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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die Nationalversammlung rief in Anerkennung der Verdienste der Familie
Obrenowitsch ihren einzigen noch lebenden Sprossen, den erst vierzehnjährigen Milan,
zum Fürsten aus. Milan war ein Enkel des Prinzen Ephraim, eines jüngern
Bruders des alten Milosch Obrenowitsch. Wie das Land unter ihm erst die
Regentschaft Ristitsch, dann die Regierung des jungen Milan mit seinen Ehe-,
Liebes- und Spielgeschichten, den serbisch-türkischen Krieg und nach dem russisch¬
türkischen Krieg die Erhebung zum Königreich, Verfassung, Staatsstreich und Ver¬
schuldung, Niederlage gegen Bulgarien, Ehescheidung und Abdankung, dann unter
dem König Alexander wieder eine Regentschaft, Verfassnngswirren, Staatsstreich
und endlich die wundersame Verheiratung mit der "Königin Dragci" durchgemacht
hat, ist noch in zu frischer Erinnerung, als daß darüber hier Worte verloren zu
werden brauchten. Die beiden letzten Obrenowitsche haben, trotz guter Begabung
und einzelner anmutender Charaktereigenschaften, infolge mangelhafter Erziehung und
ihrer alle Welt befremdenden Beziehungen zur Frauenwelt den reichen Schatz, den
ihre Vorfahren in dem Andenken Serbiens angesammelt hatten, stückweise vergeudet
und verwüstet, und die Welt findet es nicht allzu unbegreiflich, daß heute Belgrad
dem grauenhaften Mord gegenüber kein Zeichen der Trauer ausweist.

Die Obrenowitsch sind ausgestorben, nun werden die Karageorgiewitsch daran
kommen. Das meuterische Offizierkorps in Belgrad hat den Prätendenten Peter
Karageorgiewitsch schon zum König ausgerufen, die Entscheidung hat die Skupschtina
in demselben Sinne gefällt; eine andre Möglichkeit lag nicht vor. An eine Re¬
publik denkt überhaupt kein Mensch, und ein andrer Thronkandidat war höchstens
noch in demi Prinzen Mirko von Montenegro vorhanden, den sein Vater für den
künftigen großserbischen Thron designiert hat. Bei der heutigen Stimmung in
Belgrad ist daran nicht zu denken. Die Mächte werden, solange in Serbien sonst
alles ruhig verläuft, die Änderung anerkennen, doch ist den Serben anzuempfehlen,
immer daran zu denken, daß Rußland und Österreich unbedingt darin einig sind,
daß auf der Balkauhnlbiusel Ruhe herrsche. Wie sich die Aussichten der Karci-
georgewitsch für die Zukunft stellen werden, läßt sich schwer im voraus beurteilen.
Von einer meuterischen Armee auf den Thron berufen, mit dem Verdacht der An¬
stiftung des Meuchelmords behaftet, und gegenüber den nebenbuhlerischen Bestre¬
bungen des Fürstenhauses von Montenegro würde eine ganz besonders reich be¬
gabte Fürstengestalt dazu gehören, sich dauernd auf dem Thron zu erhalten und
d --^-- em Politisch wie moralisch zerrütteten Lande den Frieden zu bringen.


Deutscher Parnaß in Berlin.

Mit der gewissen Kreisen eigentümlichen
Art von Bescheidenheit, die man in der Sprache der alten Rhetorik als x"rs xro
toto bezeichnen würde, wird in den Zeitungen verkündigt, daß "die Berliner
Studentenschaft" im Juni "Waldspiele" veranstalten will. Es soll Peter Hilles
Drama "Lebensreigen" aufgeführt werdeu unter Mitwirkung von Kommilitonen
und studierenden Frauen.

Da weiß mau doch, wozu die Studentinnen gut sind. Ohne Damen kein
Vergnügen, sagt ein altes Berliner Sprichwort. Es geht doch Wohl eine Jung¬
frau mit, heißt es am Schluß von Goethes "Sathros oder der vergötterte Wald¬
teufel" von 1774, der sich übrigens auch heute uoch vorzüglich zur Aufführung
im Freie" durch Personen beiderlei Geschlechts eignen würde, wenn es etwa mit
dem "Lebensreigen" nichts sein sollte. Für die Jnszeniernng finden die Herr¬
schaften auch in Goethes Deutschem Parnaß allerlei Fingerzeige, die heute nach
hundert Jahren wieder völlig zeitgemäß sind, zum Beispiel: Mann und Weib Ohne
Scheu Zeigt den Leib oder: Alles flieht, Wer sie sieht. Ach die Büsche sind zer¬
knickt, Ach die Blüten sind erstickt. . . . Vielleicht nimmt sich der Goethcbund ein
wenig der Sache an, der ja nun nach der definitiven Versenkung der "Maria von
Magdala" (wo die erwartete Wunderwirkungen bedauerlicherweise ausgeblieben sind)
wieder recht viel freie Zeit haben muß.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die Nationalversammlung rief in Anerkennung der Verdienste der Familie
Obrenowitsch ihren einzigen noch lebenden Sprossen, den erst vierzehnjährigen Milan,
zum Fürsten aus. Milan war ein Enkel des Prinzen Ephraim, eines jüngern
Bruders des alten Milosch Obrenowitsch. Wie das Land unter ihm erst die
Regentschaft Ristitsch, dann die Regierung des jungen Milan mit seinen Ehe-,
Liebes- und Spielgeschichten, den serbisch-türkischen Krieg und nach dem russisch¬
türkischen Krieg die Erhebung zum Königreich, Verfassung, Staatsstreich und Ver¬
schuldung, Niederlage gegen Bulgarien, Ehescheidung und Abdankung, dann unter
dem König Alexander wieder eine Regentschaft, Verfassnngswirren, Staatsstreich
und endlich die wundersame Verheiratung mit der „Königin Dragci" durchgemacht
hat, ist noch in zu frischer Erinnerung, als daß darüber hier Worte verloren zu
werden brauchten. Die beiden letzten Obrenowitsche haben, trotz guter Begabung
und einzelner anmutender Charaktereigenschaften, infolge mangelhafter Erziehung und
ihrer alle Welt befremdenden Beziehungen zur Frauenwelt den reichen Schatz, den
ihre Vorfahren in dem Andenken Serbiens angesammelt hatten, stückweise vergeudet
und verwüstet, und die Welt findet es nicht allzu unbegreiflich, daß heute Belgrad
dem grauenhaften Mord gegenüber kein Zeichen der Trauer ausweist.

Die Obrenowitsch sind ausgestorben, nun werden die Karageorgiewitsch daran
kommen. Das meuterische Offizierkorps in Belgrad hat den Prätendenten Peter
Karageorgiewitsch schon zum König ausgerufen, die Entscheidung hat die Skupschtina
in demselben Sinne gefällt; eine andre Möglichkeit lag nicht vor. An eine Re¬
publik denkt überhaupt kein Mensch, und ein andrer Thronkandidat war höchstens
noch in demi Prinzen Mirko von Montenegro vorhanden, den sein Vater für den
künftigen großserbischen Thron designiert hat. Bei der heutigen Stimmung in
Belgrad ist daran nicht zu denken. Die Mächte werden, solange in Serbien sonst
alles ruhig verläuft, die Änderung anerkennen, doch ist den Serben anzuempfehlen,
immer daran zu denken, daß Rußland und Österreich unbedingt darin einig sind,
daß auf der Balkauhnlbiusel Ruhe herrsche. Wie sich die Aussichten der Karci-
georgewitsch für die Zukunft stellen werden, läßt sich schwer im voraus beurteilen.
Von einer meuterischen Armee auf den Thron berufen, mit dem Verdacht der An¬
stiftung des Meuchelmords behaftet, und gegenüber den nebenbuhlerischen Bestre¬
bungen des Fürstenhauses von Montenegro würde eine ganz besonders reich be¬
gabte Fürstengestalt dazu gehören, sich dauernd auf dem Thron zu erhalten und
d —^— em Politisch wie moralisch zerrütteten Lande den Frieden zu bringen.


Deutscher Parnaß in Berlin.

Mit der gewissen Kreisen eigentümlichen
Art von Bescheidenheit, die man in der Sprache der alten Rhetorik als x»rs xro
toto bezeichnen würde, wird in den Zeitungen verkündigt, daß „die Berliner
Studentenschaft" im Juni „Waldspiele" veranstalten will. Es soll Peter Hilles
Drama „Lebensreigen" aufgeführt werdeu unter Mitwirkung von Kommilitonen
und studierenden Frauen.

Da weiß mau doch, wozu die Studentinnen gut sind. Ohne Damen kein
Vergnügen, sagt ein altes Berliner Sprichwort. Es geht doch Wohl eine Jung¬
frau mit, heißt es am Schluß von Goethes „Sathros oder der vergötterte Wald¬
teufel" von 1774, der sich übrigens auch heute uoch vorzüglich zur Aufführung
im Freie« durch Personen beiderlei Geschlechts eignen würde, wenn es etwa mit
dem „Lebensreigen" nichts sein sollte. Für die Jnszeniernng finden die Herr¬
schaften auch in Goethes Deutschem Parnaß allerlei Fingerzeige, die heute nach
hundert Jahren wieder völlig zeitgemäß sind, zum Beispiel: Mann und Weib Ohne
Scheu Zeigt den Leib oder: Alles flieht, Wer sie sieht. Ach die Büsche sind zer¬
knickt, Ach die Blüten sind erstickt. . . . Vielleicht nimmt sich der Goethcbund ein
wenig der Sache an, der ja nun nach der definitiven Versenkung der „Maria von
Magdala" (wo die erwartete Wunderwirkungen bedauerlicherweise ausgeblieben sind)
wieder recht viel freie Zeit haben muß.




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[0754] Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Nationalversammlung rief in Anerkennung der Verdienste der Familie Obrenowitsch ihren einzigen noch lebenden Sprossen, den erst vierzehnjährigen Milan, zum Fürsten aus. Milan war ein Enkel des Prinzen Ephraim, eines jüngern Bruders des alten Milosch Obrenowitsch. Wie das Land unter ihm erst die Regentschaft Ristitsch, dann die Regierung des jungen Milan mit seinen Ehe-, Liebes- und Spielgeschichten, den serbisch-türkischen Krieg und nach dem russisch¬ türkischen Krieg die Erhebung zum Königreich, Verfassung, Staatsstreich und Ver¬ schuldung, Niederlage gegen Bulgarien, Ehescheidung und Abdankung, dann unter dem König Alexander wieder eine Regentschaft, Verfassnngswirren, Staatsstreich und endlich die wundersame Verheiratung mit der „Königin Dragci" durchgemacht hat, ist noch in zu frischer Erinnerung, als daß darüber hier Worte verloren zu werden brauchten. Die beiden letzten Obrenowitsche haben, trotz guter Begabung und einzelner anmutender Charaktereigenschaften, infolge mangelhafter Erziehung und ihrer alle Welt befremdenden Beziehungen zur Frauenwelt den reichen Schatz, den ihre Vorfahren in dem Andenken Serbiens angesammelt hatten, stückweise vergeudet und verwüstet, und die Welt findet es nicht allzu unbegreiflich, daß heute Belgrad dem grauenhaften Mord gegenüber kein Zeichen der Trauer ausweist. Die Obrenowitsch sind ausgestorben, nun werden die Karageorgiewitsch daran kommen. Das meuterische Offizierkorps in Belgrad hat den Prätendenten Peter Karageorgiewitsch schon zum König ausgerufen, die Entscheidung hat die Skupschtina in demselben Sinne gefällt; eine andre Möglichkeit lag nicht vor. An eine Re¬ publik denkt überhaupt kein Mensch, und ein andrer Thronkandidat war höchstens noch in demi Prinzen Mirko von Montenegro vorhanden, den sein Vater für den künftigen großserbischen Thron designiert hat. Bei der heutigen Stimmung in Belgrad ist daran nicht zu denken. Die Mächte werden, solange in Serbien sonst alles ruhig verläuft, die Änderung anerkennen, doch ist den Serben anzuempfehlen, immer daran zu denken, daß Rußland und Österreich unbedingt darin einig sind, daß auf der Balkauhnlbiusel Ruhe herrsche. Wie sich die Aussichten der Karci- georgewitsch für die Zukunft stellen werden, läßt sich schwer im voraus beurteilen. Von einer meuterischen Armee auf den Thron berufen, mit dem Verdacht der An¬ stiftung des Meuchelmords behaftet, und gegenüber den nebenbuhlerischen Bestre¬ bungen des Fürstenhauses von Montenegro würde eine ganz besonders reich be¬ gabte Fürstengestalt dazu gehören, sich dauernd auf dem Thron zu erhalten und d —^— em Politisch wie moralisch zerrütteten Lande den Frieden zu bringen. Deutscher Parnaß in Berlin. Mit der gewissen Kreisen eigentümlichen Art von Bescheidenheit, die man in der Sprache der alten Rhetorik als x»rs xro toto bezeichnen würde, wird in den Zeitungen verkündigt, daß „die Berliner Studentenschaft" im Juni „Waldspiele" veranstalten will. Es soll Peter Hilles Drama „Lebensreigen" aufgeführt werdeu unter Mitwirkung von Kommilitonen und studierenden Frauen. Da weiß mau doch, wozu die Studentinnen gut sind. Ohne Damen kein Vergnügen, sagt ein altes Berliner Sprichwort. Es geht doch Wohl eine Jung¬ frau mit, heißt es am Schluß von Goethes „Sathros oder der vergötterte Wald¬ teufel" von 1774, der sich übrigens auch heute uoch vorzüglich zur Aufführung im Freie« durch Personen beiderlei Geschlechts eignen würde, wenn es etwa mit dem „Lebensreigen" nichts sein sollte. Für die Jnszeniernng finden die Herr¬ schaften auch in Goethes Deutschem Parnaß allerlei Fingerzeige, die heute nach hundert Jahren wieder völlig zeitgemäß sind, zum Beispiel: Mann und Weib Ohne Scheu Zeigt den Leib oder: Alles flieht, Wer sie sieht. Ach die Büsche sind zer¬ knickt, Ach die Blüten sind erstickt. . . . Vielleicht nimmt sich der Goethcbund ein wenig der Sache an, der ja nun nach der definitiven Versenkung der „Maria von Magdala" (wo die erwartete Wunderwirkungen bedauerlicherweise ausgeblieben sind) wieder recht viel freie Zeit haben muß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/754>, abgerufen am 24.08.2024.