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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Feuer!

Namen auf den Firmentafeln; im Stadtgasen eine Sammlung römischer Alter¬
tümer, namentlich Säulen, unter denen sich die ebenfalls auf eine Säule ge¬
stellte Marmorbüste des Herzogs von Orleans ein wenig sonderbar ausnimmt.
In die schöne Moschee durften wir durch das offne Tor hineinschauen, aber als
Christen durften wir nicht hineingehn (auch im Tunesischen wird dieses Verbot
aufrecht erhalten, in Algerien sonst nicht mehr). Trotz des europäischen Stadtbilds
sind die Eingebornen weitaus in der Mehrheit (8914 Eingeborne, 2660 Franzosen,
1327 Juden -- setis ist ein besonders im Herbst von Arabern, Kabylen und
Saharabewohnern stark besuchter Markt --, 613 Fremde, zusammen 13514 Ein¬
wohner), und auch hier ist den Eingebornen nicht zu trauen. Fünfzehn Stunden
entfernt liegt als zweiter Hauptort der Atlasebne die Stadt und Festung
Bordsch-bu-Areridsch. Im Jahre 1871 war sie von den aufständischen Ein¬
gebornen niedergebrannt worden. Und in dem näher Algier zu liegenden
Palestro erinnert ein neben der Kirche stehendes Denkmal, das einen Weib
und Kind verteidigenden Kolonisten darstellt, nur zu deutlich an die Schreckens¬
tat, daß in demselben Jahre 58 Kolonisten mit Frauen und Kindern, nach¬
dem sie sich drei Tage in einem Gebäude aufs tapferste verteidigt und auf
Ehrenwort freien Abzug zugesichert erhalten hatten, erbarmungslos nieder¬
gehauen wurden. Gegenwärtig ducken sich die Kabylen. Die Franzosen machen
es genau wie die Römer: das ganze Land wird mit großen und kleinen
Festungen überzogen, und es ist kein Zufall, daß diese französischen Forts
meist auf den Resten der römischen Kastelle stehn. Heute siud diese Zwing¬
burgen gerade so notwendig wie damals, und die alten Römer haben, das
mußten ihnen auch die Franzosen lassen, überall die richtigen Plätze heraus¬
gefunden. So ist denn auch das französische setis eine echte Soldatenstadt
so gut wie vormals das römische Sitifis. In der Frühe unter den Palmen
und Orangen Bougies dahinfahrend und abends in setis frierend nach einem
geheizten Ofen ausschauend -- das war der erste der grellen afrikanischen
Gegensätze, der- uus recht fühlbar entgegentrat. Von: kalten setis in die heiße
Sahara -- diesen zweiten sollten wir bald kennen lernen.




Heuer!
Erinnerung aus dem russischen polizeileben
Alexander Andreas von(Fortsetzung)

is ich am Ufer stand, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Zäh hatte ich wieder getan! Zum zweitenmal am ersten Tage hatte
I ich den Dienst meinem Privatvergnügen geopfert. Es kam mir erst
I jetzt zum Bewußtsein, daß ich zwei bis drei Stunden bei den Ssawinskis
! gesessen hatte. So zeigte ich meinen Eifer! So führte ich meine guten
t Vorsätze aus und rechtfertigte die günstige Meinung des Aufsehers.

Ich sah und horchte umher. Alles still, alles dunkel. Vom Feuerscheine keine
Spur mehr. Wohin sollte ich mich wenden? Wo mochte Jegorow sein? Die


Feuer!

Namen auf den Firmentafeln; im Stadtgasen eine Sammlung römischer Alter¬
tümer, namentlich Säulen, unter denen sich die ebenfalls auf eine Säule ge¬
stellte Marmorbüste des Herzogs von Orleans ein wenig sonderbar ausnimmt.
In die schöne Moschee durften wir durch das offne Tor hineinschauen, aber als
Christen durften wir nicht hineingehn (auch im Tunesischen wird dieses Verbot
aufrecht erhalten, in Algerien sonst nicht mehr). Trotz des europäischen Stadtbilds
sind die Eingebornen weitaus in der Mehrheit (8914 Eingeborne, 2660 Franzosen,
1327 Juden — setis ist ein besonders im Herbst von Arabern, Kabylen und
Saharabewohnern stark besuchter Markt —, 613 Fremde, zusammen 13514 Ein¬
wohner), und auch hier ist den Eingebornen nicht zu trauen. Fünfzehn Stunden
entfernt liegt als zweiter Hauptort der Atlasebne die Stadt und Festung
Bordsch-bu-Areridsch. Im Jahre 1871 war sie von den aufständischen Ein¬
gebornen niedergebrannt worden. Und in dem näher Algier zu liegenden
Palestro erinnert ein neben der Kirche stehendes Denkmal, das einen Weib
und Kind verteidigenden Kolonisten darstellt, nur zu deutlich an die Schreckens¬
tat, daß in demselben Jahre 58 Kolonisten mit Frauen und Kindern, nach¬
dem sie sich drei Tage in einem Gebäude aufs tapferste verteidigt und auf
Ehrenwort freien Abzug zugesichert erhalten hatten, erbarmungslos nieder¬
gehauen wurden. Gegenwärtig ducken sich die Kabylen. Die Franzosen machen
es genau wie die Römer: das ganze Land wird mit großen und kleinen
Festungen überzogen, und es ist kein Zufall, daß diese französischen Forts
meist auf den Resten der römischen Kastelle stehn. Heute siud diese Zwing¬
burgen gerade so notwendig wie damals, und die alten Römer haben, das
mußten ihnen auch die Franzosen lassen, überall die richtigen Plätze heraus¬
gefunden. So ist denn auch das französische setis eine echte Soldatenstadt
so gut wie vormals das römische Sitifis. In der Frühe unter den Palmen
und Orangen Bougies dahinfahrend und abends in setis frierend nach einem
geheizten Ofen ausschauend — das war der erste der grellen afrikanischen
Gegensätze, der- uus recht fühlbar entgegentrat. Von: kalten setis in die heiße
Sahara — diesen zweiten sollten wir bald kennen lernen.




Heuer!
Erinnerung aus dem russischen polizeileben
Alexander Andreas von(Fortsetzung)

is ich am Ufer stand, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Zäh hatte ich wieder getan! Zum zweitenmal am ersten Tage hatte
I ich den Dienst meinem Privatvergnügen geopfert. Es kam mir erst
I jetzt zum Bewußtsein, daß ich zwei bis drei Stunden bei den Ssawinskis
! gesessen hatte. So zeigte ich meinen Eifer! So führte ich meine guten
t Vorsätze aus und rechtfertigte die günstige Meinung des Aufsehers.

Ich sah und horchte umher. Alles still, alles dunkel. Vom Feuerscheine keine
Spur mehr. Wohin sollte ich mich wenden? Wo mochte Jegorow sein? Die


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[0300] Feuer! Namen auf den Firmentafeln; im Stadtgasen eine Sammlung römischer Alter¬ tümer, namentlich Säulen, unter denen sich die ebenfalls auf eine Säule ge¬ stellte Marmorbüste des Herzogs von Orleans ein wenig sonderbar ausnimmt. In die schöne Moschee durften wir durch das offne Tor hineinschauen, aber als Christen durften wir nicht hineingehn (auch im Tunesischen wird dieses Verbot aufrecht erhalten, in Algerien sonst nicht mehr). Trotz des europäischen Stadtbilds sind die Eingebornen weitaus in der Mehrheit (8914 Eingeborne, 2660 Franzosen, 1327 Juden — setis ist ein besonders im Herbst von Arabern, Kabylen und Saharabewohnern stark besuchter Markt —, 613 Fremde, zusammen 13514 Ein¬ wohner), und auch hier ist den Eingebornen nicht zu trauen. Fünfzehn Stunden entfernt liegt als zweiter Hauptort der Atlasebne die Stadt und Festung Bordsch-bu-Areridsch. Im Jahre 1871 war sie von den aufständischen Ein¬ gebornen niedergebrannt worden. Und in dem näher Algier zu liegenden Palestro erinnert ein neben der Kirche stehendes Denkmal, das einen Weib und Kind verteidigenden Kolonisten darstellt, nur zu deutlich an die Schreckens¬ tat, daß in demselben Jahre 58 Kolonisten mit Frauen und Kindern, nach¬ dem sie sich drei Tage in einem Gebäude aufs tapferste verteidigt und auf Ehrenwort freien Abzug zugesichert erhalten hatten, erbarmungslos nieder¬ gehauen wurden. Gegenwärtig ducken sich die Kabylen. Die Franzosen machen es genau wie die Römer: das ganze Land wird mit großen und kleinen Festungen überzogen, und es ist kein Zufall, daß diese französischen Forts meist auf den Resten der römischen Kastelle stehn. Heute siud diese Zwing¬ burgen gerade so notwendig wie damals, und die alten Römer haben, das mußten ihnen auch die Franzosen lassen, überall die richtigen Plätze heraus¬ gefunden. So ist denn auch das französische setis eine echte Soldatenstadt so gut wie vormals das römische Sitifis. In der Frühe unter den Palmen und Orangen Bougies dahinfahrend und abends in setis frierend nach einem geheizten Ofen ausschauend — das war der erste der grellen afrikanischen Gegensätze, der- uus recht fühlbar entgegentrat. Von: kalten setis in die heiße Sahara — diesen zweiten sollten wir bald kennen lernen. Heuer! Erinnerung aus dem russischen polizeileben Alexander Andreas von(Fortsetzung) is ich am Ufer stand, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Zäh hatte ich wieder getan! Zum zweitenmal am ersten Tage hatte I ich den Dienst meinem Privatvergnügen geopfert. Es kam mir erst I jetzt zum Bewußtsein, daß ich zwei bis drei Stunden bei den Ssawinskis ! gesessen hatte. So zeigte ich meinen Eifer! So führte ich meine guten t Vorsätze aus und rechtfertigte die günstige Meinung des Aufsehers. Ich sah und horchte umher. Alles still, alles dunkel. Vom Feuerscheine keine Spur mehr. Wohin sollte ich mich wenden? Wo mochte Jegorow sein? Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/300>, abgerufen am 23.11.2024.