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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Des Freiherrn Augustin von Mörsperg Bericht

eutlveder weil gerade diese Völker für den Muhammedanismus reif Ware",
oder weil eben diese Religion ihnen Kraft giebt. Aber auch der Muhnmme-
dcmer, er sei schwarz, gelb oder weis;, braucht, um seiner Energie einzuheizen,
den Affekt, besonders den des religiösen Fanatismus, der ansteckend von einem
Menschen zum andern springt. An der faulen Schlaffheit und Thatenlosigkeit
der heutigen Türken sieht mau aber auch, was dieser Affekt nicht kann,
nämlich nicht den verständig nachdenkenden Einzelwillen ersetzen. Der nüchterne
Einzelwille, das ist die Kraft der europäischen Kultur. Aus Hunderttausenden
von solchen Willen besteht der endlose Thatendurst eines Volkes, das sich in
Unternehmungen und Erfindvngen uicht genug thun kann, aus ihnen folgt
die unerschöpfliche Flut "euer fruchtbarer Gedanken. Dem Orientalen sind
die Ruhelosigkeit des Europäers, die beständige Unzufriedenheit mit seiner Lage,
seine zahllosen Bedürfnisse und Wünsche, die Arbeitslust und die Erwerbslust
und die Ausdauer seines Willens, die auch vor den langwierigsten Schwierig¬
keiten nicht müde wird, einfach unheimlich. Er hat nicht den rastlosen Willen
d Georg Schiele es Europäers, fühlt das und fühlt sich unterliegend.




Des Freiherrn Augustin von Mörsperg Bericht
über seinen Besuch bei Tycho de Brahe auf der Insel Homil
Johannes Bärivinkel Mitgeteilt von

er deutsche Malteserritter Freiherr Augustin zu Mörsperg und
Beffort, dessen sehr interessantes, reich mit bildlichen Beigaben aus¬
gestattetes Reisewerk als stattlicher Folioband handschriftlich im
Fürstlichen Landcsarchiv zu Sondershausen liegt und erst 1893,
nachdem es bis dahin als verloren gegolten hatte, von Martin
Wagner wieder ans Licht gezogen wurde (man sehe dessen Aufsatz in den
"Preußischen Jahrbüchern" 1893, Band 73, Heft 3, Seite 484 ff.), kam ans
seiner dritten großen Reise durch die Länder Europas 1592 auch unes Däne¬
mark. Hier besuchte er mit dem jungen Könige Christian, der ihn sehr liebens¬
würdig aufnahm und ihm viel Ehre erwies, auch Thcho de Brahe ("Tnhbrott")
auf seiner Insel Homil (,,Wien") und schildert uns nun ziemlich ausführlich
die vielen Wunder, die er dort zu sehen bekam. Als Nachklang zu der jüngste"
Gedächtnisfeier für den großen Astronomen dürfte es vielleicht nicht uninter¬
essant sein, des vielgereisten Maltesers Bericht über diesen Besuch im Wortlaut
zu hören. Mörsperg war nach einem Aufenthalte von drei Wochen in England
von London über Hamburg nach Holstein zu Herzog Johannes und nach acht¬
tägigen Verweilen am Hofe zu Sonderburg nach Kopenhagen und Krvnenbnrg
gekommen. König Christian weilte aber mit seinen Räten ans seinem Lustschloß
Hirschholm. Als er durch den Gubernator von Krouenburg ,,Stein Mvltzeu"
(Molshcim) dei" Könige seine Empfehlungsschreiben hatte übermitteln lassen,


Des Freiherrn Augustin von Mörsperg Bericht

eutlveder weil gerade diese Völker für den Muhammedanismus reif Ware»,
oder weil eben diese Religion ihnen Kraft giebt. Aber auch der Muhnmme-
dcmer, er sei schwarz, gelb oder weis;, braucht, um seiner Energie einzuheizen,
den Affekt, besonders den des religiösen Fanatismus, der ansteckend von einem
Menschen zum andern springt. An der faulen Schlaffheit und Thatenlosigkeit
der heutigen Türken sieht mau aber auch, was dieser Affekt nicht kann,
nämlich nicht den verständig nachdenkenden Einzelwillen ersetzen. Der nüchterne
Einzelwille, das ist die Kraft der europäischen Kultur. Aus Hunderttausenden
von solchen Willen besteht der endlose Thatendurst eines Volkes, das sich in
Unternehmungen und Erfindvngen uicht genug thun kann, aus ihnen folgt
die unerschöpfliche Flut »euer fruchtbarer Gedanken. Dem Orientalen sind
die Ruhelosigkeit des Europäers, die beständige Unzufriedenheit mit seiner Lage,
seine zahllosen Bedürfnisse und Wünsche, die Arbeitslust und die Erwerbslust
und die Ausdauer seines Willens, die auch vor den langwierigsten Schwierig¬
keiten nicht müde wird, einfach unheimlich. Er hat nicht den rastlosen Willen
d Georg Schiele es Europäers, fühlt das und fühlt sich unterliegend.




Des Freiherrn Augustin von Mörsperg Bericht
über seinen Besuch bei Tycho de Brahe auf der Insel Homil
Johannes Bärivinkel Mitgeteilt von

er deutsche Malteserritter Freiherr Augustin zu Mörsperg und
Beffort, dessen sehr interessantes, reich mit bildlichen Beigaben aus¬
gestattetes Reisewerk als stattlicher Folioband handschriftlich im
Fürstlichen Landcsarchiv zu Sondershausen liegt und erst 1893,
nachdem es bis dahin als verloren gegolten hatte, von Martin
Wagner wieder ans Licht gezogen wurde (man sehe dessen Aufsatz in den
„Preußischen Jahrbüchern" 1893, Band 73, Heft 3, Seite 484 ff.), kam ans
seiner dritten großen Reise durch die Länder Europas 1592 auch unes Däne¬
mark. Hier besuchte er mit dem jungen Könige Christian, der ihn sehr liebens¬
würdig aufnahm und ihm viel Ehre erwies, auch Thcho de Brahe („Tnhbrott")
auf seiner Insel Homil (,,Wien") und schildert uns nun ziemlich ausführlich
die vielen Wunder, die er dort zu sehen bekam. Als Nachklang zu der jüngste»
Gedächtnisfeier für den großen Astronomen dürfte es vielleicht nicht uninter¬
essant sein, des vielgereisten Maltesers Bericht über diesen Besuch im Wortlaut
zu hören. Mörsperg war nach einem Aufenthalte von drei Wochen in England
von London über Hamburg nach Holstein zu Herzog Johannes und nach acht¬
tägigen Verweilen am Hofe zu Sonderburg nach Kopenhagen und Krvnenbnrg
gekommen. König Christian weilte aber mit seinen Räten ans seinem Lustschloß
Hirschholm. Als er durch den Gubernator von Krouenburg ,,Stein Mvltzeu"
(Molshcim) dei» Könige seine Empfehlungsschreiben hatte übermitteln lassen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/100>, abgerufen am 01.09.2024.