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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Litteratur

Sammeleifers einen so geringen ideellen Wert hat. Ab und zu bekommt man ja
einmal eine hübsche Karte zu sehen, aber bei weitem die meisten sind doch Fabrik¬
ware, gewöhnlich von den "Spezialartisten" lithographischer Anstalten hergestellt,
stümpferhaft gezeichnet, schlecht kolorirt, kurz, künstlerisch wie technisch gleich un¬
erfreulich. Wie viel Schönes ließe sich -- genau für dasselbe Geld! -- herstellen,
wenn die fabrikmäßigen ^Unfertiger solcher Ware einmal mit dem Schlendrian
brechen und sich an wirkliche Künstler wenden wollten, und wenn es dann wirkliche
Künstler nicht für unter ihrer Würde hielten, ihre Kunst in den Dienst solcher Be¬
strebungen zu stellen!

Das Großherzoglich badische Ministerium der Justiz, des Kultus und des
Unterrichts hat vor kurzem eine Konkurrenz ermöglicht zur Herstellung künst¬
lerisch ausgestatteter Bilderpostkarten. Eine Probe von dem erfreulichen Erfolg
dieser Konkurrenz giebt eine soeben erschienene Serie von fünfundzwanzig Post¬
karten vom Schwarzwald und vom Oberrhein (Karlsruhe, Verlag der Hof¬
kunsthandlung von I. Welten. Preis 2 Mark 50 Pfennige). Mit diesen Karten
läßt sich schlechterdings nichts vergleichen, was bisher auf diesem Gebiete in den
Handel gebracht worden ist. Mannichfaltig in ihrer Technik, sind sie zwar nicht
alle von gleichem künstlerischen Wert; aber als Ganzes steht die Sammlung
doch hoch über all dem Zeug, das man an den Schaufenstern unsrer Papier- und
Buchläden hängen sieht. Wir betrachten diese Veröffentlichung als den Anfang
zu einer vollständigen Umgestaltung eines Gebietes der Kleinkunst, das durch seine
Volkstümlichkeit doch nnn einmal eine unleugbare Wichtigkeit erlangt hat. Möge
sich kein Sammler diese Karten entgehen lassen, Geschmack und Ansprüche werden
sich dadurch wesentlich steigern. Möchten sich aber vor allen Dingen auch die litho¬
graphischen Anstalten, die sich mit der Fabrikation von Bilderpostkarten beschäftigen,
ernstlich um diese Karlsruher Karten kümmern, damit sie einmal sehen, was auf
diesem Gebiete geleistet werden kann. Und dabei ist es, wie gesagt, nur ein
Anfang.




Litteratur
Gottsched und die deutsche Litteratur seiner Zeit. Von Dr. Gustav Waniek.
Leipzig, Breitropf und Härtel, 18!)7

Das allgemeine Urteil genießt noch immer mit Schadenfreude Gottscheds
Sturz vou der Höhe seiner "Diktatur," und je weniger man ihn kennt, desto
komischer glaubt man den "Tyrannen des Geschmacks" finden zu können. Ein so
schwerfälliges Buch wie Dcmzels "Gottsched und seine Zeit" hat den Eindruck von
Lessings Hieben und des jungen Goethes spöttischen Bemerkungen nicht schwächen
können. Dcmzels wissenschaftliche Einseitigkeiten haben es auch für den Fachmann
nötig gemacht, bei der Beurteilung Gottscheds ihn sehr vorsichtig zu benutzen.
Der Wissenschaft und der größern Gemeinde der litterargeschichtlich interessirten
stellt nun Waniek seinen neuen Gottsched vor. "Mancher Nimbus ist von ihm


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Sammeleifers einen so geringen ideellen Wert hat. Ab und zu bekommt man ja
einmal eine hübsche Karte zu sehen, aber bei weitem die meisten sind doch Fabrik¬
ware, gewöhnlich von den „Spezialartisten" lithographischer Anstalten hergestellt,
stümpferhaft gezeichnet, schlecht kolorirt, kurz, künstlerisch wie technisch gleich un¬
erfreulich. Wie viel Schönes ließe sich — genau für dasselbe Geld! — herstellen,
wenn die fabrikmäßigen ^Unfertiger solcher Ware einmal mit dem Schlendrian
brechen und sich an wirkliche Künstler wenden wollten, und wenn es dann wirkliche
Künstler nicht für unter ihrer Würde hielten, ihre Kunst in den Dienst solcher Be¬
strebungen zu stellen!

Das Großherzoglich badische Ministerium der Justiz, des Kultus und des
Unterrichts hat vor kurzem eine Konkurrenz ermöglicht zur Herstellung künst¬
lerisch ausgestatteter Bilderpostkarten. Eine Probe von dem erfreulichen Erfolg
dieser Konkurrenz giebt eine soeben erschienene Serie von fünfundzwanzig Post¬
karten vom Schwarzwald und vom Oberrhein (Karlsruhe, Verlag der Hof¬
kunsthandlung von I. Welten. Preis 2 Mark 50 Pfennige). Mit diesen Karten
läßt sich schlechterdings nichts vergleichen, was bisher auf diesem Gebiete in den
Handel gebracht worden ist. Mannichfaltig in ihrer Technik, sind sie zwar nicht
alle von gleichem künstlerischen Wert; aber als Ganzes steht die Sammlung
doch hoch über all dem Zeug, das man an den Schaufenstern unsrer Papier- und
Buchläden hängen sieht. Wir betrachten diese Veröffentlichung als den Anfang
zu einer vollständigen Umgestaltung eines Gebietes der Kleinkunst, das durch seine
Volkstümlichkeit doch nnn einmal eine unleugbare Wichtigkeit erlangt hat. Möge
sich kein Sammler diese Karten entgehen lassen, Geschmack und Ansprüche werden
sich dadurch wesentlich steigern. Möchten sich aber vor allen Dingen auch die litho¬
graphischen Anstalten, die sich mit der Fabrikation von Bilderpostkarten beschäftigen,
ernstlich um diese Karlsruher Karten kümmern, damit sie einmal sehen, was auf
diesem Gebiete geleistet werden kann. Und dabei ist es, wie gesagt, nur ein
Anfang.




Litteratur
Gottsched und die deutsche Litteratur seiner Zeit. Von Dr. Gustav Waniek.
Leipzig, Breitropf und Härtel, 18!)7

Das allgemeine Urteil genießt noch immer mit Schadenfreude Gottscheds
Sturz vou der Höhe seiner „Diktatur," und je weniger man ihn kennt, desto
komischer glaubt man den „Tyrannen des Geschmacks" finden zu können. Ein so
schwerfälliges Buch wie Dcmzels „Gottsched und seine Zeit" hat den Eindruck von
Lessings Hieben und des jungen Goethes spöttischen Bemerkungen nicht schwächen
können. Dcmzels wissenschaftliche Einseitigkeiten haben es auch für den Fachmann
nötig gemacht, bei der Beurteilung Gottscheds ihn sehr vorsichtig zu benutzen.
Der Wissenschaft und der größern Gemeinde der litterargeschichtlich interessirten
stellt nun Waniek seinen neuen Gottsched vor. „Mancher Nimbus ist von ihm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/150>, abgerufen am 23.07.2024.