Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.Geschwollen landung bis zur Ochsenausfuhr. Arthur Fitger malte im "Saal" einen anti¬ Diese werden den Mann mit dem überquellend warmen Herzen nie ver¬ Geschwollen > er von dem Gefühle der eignen Wichtigkeit, Klugheit oder Schön¬ Was den Ausdruck an sich anlangt, so halten wir ihn bis auf weiteres für Geschwollen landung bis zur Ochsenausfuhr. Arthur Fitger malte im „Saal" einen anti¬ Diese werden den Mann mit dem überquellend warmen Herzen nie ver¬ Geschwollen > er von dem Gefühle der eignen Wichtigkeit, Klugheit oder Schön¬ Was den Ausdruck an sich anlangt, so halten wir ihn bis auf weiteres für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0222" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237508"/> <fw type="header" place="top"> Geschwollen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1126" prev="#ID_1125"> landung bis zur Ochsenausfuhr. Arthur Fitger malte im „Saal" einen anti¬<lb/> kisierenden Plafond und über dem Kamin eine Frau Saga. Der Marschenhof<lb/> mit seinen Sammlungen soll nnn zum Besten der Bevölkerung der Gegeud<lb/> erhalten werden. Auf dem Deich vor seinem Hause hat er eine Nische mit<lb/> einem Mosaikbildnis Karls des Großen aufgestellt. Es war sein Lieblings¬<lb/> gedanke, daß der Frankenkönig bei seinem Heimatsdorfe die Weser überschritten<lb/> habe. Nach den Chronisten soll das bei Alisne geschehn sein; Nechtenfleth<lb/> gegenüber liegt ein altes Dorf Alsen; darin erblickte er Alisne. Er selbst<lb/> mußte freilich später die Berechtigung von Zweifeln zugestehn, denn in dem<lb/> damals noch uneingedeichten Lande konnte kaum ein „Dorf Alisne" liegen.<lb/> Seinen mildthätigen Sinn bekundete Allmers noch in seinem Testament, denn<lb/> von seinem sehr zusammengeschmolzuen Vermögen sind noch Legate für die<lb/> Bedürftigen Rechtenflcths ausgesetzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1127"> Diese werden den Mann mit dem überquellend warmen Herzen nie ver¬<lb/> gessen; der friesische Stamm wird in ihm immer seinen Herold sehen; der<lb/> Same seiner Schriften wird wohl nie üppig ins Kraut schießen, aber auch nie<lb/> untergehn. Untergehn muß das, was von dem lebendigen Menschen untrennbar<lb/> war, und was seine Freunde am allermeisten an ihm schützten: der geist¬<lb/> sprühende Mann, der bezaubernde Gesellschafter, der aus Ulk und Grandezza<lb/><note type="byline"> G. A. v. d. Weser</note> zusammengesetzte Mimikcr. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Geschwollen</head><lb/> <p xml:id="ID_1128"> > er von dem Gefühle der eignen Wichtigkeit, Klugheit oder Schön¬<lb/> heit so durchdrungen ist, daß sich die von ihm dabei erlittne Einbuße<lb/> an geistigem Gleichgewicht eines äußerlich im Ausdruck des Gesichts,<lb/> in der Rede, im Gang oder in der Haltung kundgiebt, ist geschwollen.<lb/> Geschwollensein ist demnach eine Störung des geistigen Gleichgewichts,<lb/> ! ein Pathos, dem jeder ausgesetzt ist; wir werden jedoch als besondre<lb/> Abarten chronisches, berufsmäßiges und dekoratives Geschwollensein unterscheiden<lb/> müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1129" next="#ID_1130"> Was den Ausdruck an sich anlangt, so halten wir ihn bis auf weiteres für<lb/> hyperbolisch, da wir trotz aufmerksamer Beobachtung ein körperliches Anschwellen<lb/> der Befallnen in keinem Falle wahrgenommen haben. Die verminderte Grazie und<lb/> Beweglichkeit, die das Geschwvllensein der Natur der Sache nach im Gefolge hat,<lb/> können leicht das Vvlksauge getäuscht haben und ihm als körperliches Anschwellen<lb/> erschienen sein. Zudem liegt es auf der Hand, daß eupeptische, behäbige, mit<lb/> sich selbst und mit der Welt zufriedne Leute, die gut bei Leibe zu sein Pflegen,<lb/> und zu denen schon Julius Cäsar berechtigtes Vertrauen hatte, dem Geschwollensein<lb/> mehr ausgesetzt sind als magere, grätige Geschöpfe, die obendrein — ein Raffinement<lb/> von Selbstbeherrschung und Tücke — es verstehn sollen, in heimlicher, das heißt<lb/> äußerlich nicht wahrnehmbarer Weise geschwollen zu sein. Da demnach die äußern<lb/> Symptome des Geschwvlleuseins leicht irre führen können, und man bei oberfläch¬<lb/> licher Beobachtung einen Mann für „geschwollen" halten könnte, dessen Beweglich¬<lb/> keit nur durch zu schweres Blut oder Fettleibigkeit beeinträchtigt wird, so empfiehlt<lb/> es sich, das Wort „geschwollen" mit dem Hilfszeitwort sein nur zu gebrauchen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0222]
Geschwollen
landung bis zur Ochsenausfuhr. Arthur Fitger malte im „Saal" einen anti¬
kisierenden Plafond und über dem Kamin eine Frau Saga. Der Marschenhof
mit seinen Sammlungen soll nnn zum Besten der Bevölkerung der Gegeud
erhalten werden. Auf dem Deich vor seinem Hause hat er eine Nische mit
einem Mosaikbildnis Karls des Großen aufgestellt. Es war sein Lieblings¬
gedanke, daß der Frankenkönig bei seinem Heimatsdorfe die Weser überschritten
habe. Nach den Chronisten soll das bei Alisne geschehn sein; Nechtenfleth
gegenüber liegt ein altes Dorf Alsen; darin erblickte er Alisne. Er selbst
mußte freilich später die Berechtigung von Zweifeln zugestehn, denn in dem
damals noch uneingedeichten Lande konnte kaum ein „Dorf Alisne" liegen.
Seinen mildthätigen Sinn bekundete Allmers noch in seinem Testament, denn
von seinem sehr zusammengeschmolzuen Vermögen sind noch Legate für die
Bedürftigen Rechtenflcths ausgesetzt.
Diese werden den Mann mit dem überquellend warmen Herzen nie ver¬
gessen; der friesische Stamm wird in ihm immer seinen Herold sehen; der
Same seiner Schriften wird wohl nie üppig ins Kraut schießen, aber auch nie
untergehn. Untergehn muß das, was von dem lebendigen Menschen untrennbar
war, und was seine Freunde am allermeisten an ihm schützten: der geist¬
sprühende Mann, der bezaubernde Gesellschafter, der aus Ulk und Grandezza
G. A. v. d. Weser zusammengesetzte Mimikcr.
Geschwollen
> er von dem Gefühle der eignen Wichtigkeit, Klugheit oder Schön¬
heit so durchdrungen ist, daß sich die von ihm dabei erlittne Einbuße
an geistigem Gleichgewicht eines äußerlich im Ausdruck des Gesichts,
in der Rede, im Gang oder in der Haltung kundgiebt, ist geschwollen.
Geschwollensein ist demnach eine Störung des geistigen Gleichgewichts,
! ein Pathos, dem jeder ausgesetzt ist; wir werden jedoch als besondre
Abarten chronisches, berufsmäßiges und dekoratives Geschwollensein unterscheiden
müssen.
Was den Ausdruck an sich anlangt, so halten wir ihn bis auf weiteres für
hyperbolisch, da wir trotz aufmerksamer Beobachtung ein körperliches Anschwellen
der Befallnen in keinem Falle wahrgenommen haben. Die verminderte Grazie und
Beweglichkeit, die das Geschwvllensein der Natur der Sache nach im Gefolge hat,
können leicht das Vvlksauge getäuscht haben und ihm als körperliches Anschwellen
erschienen sein. Zudem liegt es auf der Hand, daß eupeptische, behäbige, mit
sich selbst und mit der Welt zufriedne Leute, die gut bei Leibe zu sein Pflegen,
und zu denen schon Julius Cäsar berechtigtes Vertrauen hatte, dem Geschwollensein
mehr ausgesetzt sind als magere, grätige Geschöpfe, die obendrein — ein Raffinement
von Selbstbeherrschung und Tücke — es verstehn sollen, in heimlicher, das heißt
äußerlich nicht wahrnehmbarer Weise geschwollen zu sein. Da demnach die äußern
Symptome des Geschwvlleuseins leicht irre führen können, und man bei oberfläch¬
licher Beobachtung einen Mann für „geschwollen" halten könnte, dessen Beweglich¬
keit nur durch zu schweres Blut oder Fettleibigkeit beeinträchtigt wird, so empfiehlt
es sich, das Wort „geschwollen" mit dem Hilfszeitwort sein nur zu gebrauchen,
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