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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Rente und Rohertrag

voller Bundesgenosse zu sein. Ja es giebt eine Bedingung, unter der wir in
unserm eignen Interesse gezwungen sein würden, einzuschreiten, selbst mit
Waffengewalt; das wäre die Bildung eines tschechischen Königreichs Böhmen,
das die Deutschen in eine untergeordnete Stellung herabdrückte. Ein solches
könnten wir niemals dulden, wir müßten eingreifen, um unser Fleisch und
Blut vor roher Vergewaltigung zu retten, und um eine feindliche Staaten¬
bildung zu zerstören, die, mitten hineingeschoben zwischen Schlesien, Sachsen
und Vaiern, uns im Falle eines europäischen Krieges aufs gefährlichste bedrohen
könnte. Eine neue deutsche Eroberung Böhmens aber würde das Ende nicht
nur aller Träume von der selbständigen Weuzelkrone, sondern auch aller
"Gleichberechtigung" des tschechischen Volkstums sein. Aber Gott verhüte, daß
jemals diese bittere Notwendigkeit an uns herantrete!




Rente und Rohertrag

in folgenden sollen einige längst bewiesene Sätze aus Nieardos
und Thurms Gruudrcutentheorie wiederholt und auf die Gegen¬
wart angewandt werden.

Erstens: Mit den Marktpreisen des Getreides steigt und
füllt die Grundrente.
Die Bewohner eines Landes verlangen je nach ihrer Anzahl eine bestimmte
Menge Getreide im weitesten Sinne des Wortes zu ihrem Lebensunterhalt.
Das ist die Nachfrage. Um sie zu befriedigen, wird Ackerland in entsprechendem
Umfang unter den Pflug genommen und mit einem bestimmten Aufwand von
Arbeit bestellt. Wie die Erfahrung lehrt, wird nicht alles Land, Stück für
Stück, bebaut, sondern es bleibt immer welches liegen, das zu unfruchtbar ist,
zu viel Arbeit verlangt, um einen bestimmten Ertrag zu liefern. Dies Land
kann Übergängen werden, weil in nicht zu weiter Entfernung besserer, weniger
anspruchsvoller Boden zu haben ist.

Der Marktpreis ist für gleich gutes Getreide immer gleich, mag es mit
viel oder mit wenig Arbeit hergestellt sein. Er kann aber nicht andauernd
niedriger sein, als was es kostet, die Ware auf dem schlechtesten Boden her¬
zustellen und von dem fernsten Acker herzuschaffen, der zur Befriedigung der
Nachfrage noch bebaut werden muß. Sonst würde man dieses verlustreiche
Unternehmen aufgeben; die Nachfrage würde nicht befriedigt werden, und der
Preis würde steigen. Er kann aber auch nicht andauernd höher sein, als was die


Rente und Rohertrag

voller Bundesgenosse zu sein. Ja es giebt eine Bedingung, unter der wir in
unserm eignen Interesse gezwungen sein würden, einzuschreiten, selbst mit
Waffengewalt; das wäre die Bildung eines tschechischen Königreichs Böhmen,
das die Deutschen in eine untergeordnete Stellung herabdrückte. Ein solches
könnten wir niemals dulden, wir müßten eingreifen, um unser Fleisch und
Blut vor roher Vergewaltigung zu retten, und um eine feindliche Staaten¬
bildung zu zerstören, die, mitten hineingeschoben zwischen Schlesien, Sachsen
und Vaiern, uns im Falle eines europäischen Krieges aufs gefährlichste bedrohen
könnte. Eine neue deutsche Eroberung Böhmens aber würde das Ende nicht
nur aller Träume von der selbständigen Weuzelkrone, sondern auch aller
„Gleichberechtigung" des tschechischen Volkstums sein. Aber Gott verhüte, daß
jemals diese bittere Notwendigkeit an uns herantrete!




Rente und Rohertrag

in folgenden sollen einige längst bewiesene Sätze aus Nieardos
und Thurms Gruudrcutentheorie wiederholt und auf die Gegen¬
wart angewandt werden.

Erstens: Mit den Marktpreisen des Getreides steigt und
füllt die Grundrente.
Die Bewohner eines Landes verlangen je nach ihrer Anzahl eine bestimmte
Menge Getreide im weitesten Sinne des Wortes zu ihrem Lebensunterhalt.
Das ist die Nachfrage. Um sie zu befriedigen, wird Ackerland in entsprechendem
Umfang unter den Pflug genommen und mit einem bestimmten Aufwand von
Arbeit bestellt. Wie die Erfahrung lehrt, wird nicht alles Land, Stück für
Stück, bebaut, sondern es bleibt immer welches liegen, das zu unfruchtbar ist,
zu viel Arbeit verlangt, um einen bestimmten Ertrag zu liefern. Dies Land
kann Übergängen werden, weil in nicht zu weiter Entfernung besserer, weniger
anspruchsvoller Boden zu haben ist.

Der Marktpreis ist für gleich gutes Getreide immer gleich, mag es mit
viel oder mit wenig Arbeit hergestellt sein. Er kann aber nicht andauernd
niedriger sein, als was es kostet, die Ware auf dem schlechtesten Boden her¬
zustellen und von dem fernsten Acker herzuschaffen, der zur Befriedigung der
Nachfrage noch bebaut werden muß. Sonst würde man dieses verlustreiche
Unternehmen aufgeben; die Nachfrage würde nicht befriedigt werden, und der
Preis würde steigen. Er kann aber auch nicht andauernd höher sein, als was die


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[0494] Rente und Rohertrag voller Bundesgenosse zu sein. Ja es giebt eine Bedingung, unter der wir in unserm eignen Interesse gezwungen sein würden, einzuschreiten, selbst mit Waffengewalt; das wäre die Bildung eines tschechischen Königreichs Böhmen, das die Deutschen in eine untergeordnete Stellung herabdrückte. Ein solches könnten wir niemals dulden, wir müßten eingreifen, um unser Fleisch und Blut vor roher Vergewaltigung zu retten, und um eine feindliche Staaten¬ bildung zu zerstören, die, mitten hineingeschoben zwischen Schlesien, Sachsen und Vaiern, uns im Falle eines europäischen Krieges aufs gefährlichste bedrohen könnte. Eine neue deutsche Eroberung Böhmens aber würde das Ende nicht nur aller Träume von der selbständigen Weuzelkrone, sondern auch aller „Gleichberechtigung" des tschechischen Volkstums sein. Aber Gott verhüte, daß jemals diese bittere Notwendigkeit an uns herantrete! Rente und Rohertrag in folgenden sollen einige längst bewiesene Sätze aus Nieardos und Thurms Gruudrcutentheorie wiederholt und auf die Gegen¬ wart angewandt werden. Erstens: Mit den Marktpreisen des Getreides steigt und füllt die Grundrente. Die Bewohner eines Landes verlangen je nach ihrer Anzahl eine bestimmte Menge Getreide im weitesten Sinne des Wortes zu ihrem Lebensunterhalt. Das ist die Nachfrage. Um sie zu befriedigen, wird Ackerland in entsprechendem Umfang unter den Pflug genommen und mit einem bestimmten Aufwand von Arbeit bestellt. Wie die Erfahrung lehrt, wird nicht alles Land, Stück für Stück, bebaut, sondern es bleibt immer welches liegen, das zu unfruchtbar ist, zu viel Arbeit verlangt, um einen bestimmten Ertrag zu liefern. Dies Land kann Übergängen werden, weil in nicht zu weiter Entfernung besserer, weniger anspruchsvoller Boden zu haben ist. Der Marktpreis ist für gleich gutes Getreide immer gleich, mag es mit viel oder mit wenig Arbeit hergestellt sein. Er kann aber nicht andauernd niedriger sein, als was es kostet, die Ware auf dem schlechtesten Boden her¬ zustellen und von dem fernsten Acker herzuschaffen, der zur Befriedigung der Nachfrage noch bebaut werden muß. Sonst würde man dieses verlustreiche Unternehmen aufgeben; die Nachfrage würde nicht befriedigt werden, und der Preis würde steigen. Er kann aber auch nicht andauernd höher sein, als was die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/494>, abgerufen am 23.07.2024.