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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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fassen, in seiner scharf und reich ausgeprägten hingebenden Persönlichkeit schon
damals ausgeübt. So gelang es ihm durch unablässige Sorgfalt, die Wunden,
die der Krieg dem Bezirk geschlagen hatte, nach Kräften zu lindern. Donnerstag,
den 13. Juni 1667 verschied er im siebzigsten Jahre seines Lebens in Kirch¬
heim. Herzog Eberhard kam selbst mit seinem ganzen Hofstaat von Stuttgart
zur Beerdigung seines treuen Dieners. Eine hohe Gestalt ohne Tadel, voll
Glaubensernst, Glaubeustiefe und Glaubenskraft, dnrch und durch wahr, ein
Mann der That, fest wie Stahl und treu wie Gold, so stand sein Bild vor
den Augen seiner dankbaren Zeitgenossen, und so stehts auch vor der Nachwelt.
Das Gedächtnis an diesen wackern Helden ans dem Hessenlande bleibt mit der
Geschichte Württembergs unzertrennlich verknüpft.




Was uns nicht retten kann!
Öffne Antwort an Herrn Professor Mommsen

le "Nation," das Publikationsorgan des Abgeordneten Barth,
hat einen mit der Überschrift "Was uns noch retten kann" ver¬
sehenen Aufsatz des fünfundachtzigjährigen Professors Mommsen
veröffentlicht, zugleich ist der Aufsatz in der Sonnabend-Morgen-
"nummer der Berliner "Vossischen Zeitung" erschienen, die diese
Publikation als ein politisches Ereignis ersten Ranges feiert. Veröffentlichungen,
von Mommsen ausgehn, sind -- welcher Art auch immer ihr Inhalt sein
möge -- der allgemeinsten Beachtung in: voraus sicher. Der hochbetagte Ge¬
ehrte erfreut sich eiuer meisterhaften Beherrschung der Sprache, bei aller Form-
äewcmdtheit einer großen Sicherheit des Ausdrucks, einer sich dem Lapidnrstil
nähernden Schreibweise. Als ein Mnsterlescstiick für die höhern Gymnasial-
nassen könnte ein solcher Aufsatz ohne weiteres gelten, wenn der Inhalt auf
derselben Höhe stünde wie die Form. Bei allen Fragen, die die Wissenschaft
^rühren, darf Mommsen einen hohen Grad von Autorität für sich in Anspruch
"ebenen, als Politiker streitet er mit Virchow um den Preis der Kurzsichtigkeit.
7^>n Historiker Mommsen ist die bewundernde Anerkennung für bestimmte
Mete seines Forschens ohne jede Einschränkung zu teil geworden, aber sobald
^ seinen Lehrstuhl -- zum Glück nur in seltenen Füllen - dem Tagespolitiker
Abtritt, ruft er statt der Bewunderung Kopfschütteln hervor. Diesem Schicksal
Erfüllt auch der in Rede stehende Aufsatz, dem Mommsen die Überschrift der
^vestenscheu Broschüre aus dem Jahre 1861 gegeben hat
do , in der dieser den
mnaligen Chef des Militärkabinetts, General von Manteuffel, den spätern
Feldmarschall und Statthalter der Reichslande als "den unheilvollen Mann
"l unheilvoller Stellung" bezeichnet hatte. Dies trug ihm eine Duellfordcrnng
Manteuffels. eine schwere Armwundc und ein Mandat für das Abgeordneten¬
haus ein. Nach Königgrätz ist dieser Vorkämpfer der FortschrNtsparte: dann
ans ihr ausgeschieden und einer der Hanptbegründer der natwnawberalen
Partei in Preußen geworden. Hätte Mommsen diesen Verlauf der Dinge be-


fassen, in seiner scharf und reich ausgeprägten hingebenden Persönlichkeit schon
damals ausgeübt. So gelang es ihm durch unablässige Sorgfalt, die Wunden,
die der Krieg dem Bezirk geschlagen hatte, nach Kräften zu lindern. Donnerstag,
den 13. Juni 1667 verschied er im siebzigsten Jahre seines Lebens in Kirch¬
heim. Herzog Eberhard kam selbst mit seinem ganzen Hofstaat von Stuttgart
zur Beerdigung seines treuen Dieners. Eine hohe Gestalt ohne Tadel, voll
Glaubensernst, Glaubeustiefe und Glaubenskraft, dnrch und durch wahr, ein
Mann der That, fest wie Stahl und treu wie Gold, so stand sein Bild vor
den Augen seiner dankbaren Zeitgenossen, und so stehts auch vor der Nachwelt.
Das Gedächtnis an diesen wackern Helden ans dem Hessenlande bleibt mit der
Geschichte Württembergs unzertrennlich verknüpft.




Was uns nicht retten kann!
Öffne Antwort an Herrn Professor Mommsen

le „Nation," das Publikationsorgan des Abgeordneten Barth,
hat einen mit der Überschrift „Was uns noch retten kann" ver¬
sehenen Aufsatz des fünfundachtzigjährigen Professors Mommsen
veröffentlicht, zugleich ist der Aufsatz in der Sonnabend-Morgen-
„nummer der Berliner „Vossischen Zeitung" erschienen, die diese
Publikation als ein politisches Ereignis ersten Ranges feiert. Veröffentlichungen,
von Mommsen ausgehn, sind — welcher Art auch immer ihr Inhalt sein
möge — der allgemeinsten Beachtung in: voraus sicher. Der hochbetagte Ge¬
ehrte erfreut sich eiuer meisterhaften Beherrschung der Sprache, bei aller Form-
äewcmdtheit einer großen Sicherheit des Ausdrucks, einer sich dem Lapidnrstil
nähernden Schreibweise. Als ein Mnsterlescstiick für die höhern Gymnasial-
nassen könnte ein solcher Aufsatz ohne weiteres gelten, wenn der Inhalt auf
derselben Höhe stünde wie die Form. Bei allen Fragen, die die Wissenschaft
^rühren, darf Mommsen einen hohen Grad von Autorität für sich in Anspruch
"ebenen, als Politiker streitet er mit Virchow um den Preis der Kurzsichtigkeit.
7^>n Historiker Mommsen ist die bewundernde Anerkennung für bestimmte
Mete seines Forschens ohne jede Einschränkung zu teil geworden, aber sobald
^ seinen Lehrstuhl — zum Glück nur in seltenen Füllen - dem Tagespolitiker
Abtritt, ruft er statt der Bewunderung Kopfschütteln hervor. Diesem Schicksal
Erfüllt auch der in Rede stehende Aufsatz, dem Mommsen die Überschrift der
^vestenscheu Broschüre aus dem Jahre 1861 gegeben hat
do , in der dieser den
mnaligen Chef des Militärkabinetts, General von Manteuffel, den spätern
Feldmarschall und Statthalter der Reichslande als „den unheilvollen Mann
"l unheilvoller Stellung" bezeichnet hatte. Dies trug ihm eine Duellfordcrnng
Manteuffels. eine schwere Armwundc und ein Mandat für das Abgeordneten¬
haus ein. Nach Königgrätz ist dieser Vorkämpfer der FortschrNtsparte: dann
ans ihr ausgeschieden und einer der Hanptbegründer der natwnawberalen
Partei in Preußen geworden. Hätte Mommsen diesen Verlauf der Dinge be-


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[0673] fassen, in seiner scharf und reich ausgeprägten hingebenden Persönlichkeit schon damals ausgeübt. So gelang es ihm durch unablässige Sorgfalt, die Wunden, die der Krieg dem Bezirk geschlagen hatte, nach Kräften zu lindern. Donnerstag, den 13. Juni 1667 verschied er im siebzigsten Jahre seines Lebens in Kirch¬ heim. Herzog Eberhard kam selbst mit seinem ganzen Hofstaat von Stuttgart zur Beerdigung seines treuen Dieners. Eine hohe Gestalt ohne Tadel, voll Glaubensernst, Glaubeustiefe und Glaubenskraft, dnrch und durch wahr, ein Mann der That, fest wie Stahl und treu wie Gold, so stand sein Bild vor den Augen seiner dankbaren Zeitgenossen, und so stehts auch vor der Nachwelt. Das Gedächtnis an diesen wackern Helden ans dem Hessenlande bleibt mit der Geschichte Württembergs unzertrennlich verknüpft. Was uns nicht retten kann! Öffne Antwort an Herrn Professor Mommsen le „Nation," das Publikationsorgan des Abgeordneten Barth, hat einen mit der Überschrift „Was uns noch retten kann" ver¬ sehenen Aufsatz des fünfundachtzigjährigen Professors Mommsen veröffentlicht, zugleich ist der Aufsatz in der Sonnabend-Morgen- „nummer der Berliner „Vossischen Zeitung" erschienen, die diese Publikation als ein politisches Ereignis ersten Ranges feiert. Veröffentlichungen, von Mommsen ausgehn, sind — welcher Art auch immer ihr Inhalt sein möge — der allgemeinsten Beachtung in: voraus sicher. Der hochbetagte Ge¬ ehrte erfreut sich eiuer meisterhaften Beherrschung der Sprache, bei aller Form- äewcmdtheit einer großen Sicherheit des Ausdrucks, einer sich dem Lapidnrstil nähernden Schreibweise. Als ein Mnsterlescstiick für die höhern Gymnasial- nassen könnte ein solcher Aufsatz ohne weiteres gelten, wenn der Inhalt auf derselben Höhe stünde wie die Form. Bei allen Fragen, die die Wissenschaft ^rühren, darf Mommsen einen hohen Grad von Autorität für sich in Anspruch "ebenen, als Politiker streitet er mit Virchow um den Preis der Kurzsichtigkeit. 7^>n Historiker Mommsen ist die bewundernde Anerkennung für bestimmte Mete seines Forschens ohne jede Einschränkung zu teil geworden, aber sobald ^ seinen Lehrstuhl — zum Glück nur in seltenen Füllen - dem Tagespolitiker Abtritt, ruft er statt der Bewunderung Kopfschütteln hervor. Diesem Schicksal Erfüllt auch der in Rede stehende Aufsatz, dem Mommsen die Überschrift der ^vestenscheu Broschüre aus dem Jahre 1861 gegeben hat do , in der dieser den mnaligen Chef des Militärkabinetts, General von Manteuffel, den spätern Feldmarschall und Statthalter der Reichslande als „den unheilvollen Mann "l unheilvoller Stellung" bezeichnet hatte. Dies trug ihm eine Duellfordcrnng Manteuffels. eine schwere Armwundc und ein Mandat für das Abgeordneten¬ haus ein. Nach Königgrätz ist dieser Vorkämpfer der FortschrNtsparte: dann ans ihr ausgeschieden und einer der Hanptbegründer der natwnawberalen Partei in Preußen geworden. Hätte Mommsen diesen Verlauf der Dinge be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/673>, abgerufen am 01.09.2024.