Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Die Poesie des ^ternenhimmels und der Sternenhimmel in der Poesie von Alfred Biese eder Naturgenuß beruht nicht nur auf dem unmittelbaren Ein¬ Da lächelt denn vor Freude ein Heller, sonniger Frühlingstag, da ist ein Die Poesie des ^ternenhimmels und der Sternenhimmel in der Poesie von Alfred Biese eder Naturgenuß beruht nicht nur auf dem unmittelbaren Ein¬ Da lächelt denn vor Freude ein Heller, sonniger Frühlingstag, da ist ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0168" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225754"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341865_225585/figures/grenzboten_341865_225585_225754_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Poesie des ^ternenhimmels<lb/> und der Sternenhimmel in der Poesie<lb/><note type="byline"> von Alfred Biese</note></head><lb/> <p xml:id="ID_394"> eder Naturgenuß beruht nicht nur auf dem unmittelbaren Ein¬<lb/> druck, auf der unmittelbaren Wirkung von Form und Farbe<lb/> und Ton, sondern vor allem auf dem, was wir aus unsrer<lb/> innern Erfahrung, unsrer Gedankenwelt, unserm Seelenleben<lb/> hinzuthun. Was wir selbst an Stimmung, an Geist und Gemüt<lb/> in die Natur hineinlegen, das giebt sie wieder; und wie nahe verwandt die<lb/> Natur dem Menschen ist oder in welchem Grade der Mensch nur ein Glied<lb/> der Natur ist, das beweist die Thatsache, daß keine Gestalt in der Natur so<lb/> spröde ist, daß wir uns nicht ihr anpassen, uns in sie hineinfühlen könnten.<lb/> Ohne Belebung, ohne Beseelung wäre die Natur kalt und tot, ein seelenloses<lb/> Bild; aber das Auge der Phantasie durchgeistigt die Erscheinungswelt, sieht<lb/> die geheimsten Beziehungen zwischen ihr und der Menschenseele, entdeckt jene<lb/> tiefe Symbolik, die aus Werden und Vergehen, aus Blühen und Welken, aus<lb/> Bewegung und Nuhe in Gebirg und Thal, in Wald und Feld zum Menschen¬<lb/> herzen spricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_395" next="#ID_396"> Da lächelt denn vor Freude ein Heller, sonniger Frühlingstag, da ist ein<lb/> trüber, grauer Herbsthimmel von Trauer umdüstert. Da ragt mit stolzer<lb/> Stirn der Fels in den Äther empor, da schleicht mit leisen Tritten der Fluß<lb/> durchs Thal; da stürzt sich in überschäumender Lust der Bach dahin, da zieht<lb/> der Strom seine majestätische Bahn im Vollgefühl seiner Kraft. Heimlich und<lb/> traut ruht der Waldsec in tiefer Einsamkeit, ahnungsvoll, träumerisch Blatt<lb/> und Busch und Baum widerspiegelnd. Uns ist, als ob sich die Natur selbst<lb/> beschaute, als ob sie sich in dämmernden Selbstbewußtsein selbst genösse, und<lb/> so senken wir, was an Sinnen und Sehnen, an Bangen und Hoffen in uns lebt,<lb/> hinein in die ruhige Wasserfläche mit ihren zarten, ineinander rinnenden Formen.<lb/> Im Walde umschauert uns die grüne Dämmerung, die dem sonnenermüdeten<lb/> Auge wohlthut, aber zugleich ist es uns, als ob wir einträten in das Reich<lb/> uralter Niesen und Necken, es ist uns, als ob uns die Bäume erzählen wollten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0168]
[Abbildung]
Die Poesie des ^ternenhimmels
und der Sternenhimmel in der Poesie
von Alfred Biese
eder Naturgenuß beruht nicht nur auf dem unmittelbaren Ein¬
druck, auf der unmittelbaren Wirkung von Form und Farbe
und Ton, sondern vor allem auf dem, was wir aus unsrer
innern Erfahrung, unsrer Gedankenwelt, unserm Seelenleben
hinzuthun. Was wir selbst an Stimmung, an Geist und Gemüt
in die Natur hineinlegen, das giebt sie wieder; und wie nahe verwandt die
Natur dem Menschen ist oder in welchem Grade der Mensch nur ein Glied
der Natur ist, das beweist die Thatsache, daß keine Gestalt in der Natur so
spröde ist, daß wir uns nicht ihr anpassen, uns in sie hineinfühlen könnten.
Ohne Belebung, ohne Beseelung wäre die Natur kalt und tot, ein seelenloses
Bild; aber das Auge der Phantasie durchgeistigt die Erscheinungswelt, sieht
die geheimsten Beziehungen zwischen ihr und der Menschenseele, entdeckt jene
tiefe Symbolik, die aus Werden und Vergehen, aus Blühen und Welken, aus
Bewegung und Nuhe in Gebirg und Thal, in Wald und Feld zum Menschen¬
herzen spricht.
Da lächelt denn vor Freude ein Heller, sonniger Frühlingstag, da ist ein
trüber, grauer Herbsthimmel von Trauer umdüstert. Da ragt mit stolzer
Stirn der Fels in den Äther empor, da schleicht mit leisen Tritten der Fluß
durchs Thal; da stürzt sich in überschäumender Lust der Bach dahin, da zieht
der Strom seine majestätische Bahn im Vollgefühl seiner Kraft. Heimlich und
traut ruht der Waldsec in tiefer Einsamkeit, ahnungsvoll, träumerisch Blatt
und Busch und Baum widerspiegelnd. Uns ist, als ob sich die Natur selbst
beschaute, als ob sie sich in dämmernden Selbstbewußtsein selbst genösse, und
so senken wir, was an Sinnen und Sehnen, an Bangen und Hoffen in uns lebt,
hinein in die ruhige Wasserfläche mit ihren zarten, ineinander rinnenden Formen.
Im Walde umschauert uns die grüne Dämmerung, die dem sonnenermüdeten
Auge wohlthut, aber zugleich ist es uns, als ob wir einträten in das Reich
uralter Niesen und Necken, es ist uns, als ob uns die Bäume erzählen wollten
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