Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.Unqedruckte Briefe von Robert Schumann Vernichtend oder segnend vorüberziehen wird. -- Mit dem tiefsten Ausdruck, Robert Schumann. (Einlage an Frau Wieck:) Ihnen vor Allem, meine gütige Frau, lege ich unser künftiges Schicksal Ihr ergebenster R. Schumann. (An Clara:) Sie aber, liebe Clara, möchten nach dieser überschmerzvollen Trennung Ihr R. S. Daß Clara hier mit dem fremden "Sie" angeredet wird, erklärt sich von 5 An Fräulein Julie Baroni-Cavaleabv in Lemberg Julie Baroni-Cavaleabv, geboren den 16. Oktober 1813 in Lemberg, war Unqedruckte Briefe von Robert Schumann Vernichtend oder segnend vorüberziehen wird. — Mit dem tiefsten Ausdruck, Robert Schumann. (Einlage an Frau Wieck:) Ihnen vor Allem, meine gütige Frau, lege ich unser künftiges Schicksal Ihr ergebenster R. Schumann. (An Clara:) Sie aber, liebe Clara, möchten nach dieser überschmerzvollen Trennung Ihr R. S. Daß Clara hier mit dem fremden „Sie" angeredet wird, erklärt sich von 5 An Fräulein Julie Baroni-Cavaleabv in Lemberg Julie Baroni-Cavaleabv, geboren den 16. Oktober 1813 in Lemberg, war <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0087" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228389"/> <fw type="header" place="top"> Unqedruckte Briefe von Robert Schumann</fw><lb/> <p xml:id="ID_250" prev="#ID_249"> Vernichtend oder segnend vorüberziehen wird. — Mit dem tiefsten Ausdruck,<lb/> dessen ein geängstetes, liebendes Herz fähig ist, flehe ich Sie an: Seien Sie<lb/> segnend, einem Ihrer ältesten Freunde wieder Freund und dem besten Kinde<lb/> der beste Vater.</p><lb/> <note type="bibl"> Robert Schumann.</note><lb/> <p xml:id="ID_251"> (Einlage an Frau Wieck:)</p><lb/> <p xml:id="ID_252"> Ihnen vor Allem, meine gütige Frau, lege ich unser künftiges Schicksal<lb/> ans Herz — an kein stiefmütterliches, glaub' ich. Ihr klarer Blick, Ihr wohl¬<lb/> wollender Sinn, Ihre wahre Achtung und Liebe für Clara werden Sie das<lb/> Beste finden lassen. Daß der Geburtstag eines Wesens, das so Unzählige<lb/> schon beglückt, ein Tag des Jammers werde — verhüten Sie das große Un¬<lb/> glück, das uns Allen da bevorsteht.</p><lb/> <note type="closer"> Ihr ergebenster<note type="bibl"> R. Schumann.</note></note><lb/> <note type="salute"> (An Clara:)</note><lb/> <p xml:id="ID_253"> Sie aber, liebe Clara, möchten nach dieser überschmerzvollen Trennung<lb/> Alles, was ich Ihren Eltern gesagt, in Liebe unterstützen und da fortfahren,<lb/> wo mein Wort nicht mehr ausreichte.</p><lb/> <note type="closer"> Ihr<note type="bibl"> R. S.</note></note><lb/> <p xml:id="ID_254"> Daß Clara hier mit dem fremden „Sie" angeredet wird, erklärt sich von<lb/> selbst. Schumann erhielt auf seine Bewerbung zuerst eine ausweichende Antwort,<lb/> der Mitte Oktober eine entschiedn«! Ablehnung folgte. Dabei verblieb es. Ende<lb/> Oktober trat Clara in Begleitung ihres Vaters eine Konzertreise nach Prag und<lb/> Wien an.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 5<lb/> An Fräulein Julie Baroni-Cavaleabv in Lemberg</head><lb/> <p xml:id="ID_255" next="#ID_256"> Julie Baroni-Cavaleabv, geboren den 16. Oktober 1813 in Lemberg, war<lb/> eine Schülerin von Mozarts Sohn, später von Joh. Mederusch gen. Gallus. Ihr<lb/> Vater, Guberuialrat in Lemberg, zog 1838 nach Wien, wo sein Haus der Mittel¬<lb/> punkt eines auserlesenen Künstlerkreises wurde, zu dem auch Schumann im Winter<lb/> 1338/39 gehörte. Zur Erinnerung daran widmete er 1841 der Frau Josephine<lb/> Baroni-Cavaleabv, geb. Gräfin Castiglione, die drei Geibelschen Lieder Op. 30.<lb/> Ihre Tochter — deren persönliche Bekanntschaft Schumann im Sommer 1835<lb/> machte, als sie mit Mozart zusammen Leipzig besuchte — verheiratete sich 1839<lb/> mit dem Appellationsgerichtsrat von Webenciu in Wien, der aber schon nach zwei<lb/> Jahren starb. (Dieser Ehe entstammte der 1389 verstorbne österreichische Gesandte<lb/> in Lissabon Arthur vou Webenau.) 1842 schloß sie eine zweite Ehe mit dem<lb/> Sekretär der brasilianischen Gesandtschaft in Wien vou Britto, einem eigenartigen<lb/> Manne, ohne allen Sinn für ernstere Musik, der sich 1855 auf eine Besitzung bei<lb/> Cilli in Steiermark zurückzog und dort etwa zwölf Jahre in beinah völliger Ab¬<lb/> geschiedenheit von der Welt lebte. Nach einem kürzern Aufenthalt in Marburg<lb/> an der Dran zog er nach Graz, wo er 1877 starb. Dann erst konnte Frau<lb/> von Britto sich wieder der so schmerzlich entbehrten Beschäftigung mit der Musik</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
Unqedruckte Briefe von Robert Schumann
Vernichtend oder segnend vorüberziehen wird. — Mit dem tiefsten Ausdruck,
dessen ein geängstetes, liebendes Herz fähig ist, flehe ich Sie an: Seien Sie
segnend, einem Ihrer ältesten Freunde wieder Freund und dem besten Kinde
der beste Vater.
Robert Schumann.
(Einlage an Frau Wieck:)
Ihnen vor Allem, meine gütige Frau, lege ich unser künftiges Schicksal
ans Herz — an kein stiefmütterliches, glaub' ich. Ihr klarer Blick, Ihr wohl¬
wollender Sinn, Ihre wahre Achtung und Liebe für Clara werden Sie das
Beste finden lassen. Daß der Geburtstag eines Wesens, das so Unzählige
schon beglückt, ein Tag des Jammers werde — verhüten Sie das große Un¬
glück, das uns Allen da bevorsteht.
Ihr ergebenster R. Schumann.
(An Clara:)
Sie aber, liebe Clara, möchten nach dieser überschmerzvollen Trennung
Alles, was ich Ihren Eltern gesagt, in Liebe unterstützen und da fortfahren,
wo mein Wort nicht mehr ausreichte.
Ihr R. S.
Daß Clara hier mit dem fremden „Sie" angeredet wird, erklärt sich von
selbst. Schumann erhielt auf seine Bewerbung zuerst eine ausweichende Antwort,
der Mitte Oktober eine entschiedn«! Ablehnung folgte. Dabei verblieb es. Ende
Oktober trat Clara in Begleitung ihres Vaters eine Konzertreise nach Prag und
Wien an.
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An Fräulein Julie Baroni-Cavaleabv in Lemberg
Julie Baroni-Cavaleabv, geboren den 16. Oktober 1813 in Lemberg, war
eine Schülerin von Mozarts Sohn, später von Joh. Mederusch gen. Gallus. Ihr
Vater, Guberuialrat in Lemberg, zog 1838 nach Wien, wo sein Haus der Mittel¬
punkt eines auserlesenen Künstlerkreises wurde, zu dem auch Schumann im Winter
1338/39 gehörte. Zur Erinnerung daran widmete er 1841 der Frau Josephine
Baroni-Cavaleabv, geb. Gräfin Castiglione, die drei Geibelschen Lieder Op. 30.
Ihre Tochter — deren persönliche Bekanntschaft Schumann im Sommer 1835
machte, als sie mit Mozart zusammen Leipzig besuchte — verheiratete sich 1839
mit dem Appellationsgerichtsrat von Webenciu in Wien, der aber schon nach zwei
Jahren starb. (Dieser Ehe entstammte der 1389 verstorbne österreichische Gesandte
in Lissabon Arthur vou Webenau.) 1842 schloß sie eine zweite Ehe mit dem
Sekretär der brasilianischen Gesandtschaft in Wien vou Britto, einem eigenartigen
Manne, ohne allen Sinn für ernstere Musik, der sich 1855 auf eine Besitzung bei
Cilli in Steiermark zurückzog und dort etwa zwölf Jahre in beinah völliger Ab¬
geschiedenheit von der Welt lebte. Nach einem kürzern Aufenthalt in Marburg
an der Dran zog er nach Graz, wo er 1877 starb. Dann erst konnte Frau
von Britto sich wieder der so schmerzlich entbehrten Beschäftigung mit der Musik
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