Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.Das Reich und das Reichsland im Reichstage ohne Widerspruch erklaren, es werde in Zukunft niemand ein¬ Von einem ganz andern Standpunkt aus hat Treitschke schon im Jahre Glücklicherweise ist nicht zu befürchten, daß jemals ein Hohenzoller aus 4 Manche Politiker haben die Schwierigkeiten, die der Gründung eiuer Grenzboten IV 1901 35
Das Reich und das Reichsland im Reichstage ohne Widerspruch erklaren, es werde in Zukunft niemand ein¬ Von einem ganz andern Standpunkt aus hat Treitschke schon im Jahre Glücklicherweise ist nicht zu befürchten, daß jemals ein Hohenzoller aus 4 Manche Politiker haben die Schwierigkeiten, die der Gründung eiuer Grenzboten IV 1901 35
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Das Reich und das Reichsland
im Reichstage ohne Widerspruch erklaren, es werde in Zukunft niemand ein¬
fallen, die Ausübung der Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen dem Kaiser
dnrch ein Neichsgcsetz wieder zu entziehn. Desgleichen äußerte der Ab¬
geordnete Duncker in der Neichstagssitzung vom 22. Mai 1871, es werde
kaum irgend jemand daran denken, dem Staate Elsaß-Lothringen einmal
eine selbständige Dynastie zu geben. Inzwischen haben sich aber doch einige
Elsaß-Lothringer gefunden, die sich mit dem utopischen Gedanken tragen,
eine besondre Dynastie im Reichslande einzusetzen, die an der Stelle des
Kaisers die Regierung führen soll. Die Zahl dieser Doktrinäre ist allerdings
sehr gering. Sie würden außerdem sofort in heftige Fehde unter sich geraten,
wenn einmal die Fragen entschieden werden müßten, ob eine katholische oder
eine protestantische Dynastie im jetzigen Reichslande herrschen, und aus welcher
Familie des Gothaischen Hofkalenders der neue Bundesfürst ausgewühlt
werden solle. Die große Mehrzahl der Elsaß-Lothringer will kein besondres
Fürstenhaus in Straßburg haben. Schon die nüchterne Erwägung, daß der
neue Großherzog von Elsaß-Lothringen unter Berufung auf seinen Karlsruher
Kollege« wahrscheinlich fünfmal so viel Repräsentationskosten beanspruchen
würde, als der jetzige Statthalter bezieht, genügt, jede Begeisterung für eine
so kostspielige und unnötige Neuerung im Keime zu ersticken.
Von einem ganz andern Standpunkt aus hat Treitschke schon im Jahre
1871 deu Plan einer selbständigen Monarchie in Elsaß-Lothringen verworfen.
„Wir kämpfen seit Jahren in harter Arbeit um Deutschlands Einheit; wir
haben in diesem Jahrhundert Hunderte von deutschen Kleinstaaten zusammen¬
brechen sehen; nur sind jetzt gesonnen, die wenigen Staaten, die noch geblieben
sind, als Männer von rechtlichem Sinn zu achten und zu schonen, weil sie
nicht mehr imstande sind, der Macht des Deutschen Reichs geradezu verderblich
zu werden. Aber einen neuen Staat zu schaffen zu der nur allzu großen
Zahl, die noch besteht, jetzt da wir hart am Werke sind, die deutsche Zer¬
splitterung zu verringern, ans drei Departements, die niemals in ihrer Ge¬
schichte ein Staat waren, einen Staat neu zu bilden, einen neuen halbdentschen
Partikulcirismus an der hart gefährdeten Grenze groß zu ziehn, das würde ich
nennen einen Schlag führen in unser eignes Angesicht." — Diese Worte haben
noch dadurch eine besondre Bedeutung erlangt, daß der Präsident des Bundes¬
kanzleramts, Stnatsminister Delbrück, sie ausdrücklich gebilligt und bestätigt hat.
Glücklicherweise ist nicht zu befürchten, daß jemals ein Hohenzoller aus
zarter Rücksicht auf pnrtikulnristische Bestrebungen oder aus sentimentaler Für¬
sorge für fürstliche Verwandte das Pntrimoninm seiner Väter vermindern werde.
Über den Traum eiuer selbständigen Herrscherdynastie in Elsaß-Lothringen
können wir ruhig zur Tagesordnung übergehn.
4
Manche Politiker haben die Schwierigkeiten, die der Gründung eiuer
neuen Dynastie in Elsaß-Lothringen entgegenstehn, dadurch zu beseitigen ge-
Grenzboten IV 1901 35
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