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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Altösterreichische Versündigungen am Deutschtum

können, sie stößt unbarmherzig alle die aus, die die ihr notwendigen Eigen¬
schaften verlieren. So trägt heute nicht mehr wie früher das Amt den Manu,
sondern der Mann das Amt; keiner, der ihm nicht innerlich gewachsen ist,
kann sich auf die Dauer in ihm behaupten, mögen seine äußern Verhältnisse
noch so günstig sein. Daher ist es allerdings heute äußerlich zwar viel leichter,
aber innerlich unendlich schwieriger, zu der Geistesaristokratie zu gehören, als
früher zum Landadel oder später zur Geldaristokratie; sie ist kein geschlossener
herrschender Stand, sondern eine leitende gesellschaftliche Schicht, die sich fort¬
gesetzt verändert und erneuert. Wir dürfen es ohne Überhebung sagen: sie ist
nirgends in solchem Maße und in so weitem Umfange vorhanden wie in
Deutschland, weil wir das Volk Luthers und Kants, Friedrichs des Großen
und Kaiser Wilhelms I. sind.


Gelo Uaemmel


Altösterreichische Versündigungen am Deutschtum

as habsburgisch-lothringische Kaisertum in der Ostmark hat nicht
erst seit dem ungarischen Dualismus den herrschenden Kultur¬
träger des Staats, das deutsche Volkstum, dem fremden Völker¬
gewimmel der Slawen, Ungarn und dem Häuflein Italiener preis¬
gegeben. Daß ein deutscher Staat, Preußen, überhaupt erst zur
Einheit ihres Staates verholfen hat, vergessen die Jtalianissimi der Jrredenta
gänzlich und lohnen dem Deutschtum diese befreiende That durch Verfolgung
unsrer Stammesgenossen ans uraltem deutschen Volksboden. Südtirol und
der Kanton Tessin in der Schweiz sind die Zeugen dieses Vorgangs, ohne
daß der Deutsche im Reiche aus seiner Gleichgiltigkeit aufgerüttelt worden wäre.
Wir sind gewohnt, gedankenlos von einer italienischen Schweiz zu sprechen,
und ahnen nicht, daß der Kamm der Alpen niemals die Volks- und Sprach¬
grenze zwischen Germanen und Romanen gebildet hat. Südwärts auf dem
rechten Ufer des Po wohnt der gemischte Menschenschlag, der viel germanisches
Blut in sich birgt. Nordwärts vom Po ist reines deutsches Blut. Nicht nur
Goten und Langobarden haben hier die keltisch-römischen Bewohner ersetzt,
sondern auch die deutschen Stämme des Reichs, Schwaben und Bayern, sind
langsam bis in die lombardische Ebne vorgedrungen. Die Römerzuge der
Kaiser brachten stets neue Blutauffrischung. Erst nach der Hohenstaufenzeit
versiegte diese Quelle der Vvlkserneuerung, und der Haß der lombardischen


Altösterreichische Versündigungen am Deutschtum

können, sie stößt unbarmherzig alle die aus, die die ihr notwendigen Eigen¬
schaften verlieren. So trägt heute nicht mehr wie früher das Amt den Manu,
sondern der Mann das Amt; keiner, der ihm nicht innerlich gewachsen ist,
kann sich auf die Dauer in ihm behaupten, mögen seine äußern Verhältnisse
noch so günstig sein. Daher ist es allerdings heute äußerlich zwar viel leichter,
aber innerlich unendlich schwieriger, zu der Geistesaristokratie zu gehören, als
früher zum Landadel oder später zur Geldaristokratie; sie ist kein geschlossener
herrschender Stand, sondern eine leitende gesellschaftliche Schicht, die sich fort¬
gesetzt verändert und erneuert. Wir dürfen es ohne Überhebung sagen: sie ist
nirgends in solchem Maße und in so weitem Umfange vorhanden wie in
Deutschland, weil wir das Volk Luthers und Kants, Friedrichs des Großen
und Kaiser Wilhelms I. sind.


Gelo Uaemmel


Altösterreichische Versündigungen am Deutschtum

as habsburgisch-lothringische Kaisertum in der Ostmark hat nicht
erst seit dem ungarischen Dualismus den herrschenden Kultur¬
träger des Staats, das deutsche Volkstum, dem fremden Völker¬
gewimmel der Slawen, Ungarn und dem Häuflein Italiener preis¬
gegeben. Daß ein deutscher Staat, Preußen, überhaupt erst zur
Einheit ihres Staates verholfen hat, vergessen die Jtalianissimi der Jrredenta
gänzlich und lohnen dem Deutschtum diese befreiende That durch Verfolgung
unsrer Stammesgenossen ans uraltem deutschen Volksboden. Südtirol und
der Kanton Tessin in der Schweiz sind die Zeugen dieses Vorgangs, ohne
daß der Deutsche im Reiche aus seiner Gleichgiltigkeit aufgerüttelt worden wäre.
Wir sind gewohnt, gedankenlos von einer italienischen Schweiz zu sprechen,
und ahnen nicht, daß der Kamm der Alpen niemals die Volks- und Sprach¬
grenze zwischen Germanen und Romanen gebildet hat. Südwärts auf dem
rechten Ufer des Po wohnt der gemischte Menschenschlag, der viel germanisches
Blut in sich birgt. Nordwärts vom Po ist reines deutsches Blut. Nicht nur
Goten und Langobarden haben hier die keltisch-römischen Bewohner ersetzt,
sondern auch die deutschen Stämme des Reichs, Schwaben und Bayern, sind
langsam bis in die lombardische Ebne vorgedrungen. Die Römerzuge der
Kaiser brachten stets neue Blutauffrischung. Erst nach der Hohenstaufenzeit
versiegte diese Quelle der Vvlkserneuerung, und der Haß der lombardischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/16>, abgerufen am 23.07.2024.