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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Verbindungen mit andern Mächten einzugehn, soweit sie dem Zwecke des Drei¬
bunds nicht widersprechen. Deutschland läßt sich durch ihn nicht abhalten, ein gutes
Verhältnis mit Rußland zu Pflegen, und Österreich ist in Bezug auf die Balkan¬
halbinsel seit 1897 in ein engeres Einvernehmen mit dem Zarenreiche getreten, das
auch jetzt nach der entsetzlichen, im modernen Europa beispiellosen Katastrophe in
Belgrad entscheidend sein wird. Auch den Italienern Perdenkt es in Deutschland
niemand, wenn sie ein besseres Verhältnis zu Frankreich erstreben, das ihnen nach
Kultur und Sprache nun einmal näher steht als jedes andre Volk, und wenn sie
mit England in gutem Einvernehmen leben, da dessen Machtstellung im Mittelmeer
die Gefahr abwendet, daß es in einen französischen See verwandelt und der Ausgang
bei Gibraltar nach Frankreichs Belieben gesperrt wird, da es auch den italienischen
Einheitsbestrebungen immer freundlich gegenübergestanden hat. Es kann uns auch
nur recht sein, wenn Italien seine Interessen in Tripolis und Albanien kräftig
wahrnimmt, wenn es sich im Mittelmeer so stark macht, wie es nur immer kann.
Aber diese Bestrebungen mit unsern Mitteln direkt zu unterstützen, dazu verpflichtet
uns der Dreibund so wenig, wie er Italien zumutet, etwa für unsre Stellung in
China oder in Afrika einzutreten. Wir können uns wegen Albaniens nicht mit Öster¬
reich und wegen Tripolitcmiens nicht mit der Türkei überwerfen. Das sollte man
sich auch in Italien klar machen, dann wird man sehen, daß jeder Grund zu einer
Verstimmung gegen Deutschland fehlt. Beide Völker sind Schicksalsgenossen, beide
sind durch viele gemeinsame Interessen und gemeinsame Gegner aufeinander an¬
gewiesen; das wird sie immer wieder, auch über die Verpflichtungen des Drei¬
^ bundes hinaus, zusaiumeuführen, wo Lebensinteressen auf dem Spiele stehn.


Obrenowitsch und Karageorgiewitsch.

Vom untern Lauf der save über
die Dvunu hinüber und im ganzen Gebiet der Morawa enden fast alle Eigennamen,
der Könige wie der Minister, der Abgeordneten wie der Bauern, auf itsch oder
witsch. Das ist das Gebiet der Serben. Kommt man nur ein wenig nach Osten
über das Gebirge in das Flußgebiet der Struma (Karassu, der Strymon der
Alten), so enden fast alle Eigennamen auf vo; wir sind im Lande der Bulgaren.
serbische Stämme der Sprache und Abstammung nach nehmen zum weitaus größten
Teile die westliche Hälfte der europäischen Türkei ein, sie bewohnen Bosnien, die
Herzegowina, den größer" Teil des alten Makedoniens; Montenegriner und Dalmatiner
sind serbischen Stammes, die Kroaten unterscheiden sich von ihnen eigentlich nur in
der Religion. Das unbedeutende Fürstentum Serbien schien im vorigen Jahrhundert
eine Art vou Piemont gegen die Türkenherrschaft auf der Balkanhalbinsel werden
zu sollen; die wüste Wirtschaft im Konak zu Belgrad, die meist in Weibergeschichten
ihren Ursprung hatte, dürfte diese Aussicht dauernd zerstört haben. Großserbische
Pläne wurden nnn nicht allein in Belgrad gehegt, auch der phantasievolle Fürst
der Schwarzen Berge trägt sich damit. Mnu geht dabei auf die Erinnerungen an
das großserbische Reich unter Duschau zurück, der außer Serbien auch Bosnien, die
Herzegowina, Albanien sowie den größten Teil von Makedonien und Bulgarien
beherrschte und sich 1340 zum Kaiser krönen ließ. Aber sein Nachfolger verlor die
meisten Provinzen wieder, und die Dynastie erlosch mit ihm. Um 1374 schwang sich
Lazar auf den Thron, doch wurde er am 15. Juni 1389 ans der Hochebne von
Prischtiua, auf dem Amselfeld (Kossowo Polje), über das heute die Bahn nach
Saloniki führt, auf das Haupt geschlagen und fiel, worauf die Türken das Land
teilten und unter ihrer Botmäßigkeit hielten. Eine Zeit lang wurde" noch serbische
Fürsten als türkische Vasallen geduldet, später hörte auch das auf. Die Türken
setzten sich in deu Städten fest, aller Grundbesitz fiel ihren Kriegern zu, und die
Serben bebauten das Laud, das eigentlich ihnen gehörte, als Hörige der neuen
Grundherren, denen sie vollkommen rechtlos gegenüberstanden. Aber dieses Vor¬
sehn hatte zur Folge, daß die Völkerschaften auf der Balkanhalbinsel ihre Natio¬
nalität ziemlich rein bewahrte", sodaß sie mit dem Verfall der türkischen Herrschaft
wieder auflebte. Außer der Unterdrückung und Plünderung haben die Türken in


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Verbindungen mit andern Mächten einzugehn, soweit sie dem Zwecke des Drei¬
bunds nicht widersprechen. Deutschland läßt sich durch ihn nicht abhalten, ein gutes
Verhältnis mit Rußland zu Pflegen, und Österreich ist in Bezug auf die Balkan¬
halbinsel seit 1897 in ein engeres Einvernehmen mit dem Zarenreiche getreten, das
auch jetzt nach der entsetzlichen, im modernen Europa beispiellosen Katastrophe in
Belgrad entscheidend sein wird. Auch den Italienern Perdenkt es in Deutschland
niemand, wenn sie ein besseres Verhältnis zu Frankreich erstreben, das ihnen nach
Kultur und Sprache nun einmal näher steht als jedes andre Volk, und wenn sie
mit England in gutem Einvernehmen leben, da dessen Machtstellung im Mittelmeer
die Gefahr abwendet, daß es in einen französischen See verwandelt und der Ausgang
bei Gibraltar nach Frankreichs Belieben gesperrt wird, da es auch den italienischen
Einheitsbestrebungen immer freundlich gegenübergestanden hat. Es kann uns auch
nur recht sein, wenn Italien seine Interessen in Tripolis und Albanien kräftig
wahrnimmt, wenn es sich im Mittelmeer so stark macht, wie es nur immer kann.
Aber diese Bestrebungen mit unsern Mitteln direkt zu unterstützen, dazu verpflichtet
uns der Dreibund so wenig, wie er Italien zumutet, etwa für unsre Stellung in
China oder in Afrika einzutreten. Wir können uns wegen Albaniens nicht mit Öster¬
reich und wegen Tripolitcmiens nicht mit der Türkei überwerfen. Das sollte man
sich auch in Italien klar machen, dann wird man sehen, daß jeder Grund zu einer
Verstimmung gegen Deutschland fehlt. Beide Völker sind Schicksalsgenossen, beide
sind durch viele gemeinsame Interessen und gemeinsame Gegner aufeinander an¬
gewiesen; das wird sie immer wieder, auch über die Verpflichtungen des Drei¬
^ bundes hinaus, zusaiumeuführen, wo Lebensinteressen auf dem Spiele stehn.


Obrenowitsch und Karageorgiewitsch.

Vom untern Lauf der save über
die Dvunu hinüber und im ganzen Gebiet der Morawa enden fast alle Eigennamen,
der Könige wie der Minister, der Abgeordneten wie der Bauern, auf itsch oder
witsch. Das ist das Gebiet der Serben. Kommt man nur ein wenig nach Osten
über das Gebirge in das Flußgebiet der Struma (Karassu, der Strymon der
Alten), so enden fast alle Eigennamen auf vo; wir sind im Lande der Bulgaren.
serbische Stämme der Sprache und Abstammung nach nehmen zum weitaus größten
Teile die westliche Hälfte der europäischen Türkei ein, sie bewohnen Bosnien, die
Herzegowina, den größer» Teil des alten Makedoniens; Montenegriner und Dalmatiner
sind serbischen Stammes, die Kroaten unterscheiden sich von ihnen eigentlich nur in
der Religion. Das unbedeutende Fürstentum Serbien schien im vorigen Jahrhundert
eine Art vou Piemont gegen die Türkenherrschaft auf der Balkanhalbinsel werden
zu sollen; die wüste Wirtschaft im Konak zu Belgrad, die meist in Weibergeschichten
ihren Ursprung hatte, dürfte diese Aussicht dauernd zerstört haben. Großserbische
Pläne wurden nnn nicht allein in Belgrad gehegt, auch der phantasievolle Fürst
der Schwarzen Berge trägt sich damit. Mnu geht dabei auf die Erinnerungen an
das großserbische Reich unter Duschau zurück, der außer Serbien auch Bosnien, die
Herzegowina, Albanien sowie den größten Teil von Makedonien und Bulgarien
beherrschte und sich 1340 zum Kaiser krönen ließ. Aber sein Nachfolger verlor die
meisten Provinzen wieder, und die Dynastie erlosch mit ihm. Um 1374 schwang sich
Lazar auf den Thron, doch wurde er am 15. Juni 1389 ans der Hochebne von
Prischtiua, auf dem Amselfeld (Kossowo Polje), über das heute die Bahn nach
Saloniki führt, auf das Haupt geschlagen und fiel, worauf die Türken das Land
teilten und unter ihrer Botmäßigkeit hielten. Eine Zeit lang wurde» noch serbische
Fürsten als türkische Vasallen geduldet, später hörte auch das auf. Die Türken
setzten sich in deu Städten fest, aller Grundbesitz fiel ihren Kriegern zu, und die
Serben bebauten das Laud, das eigentlich ihnen gehörte, als Hörige der neuen
Grundherren, denen sie vollkommen rechtlos gegenüberstanden. Aber dieses Vor¬
sehn hatte zur Folge, daß die Völkerschaften auf der Balkanhalbinsel ihre Natio¬
nalität ziemlich rein bewahrte», sodaß sie mit dem Verfall der türkischen Herrschaft
wieder auflebte. Außer der Unterdrückung und Plünderung haben die Türken in


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[0751] Maßgebliches und Unmaßgebliches Verbindungen mit andern Mächten einzugehn, soweit sie dem Zwecke des Drei¬ bunds nicht widersprechen. Deutschland läßt sich durch ihn nicht abhalten, ein gutes Verhältnis mit Rußland zu Pflegen, und Österreich ist in Bezug auf die Balkan¬ halbinsel seit 1897 in ein engeres Einvernehmen mit dem Zarenreiche getreten, das auch jetzt nach der entsetzlichen, im modernen Europa beispiellosen Katastrophe in Belgrad entscheidend sein wird. Auch den Italienern Perdenkt es in Deutschland niemand, wenn sie ein besseres Verhältnis zu Frankreich erstreben, das ihnen nach Kultur und Sprache nun einmal näher steht als jedes andre Volk, und wenn sie mit England in gutem Einvernehmen leben, da dessen Machtstellung im Mittelmeer die Gefahr abwendet, daß es in einen französischen See verwandelt und der Ausgang bei Gibraltar nach Frankreichs Belieben gesperrt wird, da es auch den italienischen Einheitsbestrebungen immer freundlich gegenübergestanden hat. Es kann uns auch nur recht sein, wenn Italien seine Interessen in Tripolis und Albanien kräftig wahrnimmt, wenn es sich im Mittelmeer so stark macht, wie es nur immer kann. Aber diese Bestrebungen mit unsern Mitteln direkt zu unterstützen, dazu verpflichtet uns der Dreibund so wenig, wie er Italien zumutet, etwa für unsre Stellung in China oder in Afrika einzutreten. Wir können uns wegen Albaniens nicht mit Öster¬ reich und wegen Tripolitcmiens nicht mit der Türkei überwerfen. Das sollte man sich auch in Italien klar machen, dann wird man sehen, daß jeder Grund zu einer Verstimmung gegen Deutschland fehlt. Beide Völker sind Schicksalsgenossen, beide sind durch viele gemeinsame Interessen und gemeinsame Gegner aufeinander an¬ gewiesen; das wird sie immer wieder, auch über die Verpflichtungen des Drei¬ ^ bundes hinaus, zusaiumeuführen, wo Lebensinteressen auf dem Spiele stehn. Obrenowitsch und Karageorgiewitsch. Vom untern Lauf der save über die Dvunu hinüber und im ganzen Gebiet der Morawa enden fast alle Eigennamen, der Könige wie der Minister, der Abgeordneten wie der Bauern, auf itsch oder witsch. Das ist das Gebiet der Serben. Kommt man nur ein wenig nach Osten über das Gebirge in das Flußgebiet der Struma (Karassu, der Strymon der Alten), so enden fast alle Eigennamen auf vo; wir sind im Lande der Bulgaren. serbische Stämme der Sprache und Abstammung nach nehmen zum weitaus größten Teile die westliche Hälfte der europäischen Türkei ein, sie bewohnen Bosnien, die Herzegowina, den größer» Teil des alten Makedoniens; Montenegriner und Dalmatiner sind serbischen Stammes, die Kroaten unterscheiden sich von ihnen eigentlich nur in der Religion. Das unbedeutende Fürstentum Serbien schien im vorigen Jahrhundert eine Art vou Piemont gegen die Türkenherrschaft auf der Balkanhalbinsel werden zu sollen; die wüste Wirtschaft im Konak zu Belgrad, die meist in Weibergeschichten ihren Ursprung hatte, dürfte diese Aussicht dauernd zerstört haben. Großserbische Pläne wurden nnn nicht allein in Belgrad gehegt, auch der phantasievolle Fürst der Schwarzen Berge trägt sich damit. Mnu geht dabei auf die Erinnerungen an das großserbische Reich unter Duschau zurück, der außer Serbien auch Bosnien, die Herzegowina, Albanien sowie den größten Teil von Makedonien und Bulgarien beherrschte und sich 1340 zum Kaiser krönen ließ. Aber sein Nachfolger verlor die meisten Provinzen wieder, und die Dynastie erlosch mit ihm. Um 1374 schwang sich Lazar auf den Thron, doch wurde er am 15. Juni 1389 ans der Hochebne von Prischtiua, auf dem Amselfeld (Kossowo Polje), über das heute die Bahn nach Saloniki führt, auf das Haupt geschlagen und fiel, worauf die Türken das Land teilten und unter ihrer Botmäßigkeit hielten. Eine Zeit lang wurde» noch serbische Fürsten als türkische Vasallen geduldet, später hörte auch das auf. Die Türken setzten sich in deu Städten fest, aller Grundbesitz fiel ihren Kriegern zu, und die Serben bebauten das Laud, das eigentlich ihnen gehörte, als Hörige der neuen Grundherren, denen sie vollkommen rechtlos gegenüberstanden. Aber dieses Vor¬ sehn hatte zur Folge, daß die Völkerschaften auf der Balkanhalbinsel ihre Natio¬ nalität ziemlich rein bewahrte», sodaß sie mit dem Verfall der türkischen Herrschaft wieder auflebte. Außer der Unterdrückung und Plünderung haben die Türken in

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/751>, abgerufen am 03.07.2024.