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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Ausweisungen in Nordschleswig
von Th. Brix in

n der letzten Zeit haben die Ausweisungen dänischer Staats¬
angehörigen aus Nordschleswig großes Aufsehen erregt. Mau
fragt, was denn eigentlich vorgefallen sei, was eine so harte
Maßregel rechtfertigen könne. Es sind Leute ausgewiesen worden,
die in politischer Hinsicht gar keinen Einfluß ausüben, und deren
ganzes Verbrechen darin besteht, daß sie -- bei dünisch gesinnten Brotherren
dienten. Man fragt, ob diese "Strafe" wohl wirklich als Strafe empfunden
werde und die Schuldigen treffe. Man fragt, ob der Aufenthalt dieser un¬
gebildeten Arbeiter in Nordschleswig eine Gefahr für das Deutsche Reich sein
könne.

Das über die Ausweisungsmaßregel gefällte Urteil ist ja an und für sich
gwiz berechtigt. Aber die Frage, was da oben denn eigentlich los sei, beweist
"es eine bedauerliche Unkenntnis der nordschleswigischen Verhältnisse. Man
^ sich in Deutschland bisher herzlich wenig um die nordschleswigischen An¬
gelegenheiten gekümmert, oder soweit man sie beachtete, hat man sich auf das
lrteil der "Sachverständigen" in Nordschleswig verlassen, ohne zu fragen, ob
acht diese Leute die Verhältnisse durch die Parteibrille betrachteten, und die
^on Zeit zu Zeit an einige der größern deutschen Blätter gesandten Berichte
gefärbt seien. Die Politiker in Deutschland haben zuviel andres zu thun, als
^ sie sich mit Nordschleswig beschäftigen könnten. Die Erörterungen über
'e nordschleswigische Frage im Abgeordnetenhause, die mitunter zu Auseinander¬
setzungen über die Familienverhältnisse und die Herkunft deutscher oder dünischer
uordschleswigischer Abgeordneten führten, wurden langweilig; man kürzte sie
Möglichst ab, und den Lesern der meisten Tageblätter war auch das Thema
"^ordschleswig" langweilig; die Redakteure hatten bald keinen Platz mehr dafür.
G


renzboten IV 1898 77


Die Ausweisungen in Nordschleswig
von Th. Brix in

n der letzten Zeit haben die Ausweisungen dänischer Staats¬
angehörigen aus Nordschleswig großes Aufsehen erregt. Mau
fragt, was denn eigentlich vorgefallen sei, was eine so harte
Maßregel rechtfertigen könne. Es sind Leute ausgewiesen worden,
die in politischer Hinsicht gar keinen Einfluß ausüben, und deren
ganzes Verbrechen darin besteht, daß sie — bei dünisch gesinnten Brotherren
dienten. Man fragt, ob diese „Strafe" wohl wirklich als Strafe empfunden
werde und die Schuldigen treffe. Man fragt, ob der Aufenthalt dieser un¬
gebildeten Arbeiter in Nordschleswig eine Gefahr für das Deutsche Reich sein
könne.

Das über die Ausweisungsmaßregel gefällte Urteil ist ja an und für sich
gwiz berechtigt. Aber die Frage, was da oben denn eigentlich los sei, beweist
"es eine bedauerliche Unkenntnis der nordschleswigischen Verhältnisse. Man
^ sich in Deutschland bisher herzlich wenig um die nordschleswigischen An¬
gelegenheiten gekümmert, oder soweit man sie beachtete, hat man sich auf das
lrteil der „Sachverständigen" in Nordschleswig verlassen, ohne zu fragen, ob
acht diese Leute die Verhältnisse durch die Parteibrille betrachteten, und die
^on Zeit zu Zeit an einige der größern deutschen Blätter gesandten Berichte
gefärbt seien. Die Politiker in Deutschland haben zuviel andres zu thun, als
^ sie sich mit Nordschleswig beschäftigen könnten. Die Erörterungen über
'e nordschleswigische Frage im Abgeordnetenhause, die mitunter zu Auseinander¬
setzungen über die Familienverhältnisse und die Herkunft deutscher oder dünischer
uordschleswigischer Abgeordneten führten, wurden langweilig; man kürzte sie
Möglichst ab, und den Lesern der meisten Tageblätter war auch das Thema
»^ordschleswig" langweilig; die Redakteure hatten bald keinen Platz mehr dafür.
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[0620] [Abbildung] Die Ausweisungen in Nordschleswig von Th. Brix in n der letzten Zeit haben die Ausweisungen dänischer Staats¬ angehörigen aus Nordschleswig großes Aufsehen erregt. Mau fragt, was denn eigentlich vorgefallen sei, was eine so harte Maßregel rechtfertigen könne. Es sind Leute ausgewiesen worden, die in politischer Hinsicht gar keinen Einfluß ausüben, und deren ganzes Verbrechen darin besteht, daß sie — bei dünisch gesinnten Brotherren dienten. Man fragt, ob diese „Strafe" wohl wirklich als Strafe empfunden werde und die Schuldigen treffe. Man fragt, ob der Aufenthalt dieser un¬ gebildeten Arbeiter in Nordschleswig eine Gefahr für das Deutsche Reich sein könne. Das über die Ausweisungsmaßregel gefällte Urteil ist ja an und für sich gwiz berechtigt. Aber die Frage, was da oben denn eigentlich los sei, beweist "es eine bedauerliche Unkenntnis der nordschleswigischen Verhältnisse. Man ^ sich in Deutschland bisher herzlich wenig um die nordschleswigischen An¬ gelegenheiten gekümmert, oder soweit man sie beachtete, hat man sich auf das lrteil der „Sachverständigen" in Nordschleswig verlassen, ohne zu fragen, ob acht diese Leute die Verhältnisse durch die Parteibrille betrachteten, und die ^on Zeit zu Zeit an einige der größern deutschen Blätter gesandten Berichte gefärbt seien. Die Politiker in Deutschland haben zuviel andres zu thun, als ^ sie sich mit Nordschleswig beschäftigen könnten. Die Erörterungen über 'e nordschleswigische Frage im Abgeordnetenhause, die mitunter zu Auseinander¬ setzungen über die Familienverhältnisse und die Herkunft deutscher oder dünischer uordschleswigischer Abgeordneten führten, wurden langweilig; man kürzte sie Möglichst ab, und den Lesern der meisten Tageblätter war auch das Thema »^ordschleswig" langweilig; die Redakteure hatten bald keinen Platz mehr dafür. G renzboten IV 1898 77

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/620>, abgerufen am 12.12.2024.