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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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cLine IVeltgeschichte auf ethnographischer Grundlage

ein gründliches Bombardement nicht möglich" sei und eine Beschießung erst
dann Eindruck machen werde, wenn die Hoffnung der Pariser auf Entsatz
geschwunden sei (also nur eine moralische Bedeutung habe); Blume hat
nachher 1871 in einem Aufsatze diesen Standpunkt vertretend) Wichtiger war,
daß auch Vlnmeuthcil, der Generalstabschef der III. Armee, also des Kron¬
prinzen, derselben Ansicht war wie Moltke, dem er dies in einem längern
Briefe vom 21. November auseinandersetzte.^) Er sah in einer "partiellen
Beschießung" eine "Halbheit," hielt es für "unzweifelhaft, daß Paris spätestens
bis Ende dieses Jahres, vom Hunger bezwungen, fallen muß," und wollte
nur für den Fall, daß dies nicht geschehe, "alles zur förmlichen Belagerung
parat" haben, "die dann nach allen Regeln der Kunst und mit möglichst ge¬
ringen Opfern Schritt für Schritt auszuführen ist." Er nannte gelegentlich
in seiner lebhaften Art die Forderung des Bombardements einfach eine
"Kinderei."^) Seinem Generalstabschef und Moltke stimmte auch der Kron¬
prinz begreiflicherweise völlig zu. Am 26. Oktober trug er in sein Tagebuch
ein: "Moltke ist mit mir einig, Paris durch Hunger zu zwingen, und gegen
Eröffnung von Parallelen," und am 28. November: "Ich will nicht anfangen,
bis alle Munition da; mit bloßem Schießen hätten wir längst anfangen können,
hätten aber wegen Munitionsmangel bald aufhören müssen."

(Fortsetzung folgt)




Eine Weltgeschichte auf ethnographischer Grundlage

s entspricht der engen Verbindung, in die der moderne Welt¬
verkehr und die großen binnenländischen Entdeckungsreisen des
neunzehnten Jahrhunderts alle Teile der Erde mit einander ge¬
bracht haben und immer mehr bringen, wenn der Begriff der
Weltgeschichte einen ganz neuen Inhalt angenommen hat. Wie
man längst davon abgekommen ist, sie erst dort zu beginnen, wo die schriftliche
Überlieferung einsetzt, so beschränkt mau sie auch nicht mehr auf den Umfang
der europäischen und der westasiatischen Kulturvölker, die zusammen nur einen





') Verden Im großen Hauptquartier 177 ff. Busch I, 404 ff. WilmowM 78 (W, No¬
vember). Tagebuch des Kronprinzen vom 26. November.
2) Moltke, Militärische Korrespondenz III, 2, 446 ff. Anlage zu Ur. 486. Er galt all¬
gemein als ein "großer Widersacher des Bombardements," Wilmowski 77. vgl. Busch II, 59.
") H. Delbrück, Bismarck-Historiographie, im Juniheft der Preußischen Jahrbücher 1899,
S. 472 nach Äußerungen des Feldmarschalls.
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ein gründliches Bombardement nicht möglich" sei und eine Beschießung erst
dann Eindruck machen werde, wenn die Hoffnung der Pariser auf Entsatz
geschwunden sei (also nur eine moralische Bedeutung habe); Blume hat
nachher 1871 in einem Aufsatze diesen Standpunkt vertretend) Wichtiger war,
daß auch Vlnmeuthcil, der Generalstabschef der III. Armee, also des Kron¬
prinzen, derselben Ansicht war wie Moltke, dem er dies in einem längern
Briefe vom 21. November auseinandersetzte.^) Er sah in einer „partiellen
Beschießung" eine „Halbheit," hielt es für „unzweifelhaft, daß Paris spätestens
bis Ende dieses Jahres, vom Hunger bezwungen, fallen muß," und wollte
nur für den Fall, daß dies nicht geschehe, „alles zur förmlichen Belagerung
parat" haben, „die dann nach allen Regeln der Kunst und mit möglichst ge¬
ringen Opfern Schritt für Schritt auszuführen ist." Er nannte gelegentlich
in seiner lebhaften Art die Forderung des Bombardements einfach eine
„Kinderei."^) Seinem Generalstabschef und Moltke stimmte auch der Kron¬
prinz begreiflicherweise völlig zu. Am 26. Oktober trug er in sein Tagebuch
ein: „Moltke ist mit mir einig, Paris durch Hunger zu zwingen, und gegen
Eröffnung von Parallelen," und am 28. November: „Ich will nicht anfangen,
bis alle Munition da; mit bloßem Schießen hätten wir längst anfangen können,
hätten aber wegen Munitionsmangel bald aufhören müssen."

(Fortsetzung folgt)




Eine Weltgeschichte auf ethnographischer Grundlage

s entspricht der engen Verbindung, in die der moderne Welt¬
verkehr und die großen binnenländischen Entdeckungsreisen des
neunzehnten Jahrhunderts alle Teile der Erde mit einander ge¬
bracht haben und immer mehr bringen, wenn der Begriff der
Weltgeschichte einen ganz neuen Inhalt angenommen hat. Wie
man längst davon abgekommen ist, sie erst dort zu beginnen, wo die schriftliche
Überlieferung einsetzt, so beschränkt mau sie auch nicht mehr auf den Umfang
der europäischen und der westasiatischen Kulturvölker, die zusammen nur einen





') Verden Im großen Hauptquartier 177 ff. Busch I, 404 ff. WilmowM 78 (W, No¬
vember). Tagebuch des Kronprinzen vom 26. November.
2) Moltke, Militärische Korrespondenz III, 2, 446 ff. Anlage zu Ur. 486. Er galt all¬
gemein als ein „großer Widersacher des Bombardements," Wilmowski 77. vgl. Busch II, 59.
") H. Delbrück, Bismarck-Historiographie, im Juniheft der Preußischen Jahrbücher 1899,
S. 472 nach Äußerungen des Feldmarschalls.
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[0258] cLine IVeltgeschichte auf ethnographischer Grundlage ein gründliches Bombardement nicht möglich" sei und eine Beschießung erst dann Eindruck machen werde, wenn die Hoffnung der Pariser auf Entsatz geschwunden sei (also nur eine moralische Bedeutung habe); Blume hat nachher 1871 in einem Aufsatze diesen Standpunkt vertretend) Wichtiger war, daß auch Vlnmeuthcil, der Generalstabschef der III. Armee, also des Kron¬ prinzen, derselben Ansicht war wie Moltke, dem er dies in einem längern Briefe vom 21. November auseinandersetzte.^) Er sah in einer „partiellen Beschießung" eine „Halbheit," hielt es für „unzweifelhaft, daß Paris spätestens bis Ende dieses Jahres, vom Hunger bezwungen, fallen muß," und wollte nur für den Fall, daß dies nicht geschehe, „alles zur förmlichen Belagerung parat" haben, „die dann nach allen Regeln der Kunst und mit möglichst ge¬ ringen Opfern Schritt für Schritt auszuführen ist." Er nannte gelegentlich in seiner lebhaften Art die Forderung des Bombardements einfach eine „Kinderei."^) Seinem Generalstabschef und Moltke stimmte auch der Kron¬ prinz begreiflicherweise völlig zu. Am 26. Oktober trug er in sein Tagebuch ein: „Moltke ist mit mir einig, Paris durch Hunger zu zwingen, und gegen Eröffnung von Parallelen," und am 28. November: „Ich will nicht anfangen, bis alle Munition da; mit bloßem Schießen hätten wir längst anfangen können, hätten aber wegen Munitionsmangel bald aufhören müssen." (Fortsetzung folgt) Eine Weltgeschichte auf ethnographischer Grundlage s entspricht der engen Verbindung, in die der moderne Welt¬ verkehr und die großen binnenländischen Entdeckungsreisen des neunzehnten Jahrhunderts alle Teile der Erde mit einander ge¬ bracht haben und immer mehr bringen, wenn der Begriff der Weltgeschichte einen ganz neuen Inhalt angenommen hat. Wie man längst davon abgekommen ist, sie erst dort zu beginnen, wo die schriftliche Überlieferung einsetzt, so beschränkt mau sie auch nicht mehr auf den Umfang der europäischen und der westasiatischen Kulturvölker, die zusammen nur einen ') Verden Im großen Hauptquartier 177 ff. Busch I, 404 ff. WilmowM 78 (W, No¬ vember). Tagebuch des Kronprinzen vom 26. November. 2) Moltke, Militärische Korrespondenz III, 2, 446 ff. Anlage zu Ur. 486. Er galt all¬ gemein als ein „großer Widersacher des Bombardements," Wilmowski 77. vgl. Busch II, 59. ") H. Delbrück, Bismarck-Historiographie, im Juniheft der Preußischen Jahrbücher 1899, S. 472 nach Äußerungen des Feldmarschalls.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/258>, abgerufen am 15.01.2025.