Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.Litteratur doch im ganzen nur als phantastische Spielerei bezeichnet werden können, und die Litteratur Georg der Bärtige. Sein Leben und Wirken. Von H. Freiherrn von Weint. Braun¬ Über Georg den Bärtigen, den bekannten aber viel verkannten Gegner Luthers, Dazu kommt, daß durch die Benutzung älterer Darstellungen auch sachlich Un¬ Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Litteratur doch im ganzen nur als phantastische Spielerei bezeichnet werden können, und die Litteratur Georg der Bärtige. Sein Leben und Wirken. Von H. Freiherrn von Weint. Braun¬ Über Georg den Bärtigen, den bekannten aber viel verkannten Gegner Luthers, Dazu kommt, daß durch die Benutzung älterer Darstellungen auch sachlich Un¬ Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0112" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232664"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_325" prev="#ID_324"> doch im ganzen nur als phantastische Spielerei bezeichnet werden können, und die<lb/> noch dazu eine bedenkliche Annäherung an den Okkultismus verraten; in die heutige<lb/> „Astrophysik" gehören nun einmal keine Engel und Erzengel. — Ob das Buch:<lb/> Geist und Stoff, Erläuterungen des Verhältnisses zwischen Welt und Mensch nach<lb/> dem Zeugnis der Organismen von Wilhelm H. Preuß (Oldenburg, Schulzische<lb/> Hofbnchhnndlung, 1899) der wissenschaftlichen oder der phantastischen Litteratur<lb/> einzureihen sei, wagen wir uicht zu entscheiden. Der Verfasser ist Landwirtschafts¬<lb/> lehrer gewesen, hat sich als solcher natürlich viel mit Biologie beschäftigt und widmet<lb/> sich jetzt astronomischen Studien. Er führt in diesem Buche den Fechnerschen Ge¬<lb/> danken durch, daß das Organische das Ursprüngliche in der Welt, das Unorganische<lb/> nur ein Niederschlag des organischen Lebensprozesses sei. Auch bet der Entstehung<lb/> der Arten stellt er die herrschende Entwicklungstheorie ans den Kopf, indem er die<lb/> Menschen, allerdings in einer sozusagen embrhonaleu Gestalt, vor den Tieren ent¬<lb/> standen sein läßt. Viel Gelehrsamkeit steckt in dem Buche, und manches von dem,<lb/> was darin gegen den Darwinismus gesagt wird, verdient Beachtung. Auch liest<lb/> es sich angenehm und hat eine zweite, durch Nachträge vermehrte Auflage erlebt;<lb/> von dieser liegt uns eben ein Exemplar vor.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Litteratur</head><lb/> <p xml:id="ID_326"> Georg der Bärtige. Sein Leben und Wirken. Von H. Freiherrn von Weint. Braun¬<lb/> schweig, Nich. Sattler, 1900</p><lb/> <p xml:id="ID_327"> Über Georg den Bärtigen, den bekannten aber viel verkannten Gegner Luthers,<lb/> der als ein ebenso- überzeugter Katholik wie überzeugter Förderer einer sittlichen<lb/> Erneuerung der Kirche eine der tragischen Gestalten der Reformationszeit ist, fehlte<lb/> bis jetzt eine gute und erschöpfende Biographie, die dieser Mann gewiß verdiente;<lb/> aber das vorliegende Buch, das dem Herzog eine durchaus gerechte Beurteilung<lb/> widerfahren läßt, kann doch auch nur als eine Vorarbeit zu einer abschließenden<lb/> Biographie angesehen werden. Der Verfasser hat wohl den fleißigen Sammeleifer<lb/> des Chronisten, aber nicht die Kraft zu zusammenfassender Darstellung, deren der<lb/> Historiker bedarf. Ohne Höhepunkte, ohne plastisches Hervortreten des Wichtigen<lb/> und Charakteristischen läuft die Erzählung hin, bald sich popnlcir ausbreitend, bald<lb/> als bekannt oder nicht hergehörig betrachtend, was man gern geschildert sähe. Der<lb/> Hauptmangel des Buches liegt in der wenig geschickten Form der Darstellung: ein<lb/> häusiger zweckloser Tempuswechsel mit sonderbar häufigem Gebrauch des Präsens,<lb/> der Wechsel zwischen genauster Datenangabc mit buchstäblichem Quelleuzitieren und<lb/> der entgegengesetzten Methode, das lose Aneinanderreihen von Briefsteller, das<lb/> zuweilen die selbständige Erzählung fast ganz verdrängt — alles das schadet dem<lb/> Eindruck des Buches sehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_328"> Dazu kommt, daß durch die Benutzung älterer Darstellungen auch sachlich Un¬<lb/> richtiges Aufnahme gefunden hat. So weiß man jetzt, daß Luthers Dresdner<lb/> Predigt (S. KV) in den Juli 1518 gehört, und die Hinrichtung des Buchhändlers<lb/> Hergott (S. 151) in das Jahr 1527. Sehr mißverständliche Ausdrücke sind es<lb/> anch, wenn es S. 59 heißt, daß Erzbischof Albrecht „ein sehr hohes ?-Mum an<lb/> den Papst habe zahlen müssen," und wenn S. 127 von dem „kaiserlichen Rat"<lb/> Ccunpeggio gesprochen wird.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0112]
Litteratur
doch im ganzen nur als phantastische Spielerei bezeichnet werden können, und die
noch dazu eine bedenkliche Annäherung an den Okkultismus verraten; in die heutige
„Astrophysik" gehören nun einmal keine Engel und Erzengel. — Ob das Buch:
Geist und Stoff, Erläuterungen des Verhältnisses zwischen Welt und Mensch nach
dem Zeugnis der Organismen von Wilhelm H. Preuß (Oldenburg, Schulzische
Hofbnchhnndlung, 1899) der wissenschaftlichen oder der phantastischen Litteratur
einzureihen sei, wagen wir uicht zu entscheiden. Der Verfasser ist Landwirtschafts¬
lehrer gewesen, hat sich als solcher natürlich viel mit Biologie beschäftigt und widmet
sich jetzt astronomischen Studien. Er führt in diesem Buche den Fechnerschen Ge¬
danken durch, daß das Organische das Ursprüngliche in der Welt, das Unorganische
nur ein Niederschlag des organischen Lebensprozesses sei. Auch bet der Entstehung
der Arten stellt er die herrschende Entwicklungstheorie ans den Kopf, indem er die
Menschen, allerdings in einer sozusagen embrhonaleu Gestalt, vor den Tieren ent¬
standen sein läßt. Viel Gelehrsamkeit steckt in dem Buche, und manches von dem,
was darin gegen den Darwinismus gesagt wird, verdient Beachtung. Auch liest
es sich angenehm und hat eine zweite, durch Nachträge vermehrte Auflage erlebt;
von dieser liegt uns eben ein Exemplar vor.
Litteratur
Georg der Bärtige. Sein Leben und Wirken. Von H. Freiherrn von Weint. Braun¬
schweig, Nich. Sattler, 1900
Über Georg den Bärtigen, den bekannten aber viel verkannten Gegner Luthers,
der als ein ebenso- überzeugter Katholik wie überzeugter Förderer einer sittlichen
Erneuerung der Kirche eine der tragischen Gestalten der Reformationszeit ist, fehlte
bis jetzt eine gute und erschöpfende Biographie, die dieser Mann gewiß verdiente;
aber das vorliegende Buch, das dem Herzog eine durchaus gerechte Beurteilung
widerfahren läßt, kann doch auch nur als eine Vorarbeit zu einer abschließenden
Biographie angesehen werden. Der Verfasser hat wohl den fleißigen Sammeleifer
des Chronisten, aber nicht die Kraft zu zusammenfassender Darstellung, deren der
Historiker bedarf. Ohne Höhepunkte, ohne plastisches Hervortreten des Wichtigen
und Charakteristischen läuft die Erzählung hin, bald sich popnlcir ausbreitend, bald
als bekannt oder nicht hergehörig betrachtend, was man gern geschildert sähe. Der
Hauptmangel des Buches liegt in der wenig geschickten Form der Darstellung: ein
häusiger zweckloser Tempuswechsel mit sonderbar häufigem Gebrauch des Präsens,
der Wechsel zwischen genauster Datenangabc mit buchstäblichem Quelleuzitieren und
der entgegengesetzten Methode, das lose Aneinanderreihen von Briefsteller, das
zuweilen die selbständige Erzählung fast ganz verdrängt — alles das schadet dem
Eindruck des Buches sehr.
Dazu kommt, daß durch die Benutzung älterer Darstellungen auch sachlich Un¬
richtiges Aufnahme gefunden hat. So weiß man jetzt, daß Luthers Dresdner
Predigt (S. KV) in den Juli 1518 gehört, und die Hinrichtung des Buchhändlers
Hergott (S. 151) in das Jahr 1527. Sehr mißverständliche Ausdrücke sind es
anch, wenn es S. 59 heißt, daß Erzbischof Albrecht „ein sehr hohes ?-Mum an
den Papst habe zahlen müssen," und wenn S. 127 von dem „kaiserlichen Rat"
Ccunpeggio gesprochen wird.
Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |