Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Karl V. und die Fugger es muß gestehen, daß ich das bekannte Bild C. Beckers, das dar¬ Aber ist denn die Geschichte überhaupt wahr? Die Anekdote taucht erst Karl V. und die Fugger es muß gestehen, daß ich das bekannte Bild C. Beckers, das dar¬ Aber ist denn die Geschichte überhaupt wahr? Die Anekdote taucht erst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0528" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224774"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341865_224245/figures/grenzboten_341865_224245_224774_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Karl V. und die Fugger</head><lb/> <p xml:id="ID_1585"> es muß gestehen, daß ich das bekannte Bild C. Beckers, das dar¬<lb/> stellt, wie Anton Fugger, um Karl V. zu ehren, als er ihn bei<lb/> sich zu Gaste hatte, vor seinen Augen einige Wechsel verbrennt,<lb/> nie ohne ein Gefühl von Mißbehagen habe ansehen können, über<lb/> das auch die meisterhafte Darstellung der Kostüme uicht hinweg¬<lb/> half. Fugger steht da mit der Handbewegung eines Mannes, dem auch die<lb/> schwierigsten Dinge eine Kleinigkeit sind, und Karl weiß offenbar nicht, was<lb/> er dazu sagen soll. Man empfindet es doch als eine arge Taktlosigkeit, einen<lb/> hohen Gast dadurch ehren zu wollen, daß man ihn seine Abhängigkeit fühlen<lb/> läßt. Ich wäre in der Lage Karls mehr für das Verfahren eines Engländern,<lb/> der, als er ein Haar in der Suppe gefunden hatte, befahl: Bringen Sie mir<lb/> ein andermal die Haare apart und die Suppe apart. Es wird eingewendet<lb/> werden, daß damals die Verkehrsformen anders gewesen seien. Ja vielleicht<lb/> die Formen, aber sicher nicht die Empfindung! die bleibt zu allen Zeiten gleich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1586" next="#ID_1587"> Aber ist denn die Geschichte überhaupt wahr? Die Anekdote taucht erst<lb/> im siebzehnten Jahrhundert auf und wird zuerst in eiuer Zeitschrift, betitelt<lb/> ^ouriml des L^rvans 1685 erzählt, also in eiuer Zeit, wo man von den großen<lb/> Reichtümern des sechzehnten Jahrhunderts nur sagenhafte Kunde hatte. Auffallend<lb/> ist, daß in den Fuggerschen Familienpapieren nirgends von der gewiß erzählens¬<lb/> werten Geschichte die Rede ist, noch ausfüllender, daß die Geschichte auch von<lb/> mehreren andern reichen Kaufleuten derselben Zeit, so von Adamo Centurione<lb/> in Genua und von dem Antwerpner Kaufmann Jan Daem oder einem in Ant¬<lb/> werpen wohnenden italienischen Kaufmann Juliano Dozzi erzählt wird. Wir<lb/> müssen also annehmen, daß die Sache überhaupt uicht oder doch uicht in der<lb/> geschilderten Weise geschehen ist. Vielleicht hat folgende Stelle aus einer Denk¬<lb/> schrift vom Jahre 1546 den Anlaß zu der Sage gegeben. Dort wird geschrieben:<lb/> Als Kaiser Karl (nach der Einnahme von Ingolstadt 1546) wieder zurück¬<lb/> gekommen und von Herrn Anton abermals Geld begehrt, hat Herr Anton ge¬<lb/> antwortet, daß er in den Niederlanden wohl Mittel Hütte, mit denen er Ihrer<lb/> Majestät dienen wollte und könnte, was sehr angenehm gewesen ist, allein in<lb/> Deutschland habe er keine andern Mittel als etliche Wechselbriefe, die er zer¬<lb/> rissen und verbrannt, damit Ihre Majestät sehe, daß er ihr begehre mit seiner</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0528]
[Abbildung]
Karl V. und die Fugger
es muß gestehen, daß ich das bekannte Bild C. Beckers, das dar¬
stellt, wie Anton Fugger, um Karl V. zu ehren, als er ihn bei
sich zu Gaste hatte, vor seinen Augen einige Wechsel verbrennt,
nie ohne ein Gefühl von Mißbehagen habe ansehen können, über
das auch die meisterhafte Darstellung der Kostüme uicht hinweg¬
half. Fugger steht da mit der Handbewegung eines Mannes, dem auch die
schwierigsten Dinge eine Kleinigkeit sind, und Karl weiß offenbar nicht, was
er dazu sagen soll. Man empfindet es doch als eine arge Taktlosigkeit, einen
hohen Gast dadurch ehren zu wollen, daß man ihn seine Abhängigkeit fühlen
läßt. Ich wäre in der Lage Karls mehr für das Verfahren eines Engländern,
der, als er ein Haar in der Suppe gefunden hatte, befahl: Bringen Sie mir
ein andermal die Haare apart und die Suppe apart. Es wird eingewendet
werden, daß damals die Verkehrsformen anders gewesen seien. Ja vielleicht
die Formen, aber sicher nicht die Empfindung! die bleibt zu allen Zeiten gleich.
Aber ist denn die Geschichte überhaupt wahr? Die Anekdote taucht erst
im siebzehnten Jahrhundert auf und wird zuerst in eiuer Zeitschrift, betitelt
^ouriml des L^rvans 1685 erzählt, also in eiuer Zeit, wo man von den großen
Reichtümern des sechzehnten Jahrhunderts nur sagenhafte Kunde hatte. Auffallend
ist, daß in den Fuggerschen Familienpapieren nirgends von der gewiß erzählens¬
werten Geschichte die Rede ist, noch ausfüllender, daß die Geschichte auch von
mehreren andern reichen Kaufleuten derselben Zeit, so von Adamo Centurione
in Genua und von dem Antwerpner Kaufmann Jan Daem oder einem in Ant¬
werpen wohnenden italienischen Kaufmann Juliano Dozzi erzählt wird. Wir
müssen also annehmen, daß die Sache überhaupt uicht oder doch uicht in der
geschilderten Weise geschehen ist. Vielleicht hat folgende Stelle aus einer Denk¬
schrift vom Jahre 1546 den Anlaß zu der Sage gegeben. Dort wird geschrieben:
Als Kaiser Karl (nach der Einnahme von Ingolstadt 1546) wieder zurück¬
gekommen und von Herrn Anton abermals Geld begehrt, hat Herr Anton ge¬
antwortet, daß er in den Niederlanden wohl Mittel Hütte, mit denen er Ihrer
Majestät dienen wollte und könnte, was sehr angenehm gewesen ist, allein in
Deutschland habe er keine andern Mittel als etliche Wechselbriefe, die er zer¬
rissen und verbrannt, damit Ihre Majestät sehe, daß er ihr begehre mit seiner
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |