Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches allsgestattet, sehnt er sich nach etwas Neuem, etwas Lebhaftem, wenn es auch nur Der höhere Zweck, der früher dem zeremoniellen Theetrinken beigemessen Maßgebliches und Unmaßgebliches Ethische Studien. Der heutige Rezensent steht täglich als Esel nicht zwischen Maßgebliches und Unmaßgebliches allsgestattet, sehnt er sich nach etwas Neuem, etwas Lebhaftem, wenn es auch nur Der höhere Zweck, der früher dem zeremoniellen Theetrinken beigemessen Maßgebliches und Unmaßgebliches Ethische Studien. Der heutige Rezensent steht täglich als Esel nicht zwischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228733"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1500" prev="#ID_1499"> allsgestattet, sehnt er sich nach etwas Neuem, etwas Lebhaftem, wenn es auch nur<lb/> den Anschein von etwas Logischen und Nützlichem hat — doch sind ja auch die<lb/> Theezeremonien nicht für ihn gemacht! Wenn die Menschen, für die sie geschaffen<lb/> sind, Genuß daran finden, so lassen wir ihnen ihr Vergnügen; auf jeden Fall aber<lb/> sind die Theezeremonien nicht nur äußerst harmlos, sondern haben sogar, wenigstens<lb/> in ihrer letzten Form, viel dazu beigetragen, die japanische Kunst in ihrer Reinheit<lb/> zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1501"> Der höhere Zweck, der früher dem zeremoniellen Theetrinken beigemessen<lb/> wurde, scheint jedoch heutzutage den Japanern nicht mehr so recht einleuchten zu<lb/> wollen, immerhin haben sie aber noch dessen äußere Formen beibehalten. Überhaupt<lb/> verhält man sich im modernen Japan, besonders in höhern Kreisen, dem Thee-<lb/> trinken gegenüber schon etwas kühler. Die westliche und besonders unsre deutsche Kultur,<lb/> die in den dortigen Verhältnissen so manche Änderung hervorgerufen hat, hat auch<lb/> hierin ihren Einfluß bewiese«, deun der deutsche „Bierkomment" findet besonders bei<lb/> Japanern, die im Lande des Gambrinus studirt haben, schon regen Beifall. Nicht<lb/> umsonst giebt es in Tökyö wie in Aokohama Brauereien unter deutscher Leitung,<lb/> und sie machen durchaus keine schlechten Geschäfte, so daß sermo Rikhü, wenn er<lb/> von den Toten auferstünde, vielleicht verzweifelt über den Einfluß der „westlichen<lb/> Barbaren" die Hände über den Kopf zusammenschlagen und ausrufen würde<lb/> -— natürlich auf japanisch —: () jorum, M'um, jornm, o Mg-s imitativ rsrnm!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Ethische Studien. </head> <p xml:id="ID_1502" next="#ID_1503"> Der heutige Rezensent steht täglich als Esel nicht zwischen<lb/> Zwei Heubündeln, sondern zwischen einigen Dutzenden; beim besten Willen und so<lb/> leid es einem thut, verbietet es schou die Rücksicht auf den Raum der Zeitschriften,<lb/> allem beachtenswerten in gleichem Maße gerecht zu werden. Der Qual der Wahl<lb/> zwischen zwei Büchern, die heute an die Reihe kommen, wollen wir nun in der<lb/> Weise ein Ende machen, daß wir das eine den Lesern einfach empfehlen, das andre<lb/> ein wenig rezensiren. Jenes ist der kühne Versuch eines philosophisch durchgebildeten<lb/> Mediziners, den Darwinismus und den Marxismus, die sich dabei einschneidende<lb/> Korrekturen gefallen lassen müssen, unter einander und mit Kants Lehre von den<lb/> absoluten logischen und ethischen Gesetzen zu versöhnen (System des moralischen<lb/> Bewußtseins mit besondrer Darlegung des Verhältnisses der kritischen Philosophie<lb/> zu Darwinismus und Sozialismus von Dr. Ludwig Woltmann. Düsseldorf,<lb/> Hermann Michel, 1898). Das andre ist eine Ethische Studien betitelte<lb/> Snmmlung von Zeitschriftenaufsätzen des unermüdliche» Eduard von Hartmann<lb/> (Leipzig, Hermann Hencke, 1898). Der erste: Unterhalb und oberhalb von gut<lb/> und böse betitelte Aufsatz charakterisirt die drei Standpunkte, die man in der Moral-<lb/> fwge einnehmen kann: den naturalistischen, den mvralistischen (die Annahme, daß<lb/> die Moralität das einzige unbedingt Wertvolle sei) und den supranatnralistischen.<lb/> Bei dem dritten hebt Hartmann mit Recht hervor, wie gefährlich der geistige</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0431]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
allsgestattet, sehnt er sich nach etwas Neuem, etwas Lebhaftem, wenn es auch nur
den Anschein von etwas Logischen und Nützlichem hat — doch sind ja auch die
Theezeremonien nicht für ihn gemacht! Wenn die Menschen, für die sie geschaffen
sind, Genuß daran finden, so lassen wir ihnen ihr Vergnügen; auf jeden Fall aber
sind die Theezeremonien nicht nur äußerst harmlos, sondern haben sogar, wenigstens
in ihrer letzten Form, viel dazu beigetragen, die japanische Kunst in ihrer Reinheit
zu erhalten.
Der höhere Zweck, der früher dem zeremoniellen Theetrinken beigemessen
wurde, scheint jedoch heutzutage den Japanern nicht mehr so recht einleuchten zu
wollen, immerhin haben sie aber noch dessen äußere Formen beibehalten. Überhaupt
verhält man sich im modernen Japan, besonders in höhern Kreisen, dem Thee-
trinken gegenüber schon etwas kühler. Die westliche und besonders unsre deutsche Kultur,
die in den dortigen Verhältnissen so manche Änderung hervorgerufen hat, hat auch
hierin ihren Einfluß bewiese«, deun der deutsche „Bierkomment" findet besonders bei
Japanern, die im Lande des Gambrinus studirt haben, schon regen Beifall. Nicht
umsonst giebt es in Tökyö wie in Aokohama Brauereien unter deutscher Leitung,
und sie machen durchaus keine schlechten Geschäfte, so daß sermo Rikhü, wenn er
von den Toten auferstünde, vielleicht verzweifelt über den Einfluß der „westlichen
Barbaren" die Hände über den Kopf zusammenschlagen und ausrufen würde
-— natürlich auf japanisch —: () jorum, M'um, jornm, o Mg-s imitativ rsrnm!
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Ethische Studien. Der heutige Rezensent steht täglich als Esel nicht zwischen
Zwei Heubündeln, sondern zwischen einigen Dutzenden; beim besten Willen und so
leid es einem thut, verbietet es schou die Rücksicht auf den Raum der Zeitschriften,
allem beachtenswerten in gleichem Maße gerecht zu werden. Der Qual der Wahl
zwischen zwei Büchern, die heute an die Reihe kommen, wollen wir nun in der
Weise ein Ende machen, daß wir das eine den Lesern einfach empfehlen, das andre
ein wenig rezensiren. Jenes ist der kühne Versuch eines philosophisch durchgebildeten
Mediziners, den Darwinismus und den Marxismus, die sich dabei einschneidende
Korrekturen gefallen lassen müssen, unter einander und mit Kants Lehre von den
absoluten logischen und ethischen Gesetzen zu versöhnen (System des moralischen
Bewußtseins mit besondrer Darlegung des Verhältnisses der kritischen Philosophie
zu Darwinismus und Sozialismus von Dr. Ludwig Woltmann. Düsseldorf,
Hermann Michel, 1898). Das andre ist eine Ethische Studien betitelte
Snmmlung von Zeitschriftenaufsätzen des unermüdliche» Eduard von Hartmann
(Leipzig, Hermann Hencke, 1898). Der erste: Unterhalb und oberhalb von gut
und böse betitelte Aufsatz charakterisirt die drei Standpunkte, die man in der Moral-
fwge einnehmen kann: den naturalistischen, den mvralistischen (die Annahme, daß
die Moralität das einzige unbedingt Wertvolle sei) und den supranatnralistischen.
Bei dem dritten hebt Hartmann mit Recht hervor, wie gefährlich der geistige
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