Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches schlaggebend mitreden. Das wäre ein falscher Grundsatz, mit dem, wenn er Maßgebliches und Unmaßgebliches Politische Partei und Berufsstand. Wir wissen recht ant, daß unser Maßgebliches und Unmaßgebliches schlaggebend mitreden. Das wäre ein falscher Grundsatz, mit dem, wenn er Maßgebliches und Unmaßgebliches Politische Partei und Berufsstand. Wir wissen recht ant, daß unser <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0573" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226159"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1443" prev="#ID_1442"> schlaggebend mitreden. Das wäre ein falscher Grundsatz, mit dem, wenn er<lb/> bestünde, gebrochen werden müßte. Es wäre wahrhaftig nicht schön, wenn<lb/> sich der preußische Staat aus Geiz mit seiner Eisenbahnverstaatlichung doch<lb/> noch blamirte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Politische Partei und Berufsstand.</head> <p xml:id="ID_1444"> Wir wissen recht ant, daß unser<lb/> Ideal einer Vertretung der Berufsstaude nicht einmal in der von Schaffte vor¬<lb/> geschlagneu Form möglich ist, aber wir können nicht umhin, diese Unmöglichkeit<lb/> schon aus dem Grunde zu bedauern, weil dadurch der Zwang zur UnWahrhaftigkeit,<lb/> den das Politische Leben mit sich bringt, ganz bedeutend verstärkt wird. Die<lb/> Bernfsstände müssen, um ihre Interessen zu wahre», politische Parteien bilden, und<lb/> da außer den beiden Stauden, denen die selbständige Parteibildung durch ihre<lb/> Lebensverhältnisse erschwert wird, den Bauern und den Lohnarbeitern, kein Stand<lb/> zahlreich genug ist, für sich allein eine ausschlaggebende Partei bilden zu können,<lb/> so muß jeder von ihnen die Führung in einer großen Partei zu erlangen suchen,<lb/> die auch Angehörige andrer Bernfsstände umfaßt, und muß diesen vorlügen, daß<lb/> er auch ihre Interessen vertrete. Gewöhnlich geschieht das in der Weise, daß die<lb/> Parteiführer, wie jüngst wiederum Eugen Richter in Nürnberg, verkündigen, sie<lb/> allein verträten die Interessen des ganzen Volkes, aller Bernfsstände, während alle<lb/> andern Parteien nur Sonderinteresseu verträten. Natürlich ist das unmöglich, da<lb/> ja eben die Interessen der verschiednen Berufsstände einander widerstreiten. Wenn<lb/> Zeder Verufsstaud seine eignen Vertreter wählte, und keiner Gewalt gestattet wäre,<lb/> sich in diese Wahlen einzumischen, so könnten die Wahlen in aller Ruhe und ohne<lb/> Agitation verlaufen, und man brauchte dabei einander nichts vorzulügen. Sache<lb/> der Regierung oder eines zur Vereinbarung von Kompromissen eingesetzten Parla¬<lb/> mentsausschusses würde es dann sein, aus deu einander widersprechenden Forde¬<lb/> rungen der Bernfsstände nach dem Satz vom Parallelogramm der Kräfte die<lb/> Diagonale herauszurechnen, in der das Staatsschiff zu steuern hätte. Von den Par¬<lb/> teien selbst ist keine unbefangen und entsagend genug, diese Leistung zu vollbringen;<lb/> Wenn ein Verufsstaud dem andern die Wandrung seiner Interessen anvertraut, so<lb/> macht er allemal deu Bock zum Gärtner. Es giebt bekanntlich nur eine Partei im<lb/> Reiche, der es bisher gelungen ist, Wähler aus allen Berufsständen zu vereinigen<lb/> und fünfundzwanzig Jahre lang festzuhalten, aber man weiß auch, daß sich die<lb/> Umstände, die unsre Zentrumspartei geschaffen haben, kein zweitesmal zuscimmen-<lb/> stnden werden, man weiß außerdem, wie schwer es der Partei fällt, die auseinander-<lb/> strebenden Bestandteile zusammenzuhalten, und wie in Baiern die Bauerubüudler, in<lb/> Oberschlesien die Pole» im offnen Aufruhr gegen die Parteileitung find, und man<lb/> »eure in allen andern Lagern die Partei eine naturwidrige Bildung und prophezeit,<lb/> freilich wohl etwas voreilig, ihren baldigen Untergang.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0573]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
schlaggebend mitreden. Das wäre ein falscher Grundsatz, mit dem, wenn er
bestünde, gebrochen werden müßte. Es wäre wahrhaftig nicht schön, wenn
sich der preußische Staat aus Geiz mit seiner Eisenbahnverstaatlichung doch
noch blamirte.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Politische Partei und Berufsstand. Wir wissen recht ant, daß unser
Ideal einer Vertretung der Berufsstaude nicht einmal in der von Schaffte vor¬
geschlagneu Form möglich ist, aber wir können nicht umhin, diese Unmöglichkeit
schon aus dem Grunde zu bedauern, weil dadurch der Zwang zur UnWahrhaftigkeit,
den das Politische Leben mit sich bringt, ganz bedeutend verstärkt wird. Die
Bernfsstände müssen, um ihre Interessen zu wahre», politische Parteien bilden, und
da außer den beiden Stauden, denen die selbständige Parteibildung durch ihre
Lebensverhältnisse erschwert wird, den Bauern und den Lohnarbeitern, kein Stand
zahlreich genug ist, für sich allein eine ausschlaggebende Partei bilden zu können,
so muß jeder von ihnen die Führung in einer großen Partei zu erlangen suchen,
die auch Angehörige andrer Bernfsstände umfaßt, und muß diesen vorlügen, daß
er auch ihre Interessen vertrete. Gewöhnlich geschieht das in der Weise, daß die
Parteiführer, wie jüngst wiederum Eugen Richter in Nürnberg, verkündigen, sie
allein verträten die Interessen des ganzen Volkes, aller Bernfsstände, während alle
andern Parteien nur Sonderinteresseu verträten. Natürlich ist das unmöglich, da
ja eben die Interessen der verschiednen Berufsstände einander widerstreiten. Wenn
Zeder Verufsstaud seine eignen Vertreter wählte, und keiner Gewalt gestattet wäre,
sich in diese Wahlen einzumischen, so könnten die Wahlen in aller Ruhe und ohne
Agitation verlaufen, und man brauchte dabei einander nichts vorzulügen. Sache
der Regierung oder eines zur Vereinbarung von Kompromissen eingesetzten Parla¬
mentsausschusses würde es dann sein, aus deu einander widersprechenden Forde¬
rungen der Bernfsstände nach dem Satz vom Parallelogramm der Kräfte die
Diagonale herauszurechnen, in der das Staatsschiff zu steuern hätte. Von den Par¬
teien selbst ist keine unbefangen und entsagend genug, diese Leistung zu vollbringen;
Wenn ein Verufsstaud dem andern die Wandrung seiner Interessen anvertraut, so
macht er allemal deu Bock zum Gärtner. Es giebt bekanntlich nur eine Partei im
Reiche, der es bisher gelungen ist, Wähler aus allen Berufsständen zu vereinigen
und fünfundzwanzig Jahre lang festzuhalten, aber man weiß auch, daß sich die
Umstände, die unsre Zentrumspartei geschaffen haben, kein zweitesmal zuscimmen-
stnden werden, man weiß außerdem, wie schwer es der Partei fällt, die auseinander-
strebenden Bestandteile zusammenzuhalten, und wie in Baiern die Bauerubüudler, in
Oberschlesien die Pole» im offnen Aufruhr gegen die Parteileitung find, und man
»eure in allen andern Lagern die Partei eine naturwidrige Bildung und prophezeit,
freilich wohl etwas voreilig, ihren baldigen Untergang.
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