Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Litteratur Die Kunst der Renaissance in Italien. Von Adolf Philippi, Erstes Buch: Die Vorrennissnnee (Die Bildhauer von Pisa. Giotto. Fiesole). Mit SO Abbildungen. Leipzig, E, A. Seemann Dieses handliche, nur 117 Seiten in Kleinoktav umfassende Heft ist das erste Daß Philippi nicht für Gelehrte, sondern sür Leute schreibt, die gern lernen, A. R. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Litteratur Die Kunst der Renaissance in Italien. Von Adolf Philippi, Erstes Buch: Die Vorrennissnnee (Die Bildhauer von Pisa. Giotto. Fiesole). Mit SO Abbildungen. Leipzig, E, A. Seemann Dieses handliche, nur 117 Seiten in Kleinoktav umfassende Heft ist das erste Daß Philippi nicht für Gelehrte, sondern sür Leute schreibt, die gern lernen, A. R. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0152" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225738"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die Kunst der Renaissance in Italien. Von Adolf Philippi, Erstes Buch: Die<lb/> Vorrennissnnee (Die Bildhauer von Pisa. Giotto. Fiesole). Mit SO Abbildungen. Leipzig,<lb/> E, A. Seemann</head><lb/> <p xml:id="ID_354"> Dieses handliche, nur 117 Seiten in Kleinoktav umfassende Heft ist das erste<lb/> einer Reihe von kunstgeschichtlichen Einzeldarstellungen, die zunächst in fünf Büchern<lb/> die Kunst der Renaissance in Italien behandeln wollen. Sie ist immer noch die,<lb/> die dem künstlerischen Sinn der Deutschen am nächsten steht, wohl durch unsre<lb/> ästhetische Erziehung, die von der Antike zu Raffael und Michelangelo führt und<lb/> kroß aller Bußpredigten begeisterter Kunstforscher nicht zu den Wurzeln unsrer<lb/> nationalen Kunst, zu Dürer und Holbein, umkehren will. Rein um der Kunst<lb/> willen reisen alljährlich viel mehr Deutsche nach Rom, Florenz und Venedig als<lb/> nach Nürnberg, Augsburg und Hildesheim, und — wenn wir ehrlich sein wollen —<lb/> haben sie auch viel mehr geistige Befriedigung und dauernden Gewinn davon.<lb/> Nirgends finden wir, was insbesondre die Kunst betrifft, ein solches Bild zu¬<lb/> sammenhängender Entwicklung wie in Italien, aber nur in dem Bezirk, der durch<lb/> die Städte Rom, Pisa, Mailand, Venedig und Florenz umschrieben wird. Die<lb/> übrige Kunst Italiens ist, trotz aller Schönheiten im einzelnen, nicht autochthon,<lb/> und daß Philippi dieses scharf hervorgehoben hat, ist ein Beweis der klugen Über¬<lb/> legung und Besonnenheit, womit er an sein ungeachtet aller Vorarbeiten immer<lb/> noch schwieriges Unternehmen herangegangen ist. Im Beginn seiner Laufbahn<lb/> „klassischer Archäologe," wie heute die unlogische Fachbezcichnung lautet, hat<lb/> Philippi in mehr als zwanzigjähriger Lehrthätigkeit an einer Universität die Kunst¬<lb/> geschichte nicht aus den Augen verloren, ja er ist als Kunstgeschichtschreiber ein<lb/> ganzer Manu, der in zwei Jahrzehnten nichts übersehen hat und deshalb mit vollen<lb/> Händen eine runde Weisheit spenden könnte. Aber auf den Magister will er<lb/> sich nicht hiuausspieleu. Er will nur den Laien den Zusammenhang zwischen<lb/> Reiseführern und trocknen kunstgeschichtlichen Leitfaden vermitteln: das Statistische<lb/> ist ihm zuwider; dafür betont er alles Geschichtliche. Er läßt aber auch das<lb/> Biographische beiseite. Die persönlichen Erlebnisse der Künstler bedeuten ihm mit<lb/> Recht viel weniger als ihre Thaten. Für Liebhaber von Künstlerbiographieu sorgt<lb/> die Sammlung von Monographien, die seit einigen Jahren bei Velhagen und Klasing<lb/> erscheint. Philippi ist Historiker. Ihm ist nicht die Person, sondern die von ihr<lb/> ausgehende Entwicklung das Höchste, und nach seinen Grundsätzen historischer Kritik<lb/> hat er die sogenannte „Vorrenaissance" in Italien, namentlich die stark überschätzte<lb/> Bedeutung des Niccolo Pisano auf ihr richtiges Maß beschränkt: er war nicht<lb/> der Beginn einer neuen, sondern der letzte Abglanz einer versunkner Zeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_355"> Daß Philippi nicht für Gelehrte, sondern sür Leute schreibt, die gern lernen,<lb/> was ihnen geschmackvoll geboten wird, wissen die Leser der Grenzboten. Wir<lb/> sehen darum der Fortsetzung dieser Bücherreihe, die übrigens auch dem Kundigen<lb/> manche neue und feinsinnige Beobachtung bietet, mit frohen Erwartungen entgegen.</p><lb/> <note type="byline"> A. R.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0152]
Litteratur
Die Kunst der Renaissance in Italien. Von Adolf Philippi, Erstes Buch: Die
Vorrennissnnee (Die Bildhauer von Pisa. Giotto. Fiesole). Mit SO Abbildungen. Leipzig,
E, A. Seemann
Dieses handliche, nur 117 Seiten in Kleinoktav umfassende Heft ist das erste
einer Reihe von kunstgeschichtlichen Einzeldarstellungen, die zunächst in fünf Büchern
die Kunst der Renaissance in Italien behandeln wollen. Sie ist immer noch die,
die dem künstlerischen Sinn der Deutschen am nächsten steht, wohl durch unsre
ästhetische Erziehung, die von der Antike zu Raffael und Michelangelo führt und
kroß aller Bußpredigten begeisterter Kunstforscher nicht zu den Wurzeln unsrer
nationalen Kunst, zu Dürer und Holbein, umkehren will. Rein um der Kunst
willen reisen alljährlich viel mehr Deutsche nach Rom, Florenz und Venedig als
nach Nürnberg, Augsburg und Hildesheim, und — wenn wir ehrlich sein wollen —
haben sie auch viel mehr geistige Befriedigung und dauernden Gewinn davon.
Nirgends finden wir, was insbesondre die Kunst betrifft, ein solches Bild zu¬
sammenhängender Entwicklung wie in Italien, aber nur in dem Bezirk, der durch
die Städte Rom, Pisa, Mailand, Venedig und Florenz umschrieben wird. Die
übrige Kunst Italiens ist, trotz aller Schönheiten im einzelnen, nicht autochthon,
und daß Philippi dieses scharf hervorgehoben hat, ist ein Beweis der klugen Über¬
legung und Besonnenheit, womit er an sein ungeachtet aller Vorarbeiten immer
noch schwieriges Unternehmen herangegangen ist. Im Beginn seiner Laufbahn
„klassischer Archäologe," wie heute die unlogische Fachbezcichnung lautet, hat
Philippi in mehr als zwanzigjähriger Lehrthätigkeit an einer Universität die Kunst¬
geschichte nicht aus den Augen verloren, ja er ist als Kunstgeschichtschreiber ein
ganzer Manu, der in zwei Jahrzehnten nichts übersehen hat und deshalb mit vollen
Händen eine runde Weisheit spenden könnte. Aber auf den Magister will er
sich nicht hiuausspieleu. Er will nur den Laien den Zusammenhang zwischen
Reiseführern und trocknen kunstgeschichtlichen Leitfaden vermitteln: das Statistische
ist ihm zuwider; dafür betont er alles Geschichtliche. Er läßt aber auch das
Biographische beiseite. Die persönlichen Erlebnisse der Künstler bedeuten ihm mit
Recht viel weniger als ihre Thaten. Für Liebhaber von Künstlerbiographieu sorgt
die Sammlung von Monographien, die seit einigen Jahren bei Velhagen und Klasing
erscheint. Philippi ist Historiker. Ihm ist nicht die Person, sondern die von ihr
ausgehende Entwicklung das Höchste, und nach seinen Grundsätzen historischer Kritik
hat er die sogenannte „Vorrenaissance" in Italien, namentlich die stark überschätzte
Bedeutung des Niccolo Pisano auf ihr richtiges Maß beschränkt: er war nicht
der Beginn einer neuen, sondern der letzte Abglanz einer versunkner Zeit.
Daß Philippi nicht für Gelehrte, sondern sür Leute schreibt, die gern lernen,
was ihnen geschmackvoll geboten wird, wissen die Leser der Grenzboten. Wir
sehen darum der Fortsetzung dieser Bücherreihe, die übrigens auch dem Kundigen
manche neue und feinsinnige Beobachtung bietet, mit frohen Erwartungen entgegen.
A. R.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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