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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Lin deutscher Jesuitenpater Kolonisator in Südbrastlien

es dem unbescholtnen Arbeiter immer nur als eine herbe Ungerechtigkeit er¬
scheinen muß, wenn er sieht, daß man in der That mehr Eifer darauf ver¬
wendet, dem Lumpen wieder Arbeit zu verschaffen als ihm.

Ist es nicht ein Hohn auf den gesunden Menschenverstand, wenn ein recht¬
licher, stellenloser Arbeiter, dessen Frau und Kinder zu Hanse auf Brot lauern,
bei seiner eifrigen Suche nach Arbeit auch in den Stellennachweis eines solchen
Vereins tritt und man ihm nun dort ganz unbefangen eröffnet -- wie es
thatsächlich schon geschehen ist --, daß man ihm leider keine der angemeldeten
Stellen geben könne, weil er noch nicht bestraft worden sei? Es ist gewiß
richtig, daß ein Verein nur dann ersprießlich zu wirken vermag, wenn er sich
bestimmte Grenzen steckt, aber er soll nicht erwarten, daß man seine Thätigkeit
für verdienstlich hält, wenn solcher Unsinn zu stände kommt. Etwas andres
als Absonderlichkeiten haben aber die Bereine zur Fürsorge für entlassene
Strafgefangne überhaupt noch nicht zu Tage gefördert uns werden es wohl
auch in Zukunft nicht thun. Am allerwenigsten werden sie jemals etwas dazu
beitragen, daß sich die rückfälligen Verbrecher vermindern. Das gewohnheits¬
mäßige Gaunertum "spuckt" auf diese Vereine; die aus Leichtsinn Entgleisten
haben aber fast immer Angehörige, und wenn es diesen nicht gelingt, sie auf
die rechte Bahn zu bringen -- dem büreaukratischen Schematismus eines
solchen Vereins gelingt es doch erst recht nicht. Es bleiben somit nnr die
wirtschaftlich Schwachen, die nur deswegen nicht aus dem Gefängnis heraus¬
kommen, weil sie außer stände sind, den Kampf mit dem Dasein aufzunehmen.
Gerade für solche Menschen werden sich aber die Arbeiterkolonien weit segens¬
reicher erweisen als die Vereine zur Fürsorge für entlassene Strafgefangne in
ihrer heutigen Verfassung. Würde man ihnen die Mittel zuwenden, die man
jetzt aus völliger Unkenntnis der Verhältnisse diesen opfert, so würde man
wahrscheinlich auch bald andre Früchte sehen.




Gin deutscher Jesuitenpater als Kolonisator
in Südbrasilien
L. Rapff ( von

chon seit einer Reihe von Jahren haben berufne Kenner des
Binnenlandes von Rio Grande do Sui, dem südlichsten Staate
der brasilischen Union, immer wieder ihre Stimme für die Er¬
schließung der für gewöhnlich unter der sehr dehnbaren Bezeich¬
nung der "sieben Missionen" zusammengefaßten Ländereien erhoben
und diesen Gebieten eine Zukunft prophezeit, die alles bisher in den blühenden


Lin deutscher Jesuitenpater Kolonisator in Südbrastlien

es dem unbescholtnen Arbeiter immer nur als eine herbe Ungerechtigkeit er¬
scheinen muß, wenn er sieht, daß man in der That mehr Eifer darauf ver¬
wendet, dem Lumpen wieder Arbeit zu verschaffen als ihm.

Ist es nicht ein Hohn auf den gesunden Menschenverstand, wenn ein recht¬
licher, stellenloser Arbeiter, dessen Frau und Kinder zu Hanse auf Brot lauern,
bei seiner eifrigen Suche nach Arbeit auch in den Stellennachweis eines solchen
Vereins tritt und man ihm nun dort ganz unbefangen eröffnet — wie es
thatsächlich schon geschehen ist —, daß man ihm leider keine der angemeldeten
Stellen geben könne, weil er noch nicht bestraft worden sei? Es ist gewiß
richtig, daß ein Verein nur dann ersprießlich zu wirken vermag, wenn er sich
bestimmte Grenzen steckt, aber er soll nicht erwarten, daß man seine Thätigkeit
für verdienstlich hält, wenn solcher Unsinn zu stände kommt. Etwas andres
als Absonderlichkeiten haben aber die Bereine zur Fürsorge für entlassene
Strafgefangne überhaupt noch nicht zu Tage gefördert uns werden es wohl
auch in Zukunft nicht thun. Am allerwenigsten werden sie jemals etwas dazu
beitragen, daß sich die rückfälligen Verbrecher vermindern. Das gewohnheits¬
mäßige Gaunertum „spuckt" auf diese Vereine; die aus Leichtsinn Entgleisten
haben aber fast immer Angehörige, und wenn es diesen nicht gelingt, sie auf
die rechte Bahn zu bringen — dem büreaukratischen Schematismus eines
solchen Vereins gelingt es doch erst recht nicht. Es bleiben somit nnr die
wirtschaftlich Schwachen, die nur deswegen nicht aus dem Gefängnis heraus¬
kommen, weil sie außer stände sind, den Kampf mit dem Dasein aufzunehmen.
Gerade für solche Menschen werden sich aber die Arbeiterkolonien weit segens¬
reicher erweisen als die Vereine zur Fürsorge für entlassene Strafgefangne in
ihrer heutigen Verfassung. Würde man ihnen die Mittel zuwenden, die man
jetzt aus völliger Unkenntnis der Verhältnisse diesen opfert, so würde man
wahrscheinlich auch bald andre Früchte sehen.




Gin deutscher Jesuitenpater als Kolonisator
in Südbrasilien
L. Rapff ( von

chon seit einer Reihe von Jahren haben berufne Kenner des
Binnenlandes von Rio Grande do Sui, dem südlichsten Staate
der brasilischen Union, immer wieder ihre Stimme für die Er¬
schließung der für gewöhnlich unter der sehr dehnbaren Bezeich¬
nung der „sieben Missionen" zusammengefaßten Ländereien erhoben
und diesen Gebieten eine Zukunft prophezeit, die alles bisher in den blühenden


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[0267] Lin deutscher Jesuitenpater Kolonisator in Südbrastlien es dem unbescholtnen Arbeiter immer nur als eine herbe Ungerechtigkeit er¬ scheinen muß, wenn er sieht, daß man in der That mehr Eifer darauf ver¬ wendet, dem Lumpen wieder Arbeit zu verschaffen als ihm. Ist es nicht ein Hohn auf den gesunden Menschenverstand, wenn ein recht¬ licher, stellenloser Arbeiter, dessen Frau und Kinder zu Hanse auf Brot lauern, bei seiner eifrigen Suche nach Arbeit auch in den Stellennachweis eines solchen Vereins tritt und man ihm nun dort ganz unbefangen eröffnet — wie es thatsächlich schon geschehen ist —, daß man ihm leider keine der angemeldeten Stellen geben könne, weil er noch nicht bestraft worden sei? Es ist gewiß richtig, daß ein Verein nur dann ersprießlich zu wirken vermag, wenn er sich bestimmte Grenzen steckt, aber er soll nicht erwarten, daß man seine Thätigkeit für verdienstlich hält, wenn solcher Unsinn zu stände kommt. Etwas andres als Absonderlichkeiten haben aber die Bereine zur Fürsorge für entlassene Strafgefangne überhaupt noch nicht zu Tage gefördert uns werden es wohl auch in Zukunft nicht thun. Am allerwenigsten werden sie jemals etwas dazu beitragen, daß sich die rückfälligen Verbrecher vermindern. Das gewohnheits¬ mäßige Gaunertum „spuckt" auf diese Vereine; die aus Leichtsinn Entgleisten haben aber fast immer Angehörige, und wenn es diesen nicht gelingt, sie auf die rechte Bahn zu bringen — dem büreaukratischen Schematismus eines solchen Vereins gelingt es doch erst recht nicht. Es bleiben somit nnr die wirtschaftlich Schwachen, die nur deswegen nicht aus dem Gefängnis heraus¬ kommen, weil sie außer stände sind, den Kampf mit dem Dasein aufzunehmen. Gerade für solche Menschen werden sich aber die Arbeiterkolonien weit segens¬ reicher erweisen als die Vereine zur Fürsorge für entlassene Strafgefangne in ihrer heutigen Verfassung. Würde man ihnen die Mittel zuwenden, die man jetzt aus völliger Unkenntnis der Verhältnisse diesen opfert, so würde man wahrscheinlich auch bald andre Früchte sehen. Gin deutscher Jesuitenpater als Kolonisator in Südbrasilien L. Rapff ( von chon seit einer Reihe von Jahren haben berufne Kenner des Binnenlandes von Rio Grande do Sui, dem südlichsten Staate der brasilischen Union, immer wieder ihre Stimme für die Er¬ schließung der für gewöhnlich unter der sehr dehnbaren Bezeich¬ nung der „sieben Missionen" zusammengefaßten Ländereien erhoben und diesen Gebieten eine Zukunft prophezeit, die alles bisher in den blühenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/267>, abgerufen am 23.07.2024.