Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Litteratur Feldmnrschall Derfflinger von W, r>, Unger^ Berlin, 3)entier u, Sohn, .1896 Wenn ein Soldat etwas zu sagen hat, so kann man meist sicher sein, daß es Diese gute Standcseigenschast macht sich auch bei Büchern vou Soldaten an¬ Litteratur Feldmnrschall Derfflinger von W, r>, Unger^ Berlin, 3)entier u, Sohn, .1896 Wenn ein Soldat etwas zu sagen hat, so kann man meist sicher sein, daß es Diese gute Standcseigenschast macht sich auch bei Büchern vou Soldaten an¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0542" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224126"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> </div> <div n="2"> <head> Feldmnrschall Derfflinger von W, r>, Unger^ Berlin, 3)entier u, Sohn, .1896</head><lb/> <p xml:id="ID_1632"> Wenn ein Soldat etwas zu sagen hat, so kann man meist sicher sein, daß es<lb/> mit gutem Blick für das Wesentliche geschieht. Die militärische Schulung läuft auf<lb/> sichres Erfassen und Unterscheiden des Wichtigen vom Unwichtigen hinaus. Gelehrte<lb/> und Diplomaten, Geschäftsleute und Parlamentarier haben vielfach anerkannt, daß<lb/> der Verkehr und die Verhandlung mit gebildeten Soldaten oft weit angenehmer<lb/> und fruchtbarer sei als mit den Herren vom grünen Tisch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1633" next="#ID_1634"> Diese gute Standcseigenschast macht sich auch bei Büchern vou Soldaten an¬<lb/> genehm bemerkbar, und ein solches Buch ist die als Beiheft Ur. 7 und 8 zum<lb/> Militärwochenblatt erschienene Lebensgeschichte Dersflingers. Der Verfasser hat sein<lb/> vortreffliches Werk seinem Regiment, dem Dragvnerregiment Freiherr von Derff-<lb/> linger gewidmet. Dort wird es gewiß viel gelesen werden, und der frische, fröh¬<lb/> liche Mut und Reitergcist, der von dem alten Helden in die preußische Reiterei<lb/> übergegangen ist, und von dem der Verfasser offenbar auch seinen schönen Teil hat,<lb/> wird weiter wirken. Aber das Buch ist auch eine Bereicherung unsrer nationalen<lb/> Litteratur und kann daher warm empfohlen werden, vor allem den Lehrern unsrer<lb/> Jugend. Streng geschichtlich und ans so gründlichen Studien beruhend, daß es<lb/> nach dem heutigen Stande der Forschung als zuverlässig und die Sache erschöpfend<lb/> anerkannt werden muß, hält es die sichere Mitte ein zwischen warmer, populärer<lb/> Darstellung und kricgsgeschichtlicher Genauigkeit. Jeder Laie kann es lesen, und<lb/> wenn er dazu Ernst und Sammlung mitbringt, so wird er dieser Darstellung eines<lb/> Heldenlebens mit dem mächtigen Hintergrunde des sich aus Sturm und Drang<lb/> ohne gleiche» emporringenden brandenbnrgisch-preußischen Staates voll Ergriffen¬<lb/> heit bis zum Schlüsse folgen. Dieser Derffliuger, um dessen Gestalt das Volk<lb/> schon zu seinen Lebzeiten die Legende von dem Schneidcrlcin mit der Schere ge¬<lb/> fabelt hat — vermutlich weil er zuerst den Militärschneider zu Ehren brachte, da<lb/> er nicht dulden wollte, daß die brandenburgischen Soldaten abgerissen nud zerlumpt<lb/> eiuhergiuge», wie das anderwärts damals der Fall war —, erscheint hier plastisch<lb/> und greifbar, gleich groß als Krieger wie als Mensch, ein frommer, demütiger<lb/> Christ, ein starker, vornehmer Diener seines Herrn. Ohne Furcht und Tadel geht<lb/> er durchs Leben. Dem großen Kurfürsten, seinem Herrn, war er kongenial in der<lb/> Unermüdlichkeit und Schnelligkeit bei der Verfolgung einmal gefleckter Ziele; seinen<lb/> Offizieren und Soldaten war er ein Vater, für ihr Wohl wirkte er mit Dran-<lb/> setzung seiner eignen Person selbst seinem Herrn gegenüber aufs hingehendste. Zuerst<lb/> ein Landfremder, wird er durch die einzige Kunst des großen Kurfürsten, alle<lb/> tüchtigen Kräfte in seinen Dienst zu ziehen nud bis zum äußersten im Dienste des<lb/> Staates auszunutzen, von dem brandenburgischen Staatsgedanken ergriffe» und nun<lb/> zum erste» Paladin seines Herrn. Das Wort des Kurfürsten, „er wisse leine»,<lb/> der das Werk so aus dem Grnnde verstünde wie Derfflinger, und der ihm so<lb/> an die Hand gehen köime," ist schön und gerecht, denu so wie Derffliuger hat kein<lb/> andrer geholfen, aus den Söldnerscharen des ausgehenden dreißigjährigen Krieges<lb/> ein preußisch-braudenburgisches Heer mit einem Offizierkorps zu schaffen, das nichts<lb/> mehr kennen wollte als deu Dienst seines Herrn. Auf allen Gebieten hat er dem<lb/> Kurfürsten wie später seinem Nachfolger gedient; er war Statthalter, Gouverneur,<lb/> Diplomat, Organisator und Feldherr, und alles mit gleichem Erfolge. In zehn<lb/> Feldzügen diente er seinem ersten Herrn, und viernndachtzigjährig sendet ihn Kurfürst<lb/> Friedrich III. zur Unterstützung der Holländer und Kaiserlichen gegen die Franzosen.<lb/> Der Schwung, mit dem er seinem Fürsten diente, die Sorge, die er für seine<lb/> Untergebnen und für das Volk trug, die Vorsicht, mit der er die Aktionen vor-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0542]
Litteratur
Feldmnrschall Derfflinger von W, r>, Unger^ Berlin, 3)entier u, Sohn, .1896
Wenn ein Soldat etwas zu sagen hat, so kann man meist sicher sein, daß es
mit gutem Blick für das Wesentliche geschieht. Die militärische Schulung läuft auf
sichres Erfassen und Unterscheiden des Wichtigen vom Unwichtigen hinaus. Gelehrte
und Diplomaten, Geschäftsleute und Parlamentarier haben vielfach anerkannt, daß
der Verkehr und die Verhandlung mit gebildeten Soldaten oft weit angenehmer
und fruchtbarer sei als mit den Herren vom grünen Tisch.
Diese gute Standcseigenschast macht sich auch bei Büchern vou Soldaten an¬
genehm bemerkbar, und ein solches Buch ist die als Beiheft Ur. 7 und 8 zum
Militärwochenblatt erschienene Lebensgeschichte Dersflingers. Der Verfasser hat sein
vortreffliches Werk seinem Regiment, dem Dragvnerregiment Freiherr von Derff-
linger gewidmet. Dort wird es gewiß viel gelesen werden, und der frische, fröh¬
liche Mut und Reitergcist, der von dem alten Helden in die preußische Reiterei
übergegangen ist, und von dem der Verfasser offenbar auch seinen schönen Teil hat,
wird weiter wirken. Aber das Buch ist auch eine Bereicherung unsrer nationalen
Litteratur und kann daher warm empfohlen werden, vor allem den Lehrern unsrer
Jugend. Streng geschichtlich und ans so gründlichen Studien beruhend, daß es
nach dem heutigen Stande der Forschung als zuverlässig und die Sache erschöpfend
anerkannt werden muß, hält es die sichere Mitte ein zwischen warmer, populärer
Darstellung und kricgsgeschichtlicher Genauigkeit. Jeder Laie kann es lesen, und
wenn er dazu Ernst und Sammlung mitbringt, so wird er dieser Darstellung eines
Heldenlebens mit dem mächtigen Hintergrunde des sich aus Sturm und Drang
ohne gleiche» emporringenden brandenbnrgisch-preußischen Staates voll Ergriffen¬
heit bis zum Schlüsse folgen. Dieser Derffliuger, um dessen Gestalt das Volk
schon zu seinen Lebzeiten die Legende von dem Schneidcrlcin mit der Schere ge¬
fabelt hat — vermutlich weil er zuerst den Militärschneider zu Ehren brachte, da
er nicht dulden wollte, daß die brandenburgischen Soldaten abgerissen nud zerlumpt
eiuhergiuge», wie das anderwärts damals der Fall war —, erscheint hier plastisch
und greifbar, gleich groß als Krieger wie als Mensch, ein frommer, demütiger
Christ, ein starker, vornehmer Diener seines Herrn. Ohne Furcht und Tadel geht
er durchs Leben. Dem großen Kurfürsten, seinem Herrn, war er kongenial in der
Unermüdlichkeit und Schnelligkeit bei der Verfolgung einmal gefleckter Ziele; seinen
Offizieren und Soldaten war er ein Vater, für ihr Wohl wirkte er mit Dran-
setzung seiner eignen Person selbst seinem Herrn gegenüber aufs hingehendste. Zuerst
ein Landfremder, wird er durch die einzige Kunst des großen Kurfürsten, alle
tüchtigen Kräfte in seinen Dienst zu ziehen nud bis zum äußersten im Dienste des
Staates auszunutzen, von dem brandenburgischen Staatsgedanken ergriffe» und nun
zum erste» Paladin seines Herrn. Das Wort des Kurfürsten, „er wisse leine»,
der das Werk so aus dem Grnnde verstünde wie Derfflinger, und der ihm so
an die Hand gehen köime," ist schön und gerecht, denu so wie Derffliuger hat kein
andrer geholfen, aus den Söldnerscharen des ausgehenden dreißigjährigen Krieges
ein preußisch-braudenburgisches Heer mit einem Offizierkorps zu schaffen, das nichts
mehr kennen wollte als deu Dienst seines Herrn. Auf allen Gebieten hat er dem
Kurfürsten wie später seinem Nachfolger gedient; er war Statthalter, Gouverneur,
Diplomat, Organisator und Feldherr, und alles mit gleichem Erfolge. In zehn
Feldzügen diente er seinem ersten Herrn, und viernndachtzigjährig sendet ihn Kurfürst
Friedrich III. zur Unterstützung der Holländer und Kaiserlichen gegen die Franzosen.
Der Schwung, mit dem er seinem Fürsten diente, die Sorge, die er für seine
Untergebnen und für das Volk trug, die Vorsicht, mit der er die Aktionen vor-
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