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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Erlebtes und Beobachtetes aus Rußland

rein thatsächliche Frage mit Umsicht geprüft und so entschieden haben, wie sie
jeder unbefangne Leser auf Grund seiner eignen Darstellung beantworten wird?
Alles das ist eitel Spiegelfechterei, dazu angethan und vielleicht darauf berechnet,
die Nichtjuristen unter seinen Lesern irre zu führen. Mit einer sachlichen Erörte¬
rung, wie sie die Umstünde des Falles erheischten, war freilich keine "Sensation"
zu machen; "Sensation" aber macht es, wenn man über unerhörte Rechtsbrüche
Wehe ruft und den Untergang eines Landes weissagt, in dem dergleichen
ungestraft geschehen könne; "Sensation" kann man sich davon vor allem in
Frankreich versprechen, wo man ohnehin den bösen l^rusÄöiis gern jegliche
Schandthat zutraut. Und Friedmann hat stets sein Publikum gut gekannt
und immer mit Geschick die wirksamsten Mittel gewählt, es für sich zu gewinnen.
"Bedenkt, ihr habet leichtes Holz zu spalten." Dabei fehlt es denn auch nicht
an den handgreiflichsten Widersprüchen. Wir werden sehen, daß nach Fried¬
manns Meinung alle Verdachtsgründe, die gegen seinen Klienten überhaupt
vorgebracht worden siud, leicht wie Spreu wiegen, sodaß man kaum verstehen
kann, wie sich eruste Männer überhaupt mit ihnen haben befassen können.
Und solche an sich ganz wertlose Dinge sollen gleichwohl ohne weiteres eine
Kenntnis von der Person des Thäters begründet haben, die dem Beleidigten
die alsbaldige Stellung des Strafantrags zur Pflicht machte?

(Schluß folgt)




Erlebtes und Beobachtetes aus Rußland
Gin Nachklang zur Kaiserkrönung
Kurt Treusch von Buttlar von

me wahre Hochflut von Zeitungsberichten hat sich vergangnes
Frühjahr von der Krönung Nikolaus II. über Deutschland er¬
gossen, und diese Berichte beschränkten sich nicht auf die Schilde¬
rung der Kaiserkrönung, sie wollten fast alle auch zugleich ein
Bild von Land und Leuten geben. Heißt es da nicht Tauben
nach Petersburg tragen, wenn man diesem vielstimmigen Zeitungskonzert noch
einen "Nachklang" folgen läßt? Was mich dazu ermutigt, das sind gerade
einige Proben solcher Zeitungsberichte, die mir noch in Rußland in die Hände
kamen. Was da alles "aus Moskau" erzählt wurde, nötigte mir doch ein
bedenkliches Kopfschütteln ab. Die meisten Berichterstatter waren ja nur die
kurze Festzeit in Rußland, und die Gabe unsrer Journalisten, mit dem Urteil
rasch fertig zu sein, scheint in diesem Falle manche wunderliche Blüte gezeitigt


Erlebtes und Beobachtetes aus Rußland

rein thatsächliche Frage mit Umsicht geprüft und so entschieden haben, wie sie
jeder unbefangne Leser auf Grund seiner eignen Darstellung beantworten wird?
Alles das ist eitel Spiegelfechterei, dazu angethan und vielleicht darauf berechnet,
die Nichtjuristen unter seinen Lesern irre zu führen. Mit einer sachlichen Erörte¬
rung, wie sie die Umstünde des Falles erheischten, war freilich keine „Sensation"
zu machen; „Sensation" aber macht es, wenn man über unerhörte Rechtsbrüche
Wehe ruft und den Untergang eines Landes weissagt, in dem dergleichen
ungestraft geschehen könne; „Sensation" kann man sich davon vor allem in
Frankreich versprechen, wo man ohnehin den bösen l^rusÄöiis gern jegliche
Schandthat zutraut. Und Friedmann hat stets sein Publikum gut gekannt
und immer mit Geschick die wirksamsten Mittel gewählt, es für sich zu gewinnen.
„Bedenkt, ihr habet leichtes Holz zu spalten." Dabei fehlt es denn auch nicht
an den handgreiflichsten Widersprüchen. Wir werden sehen, daß nach Fried¬
manns Meinung alle Verdachtsgründe, die gegen seinen Klienten überhaupt
vorgebracht worden siud, leicht wie Spreu wiegen, sodaß man kaum verstehen
kann, wie sich eruste Männer überhaupt mit ihnen haben befassen können.
Und solche an sich ganz wertlose Dinge sollen gleichwohl ohne weiteres eine
Kenntnis von der Person des Thäters begründet haben, die dem Beleidigten
die alsbaldige Stellung des Strafantrags zur Pflicht machte?

(Schluß folgt)




Erlebtes und Beobachtetes aus Rußland
Gin Nachklang zur Kaiserkrönung
Kurt Treusch von Buttlar von

me wahre Hochflut von Zeitungsberichten hat sich vergangnes
Frühjahr von der Krönung Nikolaus II. über Deutschland er¬
gossen, und diese Berichte beschränkten sich nicht auf die Schilde¬
rung der Kaiserkrönung, sie wollten fast alle auch zugleich ein
Bild von Land und Leuten geben. Heißt es da nicht Tauben
nach Petersburg tragen, wenn man diesem vielstimmigen Zeitungskonzert noch
einen „Nachklang" folgen läßt? Was mich dazu ermutigt, das sind gerade
einige Proben solcher Zeitungsberichte, die mir noch in Rußland in die Hände
kamen. Was da alles „aus Moskau" erzählt wurde, nötigte mir doch ein
bedenkliches Kopfschütteln ab. Die meisten Berichterstatter waren ja nur die
kurze Festzeit in Rußland, und die Gabe unsrer Journalisten, mit dem Urteil
rasch fertig zu sein, scheint in diesem Falle manche wunderliche Blüte gezeitigt


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[0036] Erlebtes und Beobachtetes aus Rußland rein thatsächliche Frage mit Umsicht geprüft und so entschieden haben, wie sie jeder unbefangne Leser auf Grund seiner eignen Darstellung beantworten wird? Alles das ist eitel Spiegelfechterei, dazu angethan und vielleicht darauf berechnet, die Nichtjuristen unter seinen Lesern irre zu führen. Mit einer sachlichen Erörte¬ rung, wie sie die Umstünde des Falles erheischten, war freilich keine „Sensation" zu machen; „Sensation" aber macht es, wenn man über unerhörte Rechtsbrüche Wehe ruft und den Untergang eines Landes weissagt, in dem dergleichen ungestraft geschehen könne; „Sensation" kann man sich davon vor allem in Frankreich versprechen, wo man ohnehin den bösen l^rusÄöiis gern jegliche Schandthat zutraut. Und Friedmann hat stets sein Publikum gut gekannt und immer mit Geschick die wirksamsten Mittel gewählt, es für sich zu gewinnen. „Bedenkt, ihr habet leichtes Holz zu spalten." Dabei fehlt es denn auch nicht an den handgreiflichsten Widersprüchen. Wir werden sehen, daß nach Fried¬ manns Meinung alle Verdachtsgründe, die gegen seinen Klienten überhaupt vorgebracht worden siud, leicht wie Spreu wiegen, sodaß man kaum verstehen kann, wie sich eruste Männer überhaupt mit ihnen haben befassen können. Und solche an sich ganz wertlose Dinge sollen gleichwohl ohne weiteres eine Kenntnis von der Person des Thäters begründet haben, die dem Beleidigten die alsbaldige Stellung des Strafantrags zur Pflicht machte? (Schluß folgt) Erlebtes und Beobachtetes aus Rußland Gin Nachklang zur Kaiserkrönung Kurt Treusch von Buttlar von me wahre Hochflut von Zeitungsberichten hat sich vergangnes Frühjahr von der Krönung Nikolaus II. über Deutschland er¬ gossen, und diese Berichte beschränkten sich nicht auf die Schilde¬ rung der Kaiserkrönung, sie wollten fast alle auch zugleich ein Bild von Land und Leuten geben. Heißt es da nicht Tauben nach Petersburg tragen, wenn man diesem vielstimmigen Zeitungskonzert noch einen „Nachklang" folgen läßt? Was mich dazu ermutigt, das sind gerade einige Proben solcher Zeitungsberichte, die mir noch in Rußland in die Hände kamen. Was da alles „aus Moskau" erzählt wurde, nötigte mir doch ein bedenkliches Kopfschütteln ab. Die meisten Berichterstatter waren ja nur die kurze Festzeit in Rußland, und die Gabe unsrer Journalisten, mit dem Urteil rasch fertig zu sein, scheint in diesem Falle manche wunderliche Blüte gezeitigt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/36>, abgerufen am 05.01.2025.