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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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das Rechte trifft, hat wohl ohne Frage bisher das Jahr 1300 nicht dein Jahr¬
hundert des Rokoko, sondern dem des Dampfes Ungerechnet, das Jahr 1700 dem
achtzehnten, 1600 dem Jahrhundert des Dreißigjährigen Kriegs und 1500 dem
der Reformation. In dieser Gewöhnung störte ihn der Zweifel, ob am 1. Januar
1500 nicht 1S00, sondern erst l499 Jahre seit dem angenommnen Datum der
Geburt Christi vergangen seien, ganz und gar nicht. Bet dem zornigen Eifer,
mit dem redliche Gemüter ans beiden Seiten die Frage erörterte", hatte unverkennbar
der eben gekennzeichnete Popanz wieder einmal die Hand im Spiele. Jede Auf¬
regung über das neue Jahrhundert ist eine Aufregung über unser eignes Phantasie-
gebilde; sie gemahnt insofern an Wagners zärtliche Gefühle für seinen Homunkulus
und kaun sich deun freilich auch auf des Mephistopheles spöttische Rechtfertigung
berufen: Am Ende hängen wir doch ab von Kreaturen, die wir machten.


Von der Lotterie.

Nachdem sich der deutsche Philister, dank der Weisheit
und Gefälligkeit unsrer Justiz und Polizei, wochenlang an einem großen Spieler-
prvzeß delektiert hat, der ihm die reizendsten Einblicke ins biAb lito eröffnete, wird
ihm jetzt Gelegenheit geboten, sich mit deutscher Gründlichkeit über Natur und
Geschichte, Philosophie und Technik des Glückspiels zu unterrichten. Dr. Rudolf
Sieghart hat (im Manzschen Hofverlag zu Wien, 1899) ein dickes Buch heraus¬
gegeben über Die öffentlichen Glückspiele, mit besondrer Berücksichtigung
der österreichischen, das mit dem ganzen historischen, urkundlichen und statistischen
Rüstzeug moderner Gelehrsamkeit ausgestattet, aber trotzdem genießbar ist. Zunächst
erfahren wir daraus, daß die alten Römer das Glückspiel streng verpönt und etwas
unsrer Lotterie ähnliches nicht gekannt haben, daß es dagegen die christlichen
Kanonisten für erlaubt und bedingungsweise nützlich erklären, was ohne Zweifel
seine Ausbreitung in der modernen Welt mit verschuldet hat. Unter den Quellen
hat der Verfasser eine Arbeit von Ludwig Zdekaner im Jahrgang 1887 des ^lebivio
Storieo Italmuo übersehen. Dieser Gelehrte veröffentlicht da eine Reihe von Ver¬
ordnungen der Regierungen von Florenz und Siena aus dem dreizehnten Jahr¬
hundert, die uicht allein ihrer naiven Sprache wegen lustig zu lesen, sondern auch
deswegen belehrend sind, weil sie zeigen, wie die Obrigkeiten durch den Zwang der
Thatsachen aus Bekämpfen, in Ausbeuter des Glückspiels verwandelt wurden. Aller¬
dings handelte es sich dabei noch nicht um Lotterien, sondern nur ums Würfel¬
spiel. Die Staatslvtterien verdanken den Finanznöten der Regierungen ihren
Ursprung. Insbesondre gilt dies vom österreichischen Staate, der bis ans den
heutigen Tag mit einer größern Zahl und Mannigfaltigkeit von öffentlichen und
Privatlotterien gesegnet ist, als irgend ein andrer Staat. Neu wird fast allen
Lesern der Nachweis sein, daß und wie die Gründung der österreichischen Staats¬
lotterien mit dem Merkantilismus zusammenhängt. Zunächst gebot die merkantilistische
Staatsweisheit, dem Spiel in auswärtigen Lotterien zu wehren, damit nicht Geld
ins Anstand abfließe. Dann aber hatte dieselbe Weisheit Industrien gezüchtet, für
deren Erzeugnisse es keinen Absatzmarkt gab. Diesen sollte die im Jahre 1719
gegründete Orientalische Kompagnie, und ihr wiederum sollte eine Lotterie das
Kapital schaffen; aber die Lotterie verkrachte, und die Kompagnie mit ihr. Etwas
bessern Erfolg hatten die Silber- und Porzellanglückshäfeu, mit denen man die
unabsetzbaren Waren unmittelbar an den Mann zu bringen suchte. Die Ansicht,
daß die preußische Klassenlotterie unschädlicher sei als das österreichische Zahleulotto,
bekämpft Sieghart ganz entschieden. Die Absicht, durch den hohen Preis der Lose
das Spiel uns die wohlhabenden Klassen zu beschränken, werde durch die Zer¬
stücklung der Lose und durch das Gesellschaftsspiel vereitelt. So wirke die Lotterie
der sozial ausgleichenden Bildung kleiner Spnrkapitalien entgegen, und der Staat
befllrdre die verderbliche Vermögensungleichheit, indem er wenige auf Kosten vieler


das Rechte trifft, hat wohl ohne Frage bisher das Jahr 1300 nicht dein Jahr¬
hundert des Rokoko, sondern dem des Dampfes Ungerechnet, das Jahr 1700 dem
achtzehnten, 1600 dem Jahrhundert des Dreißigjährigen Kriegs und 1500 dem
der Reformation. In dieser Gewöhnung störte ihn der Zweifel, ob am 1. Januar
1500 nicht 1S00, sondern erst l499 Jahre seit dem angenommnen Datum der
Geburt Christi vergangen seien, ganz und gar nicht. Bet dem zornigen Eifer,
mit dem redliche Gemüter ans beiden Seiten die Frage erörterte», hatte unverkennbar
der eben gekennzeichnete Popanz wieder einmal die Hand im Spiele. Jede Auf¬
regung über das neue Jahrhundert ist eine Aufregung über unser eignes Phantasie-
gebilde; sie gemahnt insofern an Wagners zärtliche Gefühle für seinen Homunkulus
und kaun sich deun freilich auch auf des Mephistopheles spöttische Rechtfertigung
berufen: Am Ende hängen wir doch ab von Kreaturen, die wir machten.


Von der Lotterie.

Nachdem sich der deutsche Philister, dank der Weisheit
und Gefälligkeit unsrer Justiz und Polizei, wochenlang an einem großen Spieler-
prvzeß delektiert hat, der ihm die reizendsten Einblicke ins biAb lito eröffnete, wird
ihm jetzt Gelegenheit geboten, sich mit deutscher Gründlichkeit über Natur und
Geschichte, Philosophie und Technik des Glückspiels zu unterrichten. Dr. Rudolf
Sieghart hat (im Manzschen Hofverlag zu Wien, 1899) ein dickes Buch heraus¬
gegeben über Die öffentlichen Glückspiele, mit besondrer Berücksichtigung
der österreichischen, das mit dem ganzen historischen, urkundlichen und statistischen
Rüstzeug moderner Gelehrsamkeit ausgestattet, aber trotzdem genießbar ist. Zunächst
erfahren wir daraus, daß die alten Römer das Glückspiel streng verpönt und etwas
unsrer Lotterie ähnliches nicht gekannt haben, daß es dagegen die christlichen
Kanonisten für erlaubt und bedingungsweise nützlich erklären, was ohne Zweifel
seine Ausbreitung in der modernen Welt mit verschuldet hat. Unter den Quellen
hat der Verfasser eine Arbeit von Ludwig Zdekaner im Jahrgang 1887 des ^lebivio
Storieo Italmuo übersehen. Dieser Gelehrte veröffentlicht da eine Reihe von Ver¬
ordnungen der Regierungen von Florenz und Siena aus dem dreizehnten Jahr¬
hundert, die uicht allein ihrer naiven Sprache wegen lustig zu lesen, sondern auch
deswegen belehrend sind, weil sie zeigen, wie die Obrigkeiten durch den Zwang der
Thatsachen aus Bekämpfen, in Ausbeuter des Glückspiels verwandelt wurden. Aller¬
dings handelte es sich dabei noch nicht um Lotterien, sondern nur ums Würfel¬
spiel. Die Staatslvtterien verdanken den Finanznöten der Regierungen ihren
Ursprung. Insbesondre gilt dies vom österreichischen Staate, der bis ans den
heutigen Tag mit einer größern Zahl und Mannigfaltigkeit von öffentlichen und
Privatlotterien gesegnet ist, als irgend ein andrer Staat. Neu wird fast allen
Lesern der Nachweis sein, daß und wie die Gründung der österreichischen Staats¬
lotterien mit dem Merkantilismus zusammenhängt. Zunächst gebot die merkantilistische
Staatsweisheit, dem Spiel in auswärtigen Lotterien zu wehren, damit nicht Geld
ins Anstand abfließe. Dann aber hatte dieselbe Weisheit Industrien gezüchtet, für
deren Erzeugnisse es keinen Absatzmarkt gab. Diesen sollte die im Jahre 1719
gegründete Orientalische Kompagnie, und ihr wiederum sollte eine Lotterie das
Kapital schaffen; aber die Lotterie verkrachte, und die Kompagnie mit ihr. Etwas
bessern Erfolg hatten die Silber- und Porzellanglückshäfeu, mit denen man die
unabsetzbaren Waren unmittelbar an den Mann zu bringen suchte. Die Ansicht,
daß die preußische Klassenlotterie unschädlicher sei als das österreichische Zahleulotto,
bekämpft Sieghart ganz entschieden. Die Absicht, durch den hohen Preis der Lose
das Spiel uns die wohlhabenden Klassen zu beschränken, werde durch die Zer¬
stücklung der Lose und durch das Gesellschaftsspiel vereitelt. So wirke die Lotterie
der sozial ausgleichenden Bildung kleiner Spnrkapitalien entgegen, und der Staat
befllrdre die verderbliche Vermögensungleichheit, indem er wenige auf Kosten vieler


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[0058] das Rechte trifft, hat wohl ohne Frage bisher das Jahr 1300 nicht dein Jahr¬ hundert des Rokoko, sondern dem des Dampfes Ungerechnet, das Jahr 1700 dem achtzehnten, 1600 dem Jahrhundert des Dreißigjährigen Kriegs und 1500 dem der Reformation. In dieser Gewöhnung störte ihn der Zweifel, ob am 1. Januar 1500 nicht 1S00, sondern erst l499 Jahre seit dem angenommnen Datum der Geburt Christi vergangen seien, ganz und gar nicht. Bet dem zornigen Eifer, mit dem redliche Gemüter ans beiden Seiten die Frage erörterte», hatte unverkennbar der eben gekennzeichnete Popanz wieder einmal die Hand im Spiele. Jede Auf¬ regung über das neue Jahrhundert ist eine Aufregung über unser eignes Phantasie- gebilde; sie gemahnt insofern an Wagners zärtliche Gefühle für seinen Homunkulus und kaun sich deun freilich auch auf des Mephistopheles spöttische Rechtfertigung berufen: Am Ende hängen wir doch ab von Kreaturen, die wir machten. Von der Lotterie. Nachdem sich der deutsche Philister, dank der Weisheit und Gefälligkeit unsrer Justiz und Polizei, wochenlang an einem großen Spieler- prvzeß delektiert hat, der ihm die reizendsten Einblicke ins biAb lito eröffnete, wird ihm jetzt Gelegenheit geboten, sich mit deutscher Gründlichkeit über Natur und Geschichte, Philosophie und Technik des Glückspiels zu unterrichten. Dr. Rudolf Sieghart hat (im Manzschen Hofverlag zu Wien, 1899) ein dickes Buch heraus¬ gegeben über Die öffentlichen Glückspiele, mit besondrer Berücksichtigung der österreichischen, das mit dem ganzen historischen, urkundlichen und statistischen Rüstzeug moderner Gelehrsamkeit ausgestattet, aber trotzdem genießbar ist. Zunächst erfahren wir daraus, daß die alten Römer das Glückspiel streng verpönt und etwas unsrer Lotterie ähnliches nicht gekannt haben, daß es dagegen die christlichen Kanonisten für erlaubt und bedingungsweise nützlich erklären, was ohne Zweifel seine Ausbreitung in der modernen Welt mit verschuldet hat. Unter den Quellen hat der Verfasser eine Arbeit von Ludwig Zdekaner im Jahrgang 1887 des ^lebivio Storieo Italmuo übersehen. Dieser Gelehrte veröffentlicht da eine Reihe von Ver¬ ordnungen der Regierungen von Florenz und Siena aus dem dreizehnten Jahr¬ hundert, die uicht allein ihrer naiven Sprache wegen lustig zu lesen, sondern auch deswegen belehrend sind, weil sie zeigen, wie die Obrigkeiten durch den Zwang der Thatsachen aus Bekämpfen, in Ausbeuter des Glückspiels verwandelt wurden. Aller¬ dings handelte es sich dabei noch nicht um Lotterien, sondern nur ums Würfel¬ spiel. Die Staatslvtterien verdanken den Finanznöten der Regierungen ihren Ursprung. Insbesondre gilt dies vom österreichischen Staate, der bis ans den heutigen Tag mit einer größern Zahl und Mannigfaltigkeit von öffentlichen und Privatlotterien gesegnet ist, als irgend ein andrer Staat. Neu wird fast allen Lesern der Nachweis sein, daß und wie die Gründung der österreichischen Staats¬ lotterien mit dem Merkantilismus zusammenhängt. Zunächst gebot die merkantilistische Staatsweisheit, dem Spiel in auswärtigen Lotterien zu wehren, damit nicht Geld ins Anstand abfließe. Dann aber hatte dieselbe Weisheit Industrien gezüchtet, für deren Erzeugnisse es keinen Absatzmarkt gab. Diesen sollte die im Jahre 1719 gegründete Orientalische Kompagnie, und ihr wiederum sollte eine Lotterie das Kapital schaffen; aber die Lotterie verkrachte, und die Kompagnie mit ihr. Etwas bessern Erfolg hatten die Silber- und Porzellanglückshäfeu, mit denen man die unabsetzbaren Waren unmittelbar an den Mann zu bringen suchte. Die Ansicht, daß die preußische Klassenlotterie unschädlicher sei als das österreichische Zahleulotto, bekämpft Sieghart ganz entschieden. Die Absicht, durch den hohen Preis der Lose das Spiel uns die wohlhabenden Klassen zu beschränken, werde durch die Zer¬ stücklung der Lose und durch das Gesellschaftsspiel vereitelt. So wirke die Lotterie der sozial ausgleichenden Bildung kleiner Spnrkapitalien entgegen, und der Staat befllrdre die verderbliche Vermögensungleichheit, indem er wenige auf Kosten vieler

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/58>, abgerufen am 27.06.2024.