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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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wir, daß das Unternehmen, wie es bisher zur Förderung der deutschen Inter¬
essen diesseits und jenseits der Meere das Seine beigetragen hat, auch fernerhin
dem großen deutschen Vaterlande zum Nutzen wirkt.

Zum Schlüsse mag hier noch bemerkt werden, daß gegenwärtig zwischen
der zuständigen Reichsbehörde und dem Norddeutschen Lloyd Verhandlungen
über die Einbeziehung der neusten deutschen Kolonien in das Netz der Reichs-
postdampferlinien gepflogen werden. Sichere Angaben über das Ergebnis
dieser Verhandlungen lassen sich gegenwärtig noch nicht machen.




Hilty
(Schluß)

cum sich der Erkenntnis des Menschen die Pforte zum Paradies
des Glücks schon erschlossen hat, so zögert doch oft noch sein
Wille, einzutreten. Unter anderm sind es zwei Höllenhunde, die
ihn zurückschrecken: Schuld und Sorge. Das ist richtig, und
richtig ist auch alles, was Hilty gegen die Leugner der Pflicht
und der Schuld sagt und gegen das thörichte Beginnen derer, die gegen Gott
und seine sittliche Weltordnung prometheisch Krieg führen wollen; um das anzu¬
erkennen, braucht man gar kein Christ zu sein, beruht ja doch die antike Tragödie
auf der Überzeugung: alle Schuld rächt sich auf Erden. Aber die beiden Rat¬
schläge, die er wegen der Schuld giebt: laß die Schuld nicht entstehn, ist sie
aber entstanden, so befreie dich von ihr um jeden Preis -- diese beiden Rat¬
schläge sind nur in vereinzelten Füllen ausführbar. Für Unzählige -- man
denke nur an die Kinder schlechter Eltern und an die Kinder der Gosse, die
gar keine Eltern kennen -- gilt wirklich das Lied des Harfners: "Ihr führt
ins Leben uns hinein, ihr laßt den Armen schuldig werden, dann überlaßt ihr
ihn der Pein"; und auch nach einer glücklichern Jugend sieht sich mancher
plötzlich in Schuld verstrickt, ohne recht zu wissen, wie er hineingeraten ist,
und ohne daß er hätte vorbeugen können. Sehr viele kommen hier überhaupt
nicht in Betracht, weil sie keine Naturanlage für ein höheres Leben haben.
Dahin gehören die gebornen Verbrecher, deren Dasein Hilty freilich leugnet;
aber es giebt wirklich solche, wie es ja auch geborne Krüppel und Blödsinnige
giebt; es wäre, selbst wenn die Erfahrung fehlte, nicht einzusehen, warum nicht
ebenso gut wie ein Glied, ein leiblicher Sinn oder der Verstand, auch der
moralische Sinn manchen Menschen von Geburt fehlen sollte. Dann die Blöd¬
sinnigen und die sehr Dummen, bei denen man zudem sagen muß, daß sie sich
keine Schuld zuziehn können, daher auch keine los zu werden brauchen. Endlich
die ganz rohen Naturen; wollte man einem Börsenjobber gewöhnlichen Kalibers,


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wir, daß das Unternehmen, wie es bisher zur Förderung der deutschen Inter¬
essen diesseits und jenseits der Meere das Seine beigetragen hat, auch fernerhin
dem großen deutschen Vaterlande zum Nutzen wirkt.

Zum Schlüsse mag hier noch bemerkt werden, daß gegenwärtig zwischen
der zuständigen Reichsbehörde und dem Norddeutschen Lloyd Verhandlungen
über die Einbeziehung der neusten deutschen Kolonien in das Netz der Reichs-
postdampferlinien gepflogen werden. Sichere Angaben über das Ergebnis
dieser Verhandlungen lassen sich gegenwärtig noch nicht machen.




Hilty
(Schluß)

cum sich der Erkenntnis des Menschen die Pforte zum Paradies
des Glücks schon erschlossen hat, so zögert doch oft noch sein
Wille, einzutreten. Unter anderm sind es zwei Höllenhunde, die
ihn zurückschrecken: Schuld und Sorge. Das ist richtig, und
richtig ist auch alles, was Hilty gegen die Leugner der Pflicht
und der Schuld sagt und gegen das thörichte Beginnen derer, die gegen Gott
und seine sittliche Weltordnung prometheisch Krieg führen wollen; um das anzu¬
erkennen, braucht man gar kein Christ zu sein, beruht ja doch die antike Tragödie
auf der Überzeugung: alle Schuld rächt sich auf Erden. Aber die beiden Rat¬
schläge, die er wegen der Schuld giebt: laß die Schuld nicht entstehn, ist sie
aber entstanden, so befreie dich von ihr um jeden Preis — diese beiden Rat¬
schläge sind nur in vereinzelten Füllen ausführbar. Für Unzählige — man
denke nur an die Kinder schlechter Eltern und an die Kinder der Gosse, die
gar keine Eltern kennen — gilt wirklich das Lied des Harfners: „Ihr führt
ins Leben uns hinein, ihr laßt den Armen schuldig werden, dann überlaßt ihr
ihn der Pein"; und auch nach einer glücklichern Jugend sieht sich mancher
plötzlich in Schuld verstrickt, ohne recht zu wissen, wie er hineingeraten ist,
und ohne daß er hätte vorbeugen können. Sehr viele kommen hier überhaupt
nicht in Betracht, weil sie keine Naturanlage für ein höheres Leben haben.
Dahin gehören die gebornen Verbrecher, deren Dasein Hilty freilich leugnet;
aber es giebt wirklich solche, wie es ja auch geborne Krüppel und Blödsinnige
giebt; es wäre, selbst wenn die Erfahrung fehlte, nicht einzusehen, warum nicht
ebenso gut wie ein Glied, ein leiblicher Sinn oder der Verstand, auch der
moralische Sinn manchen Menschen von Geburt fehlen sollte. Dann die Blöd¬
sinnigen und die sehr Dummen, bei denen man zudem sagen muß, daß sie sich
keine Schuld zuziehn können, daher auch keine los zu werden brauchen. Endlich
die ganz rohen Naturen; wollte man einem Börsenjobber gewöhnlichen Kalibers,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/130>, abgerufen am 22.07.2024.