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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Litteratur

worden war. Am andern Morgen führte ich die Freunde, die nichts ahnen sollten,
statt durch die Merceria rechts hinein, durch San Moise und durch ein schier
endloses Gewirr von Gassen. Ans einmal sind wir vor der Fassade einer kleinen
Renaissancekirche; die Freunde riefen: La,uta, Ug,ria. tormosg.! und nun sahen wir
Palma Vecchios unsterbliches Meisterwerk, die heilige Barbara, die Schutzgöttin
der Artillerie, ISIS gemalt. In alter sieggewohnter Schönheit leuchtete das
Frauenantlitz, legte sich das Diadem von dunkelm Haar um die Stiru und floß
dos Purpurgewand um die schwellenden Glieder. Wir waren einig, daß ein
gütiger Genius Palma die Hand geführt habe, als er in dem herrlichen Antlitz
der stolzen Gestalt die Lieblichkeit, die Hoheit und die frauenhafte Milde der drei
Madonnen vereinigte.




Litteratur

Die Lage des Handwerks. Von den "Untersuchungen" liegen uus vier
weitere Bände vor (66., 67., 63. und 69. Band der Schriften des Vereins für
Sozialpolitik. Leipzig, Duncker und Humblot, 1896 und 1897), die noch einige
Gewerbe "ut Orte Sachsens, Preußens und Süddeutschlands behandeln. Interessant
sind zunächst die Vorworte. In dem zum 66. Bande berichtet Professor Bücher
über die Arbeitsweise in seinem Seminar. Wenn diese Studirenden, die gewöhnt
worden sind, sich in Werkstätten, Wohnstätten und Läden umzusehen und mit der
Benutzung alter Urkunden die Beobachtung des Lebens der Gegenwart zu ver¬
binden, wenn die einmal Regieruugsräte und Ministerialrüte sein werden, dann
wird man ihren Verfügungen den grünen Tisch, an dem sie sich möglicherweise
mit einander beraten haben, nicht zum Vorwurf machen können. Im 68. Bande
werden ein paar Urteile von Handwerkern über diese Untersuchungen angeführt.
Das Organ der Leipziger Innungen erkennt in einer Besprechung der drei ersten
Bände an, daß sich die Verfasser keine Mühe haben verdrießen lassen, "in den
technischen Betrieb und innern Geschäftsgang wie in die historische Entwicklung
der vou ihnen behandelten Gewerbe möglichst tief einzudringen, und wenn diese
oder jene Arbeiten Mängel ausweisen, so liegt das sicher weniger an den Ver¬
fassern, als an unangebrachter Zugeknöpftheit der befragten Handwerker." Die Buuz-
lauer TUpferiunung hat dem Bearbeiter ihres Gewerbes ihren Dank aussprechen
lassen; er habe sich um die Töpferei außerordentlich verdient gemacht, schreibt der
Obermeister. Dagegen hat die Deutsche Handwerkerzeitung heftige Angriffe gegen
das Unternehmen gerichtet. In einem ihrer Artikel heißt es: "Die geradezu selbst¬
mörderische Vertrauensseligkeit, die viele Handwerksmeister diesen jüngsten Aposteln
der Soziologie gegenüber an den Tag legen, muß das Erstaunen jedes auch nur
einigermaßen kaufmäunisch gebildeten Menschen mit Notwendigkeit hervorrufen. Von
der Grundbedingung des Gedeihens jedes gewerblichen Unternehmens, der mög¬
lichsten Geheimhaltung der eignen Bezugsquelle", Verbindungen, des Absatzgebiets,
Kredits usw. scheinen alle diese ehrenwerten Meister keine Ahnung zu haben. Wann


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worden war. Am andern Morgen führte ich die Freunde, die nichts ahnen sollten,
statt durch die Merceria rechts hinein, durch San Moise und durch ein schier
endloses Gewirr von Gassen. Ans einmal sind wir vor der Fassade einer kleinen
Renaissancekirche; die Freunde riefen: La,uta, Ug,ria. tormosg.! und nun sahen wir
Palma Vecchios unsterbliches Meisterwerk, die heilige Barbara, die Schutzgöttin
der Artillerie, ISIS gemalt. In alter sieggewohnter Schönheit leuchtete das
Frauenantlitz, legte sich das Diadem von dunkelm Haar um die Stiru und floß
dos Purpurgewand um die schwellenden Glieder. Wir waren einig, daß ein
gütiger Genius Palma die Hand geführt habe, als er in dem herrlichen Antlitz
der stolzen Gestalt die Lieblichkeit, die Hoheit und die frauenhafte Milde der drei
Madonnen vereinigte.




Litteratur

Die Lage des Handwerks. Von den „Untersuchungen" liegen uus vier
weitere Bände vor (66., 67., 63. und 69. Band der Schriften des Vereins für
Sozialpolitik. Leipzig, Duncker und Humblot, 1896 und 1897), die noch einige
Gewerbe »ut Orte Sachsens, Preußens und Süddeutschlands behandeln. Interessant
sind zunächst die Vorworte. In dem zum 66. Bande berichtet Professor Bücher
über die Arbeitsweise in seinem Seminar. Wenn diese Studirenden, die gewöhnt
worden sind, sich in Werkstätten, Wohnstätten und Läden umzusehen und mit der
Benutzung alter Urkunden die Beobachtung des Lebens der Gegenwart zu ver¬
binden, wenn die einmal Regieruugsräte und Ministerialrüte sein werden, dann
wird man ihren Verfügungen den grünen Tisch, an dem sie sich möglicherweise
mit einander beraten haben, nicht zum Vorwurf machen können. Im 68. Bande
werden ein paar Urteile von Handwerkern über diese Untersuchungen angeführt.
Das Organ der Leipziger Innungen erkennt in einer Besprechung der drei ersten
Bände an, daß sich die Verfasser keine Mühe haben verdrießen lassen, „in den
technischen Betrieb und innern Geschäftsgang wie in die historische Entwicklung
der vou ihnen behandelten Gewerbe möglichst tief einzudringen, und wenn diese
oder jene Arbeiten Mängel ausweisen, so liegt das sicher weniger an den Ver¬
fassern, als an unangebrachter Zugeknöpftheit der befragten Handwerker." Die Buuz-
lauer TUpferiunung hat dem Bearbeiter ihres Gewerbes ihren Dank aussprechen
lassen; er habe sich um die Töpferei außerordentlich verdient gemacht, schreibt der
Obermeister. Dagegen hat die Deutsche Handwerkerzeitung heftige Angriffe gegen
das Unternehmen gerichtet. In einem ihrer Artikel heißt es: „Die geradezu selbst¬
mörderische Vertrauensseligkeit, die viele Handwerksmeister diesen jüngsten Aposteln
der Soziologie gegenüber an den Tag legen, muß das Erstaunen jedes auch nur
einigermaßen kaufmäunisch gebildeten Menschen mit Notwendigkeit hervorrufen. Von
der Grundbedingung des Gedeihens jedes gewerblichen Unternehmens, der mög¬
lichsten Geheimhaltung der eignen Bezugsquelle», Verbindungen, des Absatzgebiets,
Kredits usw. scheinen alle diese ehrenwerten Meister keine Ahnung zu haben. Wann


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[0052] Litteratur worden war. Am andern Morgen führte ich die Freunde, die nichts ahnen sollten, statt durch die Merceria rechts hinein, durch San Moise und durch ein schier endloses Gewirr von Gassen. Ans einmal sind wir vor der Fassade einer kleinen Renaissancekirche; die Freunde riefen: La,uta, Ug,ria. tormosg.! und nun sahen wir Palma Vecchios unsterbliches Meisterwerk, die heilige Barbara, die Schutzgöttin der Artillerie, ISIS gemalt. In alter sieggewohnter Schönheit leuchtete das Frauenantlitz, legte sich das Diadem von dunkelm Haar um die Stiru und floß dos Purpurgewand um die schwellenden Glieder. Wir waren einig, daß ein gütiger Genius Palma die Hand geführt habe, als er in dem herrlichen Antlitz der stolzen Gestalt die Lieblichkeit, die Hoheit und die frauenhafte Milde der drei Madonnen vereinigte. Litteratur Die Lage des Handwerks. Von den „Untersuchungen" liegen uus vier weitere Bände vor (66., 67., 63. und 69. Band der Schriften des Vereins für Sozialpolitik. Leipzig, Duncker und Humblot, 1896 und 1897), die noch einige Gewerbe »ut Orte Sachsens, Preußens und Süddeutschlands behandeln. Interessant sind zunächst die Vorworte. In dem zum 66. Bande berichtet Professor Bücher über die Arbeitsweise in seinem Seminar. Wenn diese Studirenden, die gewöhnt worden sind, sich in Werkstätten, Wohnstätten und Läden umzusehen und mit der Benutzung alter Urkunden die Beobachtung des Lebens der Gegenwart zu ver¬ binden, wenn die einmal Regieruugsräte und Ministerialrüte sein werden, dann wird man ihren Verfügungen den grünen Tisch, an dem sie sich möglicherweise mit einander beraten haben, nicht zum Vorwurf machen können. Im 68. Bande werden ein paar Urteile von Handwerkern über diese Untersuchungen angeführt. Das Organ der Leipziger Innungen erkennt in einer Besprechung der drei ersten Bände an, daß sich die Verfasser keine Mühe haben verdrießen lassen, „in den technischen Betrieb und innern Geschäftsgang wie in die historische Entwicklung der vou ihnen behandelten Gewerbe möglichst tief einzudringen, und wenn diese oder jene Arbeiten Mängel ausweisen, so liegt das sicher weniger an den Ver¬ fassern, als an unangebrachter Zugeknöpftheit der befragten Handwerker." Die Buuz- lauer TUpferiunung hat dem Bearbeiter ihres Gewerbes ihren Dank aussprechen lassen; er habe sich um die Töpferei außerordentlich verdient gemacht, schreibt der Obermeister. Dagegen hat die Deutsche Handwerkerzeitung heftige Angriffe gegen das Unternehmen gerichtet. In einem ihrer Artikel heißt es: „Die geradezu selbst¬ mörderische Vertrauensseligkeit, die viele Handwerksmeister diesen jüngsten Aposteln der Soziologie gegenüber an den Tag legen, muß das Erstaunen jedes auch nur einigermaßen kaufmäunisch gebildeten Menschen mit Notwendigkeit hervorrufen. Von der Grundbedingung des Gedeihens jedes gewerblichen Unternehmens, der mög¬ lichsten Geheimhaltung der eignen Bezugsquelle», Verbindungen, des Absatzgebiets, Kredits usw. scheinen alle diese ehrenwerten Meister keine Ahnung zu haben. Wann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/52>, abgerufen am 27.12.2024.