14 eine noch größere Bedeutung. Die Pforte garantierte<lb/>
darin deu russischen Pilgern den freien Besuch Jerusalems und andrer heiligen<lb/>
Orte, ferner der christlichen Religion und ihren Kirchen Schutz; endlich aber<lb/>
erlaubte sie, daß Rußland wie die andern Mächte außer der Hauskirche der<lb/>
Gesandtschaft in Konstantinopel auch in Galata eine öffentliche Kirche baue,<lb/>
und räumte für diese Kirche und ihre Bediensteten Rußland ein Einspruchs¬<lb/>
recht ein. Aus diesem ebenso klaren wie beschränkten Einspruchsrechte Ru߬<lb/>
lands hat später die russische Diplomatie dank der Unfähigkeit englischer<lb/>
Staatsmänner ein Einspruchs- und Schutzrecht Rußlands über die ganze<lb/>
Orthodoxie im Orient ausgebildet, das zu dem formellen Hauptanlassc des<lb/>
Krimkrieges wurde. Schluß folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Krisis in Ungarn<lb/><note type="byline"> All'in Geyer</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_619" next="#ID_620"> le Mißgriffe, die die Politik der Habsburgischen Monarchie nach<lb/>
deu militärischen Niederlagen von 1859 und 1866 beging, rächen<lb/>
sich erst in der Gegenwart.  Die Landverluste in Oberitalien<lb/>
HUAsind durch die &#x201E;Okkupation" von Bosnien und der Herzegowina<lb/>
_,ausgeglichen worden, und das Ausscheiden aus d^em Deutschen<lb/>
Bunde hat den: Ansehen und der Großmachtftelluug des Reichs keinen<lb/>
merkbaren Schaden zugefügt. Nachteile entwickelten sich erst aus der l»^geschaffnen dualistischen Neugestaltung der Monarchie. die schou die politischeBetätigung uach außen hiu nicht mehr in der frühern Weife erlaub DerDualismus verdankt seinen Ursprung dem Bestreben, an Preußen für 18( 6Rache zu nehmen; um die Ungarn dafür zu begeistern, gab man ihnen ,o<lb/>
Mauch alles, was sie von ihren ..avitischen" Rechten begehrten. So bot die<lb/>
Lösung der deutsche» nationalen Frage deu Magyaren Gelegenheit, die Baude.<lb/>
sie als Fessel empfanden, zu zerreißen und sich dem deutscheu Teile der<lb/>
Monarchie gegenüber in i rem Sinne freiheitlich zu stellen.  Seitdem haben<lb/>
W die errungne nationale Freiheit nicht uur zu befestigen. sondern auch .erweitern gesucht, wobei sie sich anch uicht scheuten, gegen andre Ge^^Wen. um selbst zu herrschen.  Was sie sich dabei an nationalen M^e ^erlaubt haben  ist bekannt, soll aber in der heutigen Betmchtnng in ' in<lb/>
Spiel gelassen werden. Den politisch befähigten Köpfen unter den Magyar n.<lb/>
namentlich Deal nud Andrassy. galt der Ausgleich von 1867 wirt es al<lb/>
eine dauernde Einrichtung, deren Bestimmungen von den Ungarn wohl unter<lb/>
allen Umftüuden behauptet aber auch beachtet und gehalten werden un.ßwi.<lb/>
Sie empfanden sehr wohl, was ihnen ein günstiges Politi ches Geschick chou<lb/>
nach achtzehn Jahren, seit ihr Aufstand mit russischer Hilfe niedergeschlagen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 190?</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0145] Vie Krisis in Ungarn dieser Artikel schon ein folgenschweres Einspruchsrecht Rußlands in den Donan- fürstentüinern, das für Österreich mehr als bedenklich war, so erlangten die Artikel 7, 8 und 14 eine noch größere Bedeutung. Die Pforte garantierte darin deu russischen Pilgern den freien Besuch Jerusalems und andrer heiligen Orte, ferner der christlichen Religion und ihren Kirchen Schutz; endlich aber erlaubte sie, daß Rußland wie die andern Mächte außer der Hauskirche der Gesandtschaft in Konstantinopel auch in Galata eine öffentliche Kirche baue, und räumte für diese Kirche und ihre Bediensteten Rußland ein Einspruchs¬ recht ein. Aus diesem ebenso klaren wie beschränkten Einspruchsrechte Ru߬ lands hat später die russische Diplomatie dank der Unfähigkeit englischer Staatsmänner ein Einspruchs- und Schutzrecht Rußlands über die ganze Orthodoxie im Orient ausgebildet, das zu dem formellen Hauptanlassc des Krimkrieges wurde. Schluß folgt) Die Krisis in Ungarn All'in Geyer von le Mißgriffe, die die Politik der Habsburgischen Monarchie nach deu militärischen Niederlagen von 1859 und 1866 beging, rächen sich erst in der Gegenwart. Die Landverluste in Oberitalien HUAsind durch die „Okkupation" von Bosnien und der Herzegowina _,ausgeglichen worden, und das Ausscheiden aus d^em Deutschen Bunde hat den: Ansehen und der Großmachtftelluug des Reichs keinen merkbaren Schaden zugefügt. Nachteile entwickelten sich erst aus der l»^geschaffnen dualistischen Neugestaltung der Monarchie. die schou die politischeBetätigung uach außen hiu nicht mehr in der frühern Weife erlaub DerDualismus verdankt seinen Ursprung dem Bestreben, an Preußen für 18( 6Rache zu nehmen; um die Ungarn dafür zu begeistern, gab man ihnen ,o Mauch alles, was sie von ihren ..avitischen" Rechten begehrten. So bot die Lösung der deutsche» nationalen Frage deu Magyaren Gelegenheit, die Baude. sie als Fessel empfanden, zu zerreißen und sich dem deutscheu Teile der Monarchie gegenüber in i rem Sinne freiheitlich zu stellen. Seitdem haben W die errungne nationale Freiheit nicht uur zu befestigen. sondern auch .erweitern gesucht, wobei sie sich anch uicht scheuten, gegen andre Ge^^Wen. um selbst zu herrschen. Was sie sich dabei an nationalen M^e ^erlaubt haben ist bekannt, soll aber in der heutigen Betmchtnng in ' in Spiel gelassen werden. Den politisch befähigten Köpfen unter den Magyar n. namentlich Deal nud Andrassy. galt der Ausgleich von 1867 wirt es al eine dauernde Einrichtung, deren Bestimmungen von den Ungarn wohl unter allen Umftüuden behauptet aber auch beachtet und gehalten werden un.ßwi. Sie empfanden sehr wohl, was ihnen ein günstiges Politi ches Geschick chou nach achtzehn Jahren, seit ihr Aufstand mit russischer Hilfe niedergeschlagen Grenzboten III 190?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/145
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/145>, abgerufen am 27.07.2024.