Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches des Mittelalters öfter hervorgetreten ist (man denke an die Grafen von Toulouse, Sehr gefreut hat es mich, daß Mögt das Gefasel und Gefabel von dem an¬ Rom als Stadt der Renaijsanceknust. Von den Gassen ans gesehen Dies alles und noch verschiednes andre hat der Freund der italienischen Maßgebliches und Unmaßgebliches des Mittelalters öfter hervorgetreten ist (man denke an die Grafen von Toulouse, Sehr gefreut hat es mich, daß Mögt das Gefasel und Gefabel von dem an¬ Rom als Stadt der Renaijsanceknust. Von den Gassen ans gesehen Dies alles und noch verschiednes andre hat der Freund der italienischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230491"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_183" prev="#ID_182"> des Mittelalters öfter hervorgetreten ist (man denke an die Grafen von Toulouse,<lb/> an die englischen Könige als französische Lehnsträger und die Herzöge von Burgund),<lb/> uns Deutschen erst von 1740 ab zu schaffen gemachthat. Was aber die schließliche<lb/> Einigung anlangt, so darf mau die heutige Technik nicht vergessen, die die Be¬<lb/> herrschung großer Räume leicht, dagegen die wirkliche Unabhängigkeit sehr kleiner<lb/> Staaten beinahe unmöglich macht. Vor allem aber höre man doch auf, die späte<lb/> Einigung als ein Unglück zu beklagen. Was fertig ist, das ist reif zum Sterben,<lb/> wie man am alten römischen Reiche und am heutigen Frankreich sieht. Eben darum<lb/> haben wir Deutschen noch eine Zukunft, weil wir auch 1866 und 1S70 noch lauge<lb/> nicht fertig geworden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_184"> Sehr gefreut hat es mich, daß Mögt das Gefasel und Gefabel von dem an¬<lb/> geblich heidnischen Ursprung des Weihnachtsfestes, das sich in den Weihnachtspredigte»<lb/> der liberalen und der sozialdemokratischen Zeitungen allweihnachtlich breit macht,<lb/> abfertigt, wie sichs gebührt, und daß Sell den Apostel Bonifntius, der im protestan¬<lb/> tischen Deutschland vielfach als „Römliug" Verrüfe» ist, „eine durchaus germanische<lb/> Gestalt" nennt. „Tritt frisch ans, thus Maul auf, hör bald auf!" paßt zwar zum<lb/> preußischen Wesen, aber als „altpreußischen Mahnspruch" (S. 209) hatten wirs<lb/> bis jetzt nicht gekannt. In einer zuverlässigen Quelle habe ich gelesen, daß Luther,<lb/> wenn er genötigt gewesen war, eine lange und langweilige Predigt anzuhören, den<lb/> Pastor anzufahren und ihm das Sprüchlein zuzurufen pflegte (in etwas derberer<lb/> Form: Tritt dreist auf, sperrs Maul auf, hör bald auf!). Am besten an dem Werke<lb/> hat mir Thodes Darstellung der deutschen bildende» Kunst und Whchgrams „deutsche<lb/> Dichtung" gefallen. Wenn ich sage, daß ich noch keine mich gleich befriedigende<lb/> Charakteristik Goethes und Schillers gelesen habe, wie die uus Whchgrmn hier<lb/> darbietet, so soll damit nicht gesagt werden, daß irgend ein andrer Teil seiner<lb/> Schrift schwächer wäre als dieser kurze Abschnitt. Als das Eigentümliche der<lb/> deutschen bildenden Kunst weist Thode nach das übermäßige Wollen und das Über¬<lb/> wiegen des Inhalts über die Form; die bildende Kunst biete gar nicht die Mittel,<lb/> den Inhalt des deutschen Gemüts auszudrücken, das vermögen nur die Musik und<lb/><note type="byline"> L. Z.</note> die Dichtkunst. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Rom als Stadt der Renaijsanceknust.</head> <p xml:id="ID_185"> Von den Gassen ans gesehen<lb/> ist Rom die Stadt des Barokko oder auch des Altertums; die Renaissance hat sich<lb/> ganz in das Innere einzelner Kirchen und des vatikanischen Palastes zurückgezogen.<lb/> Da finden sich Skulpturen Michelangelos und einzelner seiner Vorgänger, diese<lb/> kommen aber gegen den Reichtum, den man in Florenz trifft, nicht an, und außer¬<lb/> dem mehr als ein halbes Dutzend großer Freskenwcrke. Fra Angelico, Masolino,<lb/> Filippino Lippi und selbst deu neuentdeckten Pinturicchio kann man anderwärts<lb/> noch besser genießen als hier in Rom. Michelangelos Sixtinische Decke aber und<lb/> Raffaels Vatikanische Zimmer sind in ihrer Gattung einzig, und die Fresken der<lb/> Qnattrocentisten in der Sixtiua sind nicht nnr an sich äußerst reizvoll, sondern<lb/> anch wenn man schon alles übrige an früher floreutinisch-umbrischer Wandmalerei<lb/> gesehen hätte, als Ergänzung noch vou Wert.</p><lb/> <p xml:id="ID_186" next="#ID_187"> Dies alles und noch verschiednes andre hat der Freund der italienischen<lb/> Kunst jetzt in guter Übersicht mit zahlreichen Abbildungen vor sich in einem Vier¬<lb/> markheft (Nummer 3 der bei E. A. Seemann in Leipzig erscheinenden „Berühmten<lb/> Kuuststätteu") von Ernst Steinmann, Rom in der Renaissance von Nikolaus V.<lb/> bis auf Julins II. Steinmann kennt seinen Gegenstand gut, behandelt ihn aber<lb/> vielleicht el» wenig zu peinlich im Verhältnis z» de» Ansprüchen feiner Leser (z. B. die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0059]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
des Mittelalters öfter hervorgetreten ist (man denke an die Grafen von Toulouse,
an die englischen Könige als französische Lehnsträger und die Herzöge von Burgund),
uns Deutschen erst von 1740 ab zu schaffen gemachthat. Was aber die schließliche
Einigung anlangt, so darf mau die heutige Technik nicht vergessen, die die Be¬
herrschung großer Räume leicht, dagegen die wirkliche Unabhängigkeit sehr kleiner
Staaten beinahe unmöglich macht. Vor allem aber höre man doch auf, die späte
Einigung als ein Unglück zu beklagen. Was fertig ist, das ist reif zum Sterben,
wie man am alten römischen Reiche und am heutigen Frankreich sieht. Eben darum
haben wir Deutschen noch eine Zukunft, weil wir auch 1866 und 1S70 noch lauge
nicht fertig geworden sind.
Sehr gefreut hat es mich, daß Mögt das Gefasel und Gefabel von dem an¬
geblich heidnischen Ursprung des Weihnachtsfestes, das sich in den Weihnachtspredigte»
der liberalen und der sozialdemokratischen Zeitungen allweihnachtlich breit macht,
abfertigt, wie sichs gebührt, und daß Sell den Apostel Bonifntius, der im protestan¬
tischen Deutschland vielfach als „Römliug" Verrüfe» ist, „eine durchaus germanische
Gestalt" nennt. „Tritt frisch ans, thus Maul auf, hör bald auf!" paßt zwar zum
preußischen Wesen, aber als „altpreußischen Mahnspruch" (S. 209) hatten wirs
bis jetzt nicht gekannt. In einer zuverlässigen Quelle habe ich gelesen, daß Luther,
wenn er genötigt gewesen war, eine lange und langweilige Predigt anzuhören, den
Pastor anzufahren und ihm das Sprüchlein zuzurufen pflegte (in etwas derberer
Form: Tritt dreist auf, sperrs Maul auf, hör bald auf!). Am besten an dem Werke
hat mir Thodes Darstellung der deutschen bildende» Kunst und Whchgrams „deutsche
Dichtung" gefallen. Wenn ich sage, daß ich noch keine mich gleich befriedigende
Charakteristik Goethes und Schillers gelesen habe, wie die uus Whchgrmn hier
darbietet, so soll damit nicht gesagt werden, daß irgend ein andrer Teil seiner
Schrift schwächer wäre als dieser kurze Abschnitt. Als das Eigentümliche der
deutschen bildenden Kunst weist Thode nach das übermäßige Wollen und das Über¬
wiegen des Inhalts über die Form; die bildende Kunst biete gar nicht die Mittel,
den Inhalt des deutschen Gemüts auszudrücken, das vermögen nur die Musik und
L. Z. die Dichtkunst.
Rom als Stadt der Renaijsanceknust. Von den Gassen ans gesehen
ist Rom die Stadt des Barokko oder auch des Altertums; die Renaissance hat sich
ganz in das Innere einzelner Kirchen und des vatikanischen Palastes zurückgezogen.
Da finden sich Skulpturen Michelangelos und einzelner seiner Vorgänger, diese
kommen aber gegen den Reichtum, den man in Florenz trifft, nicht an, und außer¬
dem mehr als ein halbes Dutzend großer Freskenwcrke. Fra Angelico, Masolino,
Filippino Lippi und selbst deu neuentdeckten Pinturicchio kann man anderwärts
noch besser genießen als hier in Rom. Michelangelos Sixtinische Decke aber und
Raffaels Vatikanische Zimmer sind in ihrer Gattung einzig, und die Fresken der
Qnattrocentisten in der Sixtiua sind nicht nnr an sich äußerst reizvoll, sondern
anch wenn man schon alles übrige an früher floreutinisch-umbrischer Wandmalerei
gesehen hätte, als Ergänzung noch vou Wert.
Dies alles und noch verschiednes andre hat der Freund der italienischen
Kunst jetzt in guter Übersicht mit zahlreichen Abbildungen vor sich in einem Vier¬
markheft (Nummer 3 der bei E. A. Seemann in Leipzig erscheinenden „Berühmten
Kuuststätteu") von Ernst Steinmann, Rom in der Renaissance von Nikolaus V.
bis auf Julins II. Steinmann kennt seinen Gegenstand gut, behandelt ihn aber
vielleicht el» wenig zu peinlich im Verhältnis z» de» Ansprüchen feiner Leser (z. B. die
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |