Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Litteratur Ideen und Ideale, sie erfüllte ihre Diener mit einem Gesamtbewußtsein und einer Aber das Eiuigungsmittcl selbst enthielt schon einen Zersetzungsstoff. "Mit dem Den Kriegsverwundeten ihr Recht! Ein Mahnruf von Dr. Julius Port, K, Boirischcr Generalarzt z. D, Stuttgart, Friedrich Ente,, >8!)I> Aufs tiefste erschüttert durch das Lesen dieses Büchleins wünsche ich ihm zum Litteratur Ideen und Ideale, sie erfüllte ihre Diener mit einem Gesamtbewußtsein und einer Aber das Eiuigungsmittcl selbst enthielt schon einen Zersetzungsstoff. „Mit dem Den Kriegsverwundeten ihr Recht! Ein Mahnruf von Dr. Julius Port, K, Boirischcr Generalarzt z. D, Stuttgart, Friedrich Ente,, >8!)I> Aufs tiefste erschüttert durch das Lesen dieses Büchleins wünsche ich ihm zum <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223934"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1062" prev="#ID_1061"> Ideen und Ideale, sie erfüllte ihre Diener mit einem Gesamtbewußtsein und einer<lb/> Hingebung der Einzelpersönlichkeit an ein großes Ganze und seine Zwecke, mit<lb/> einer Selbstbeherrschung und Umsicht, wie sie damals in Laienkreisen niemals oder<lb/> nur selten vorhanden waren, sie überspannte mit dem Netz ihrer Bistümer und<lb/> Klöster das ganze Reich und hatte ihre einheitliche Spitze im Papsttum, sie besaß<lb/> die Einheit des Rechts und der Sprache und eine durchgebildete schriftliche Ver¬<lb/> waltung mit festen, oft städtischen Mittelpunkten, sie bewirtschaftete ihre Güter<lb/> musterhaft und verwandte ihre reichen Erträge überwiegend zu allgemeinen Zwecken.<lb/> Kurz, sie verfügte über alles, was ein großer Staat zu seinem Bestehen bedürfte";<lb/> und sie hatte außer andern Knlturrcsten auch deu Staats- und Reichsgedanken aus<lb/> dem Altertum herübergerettet. So wurden denn die Kirchenfürsten zu Reichs¬<lb/> beamten gemacht. „Um nun aber der hohen Geistlichkeit, die jetzt das Reich vor<lb/> allem trug, sür alle Fälle sicher zu sein, um jeden Widerspruch zwischen ihrer<lb/> Reichspflicht und ihrer Pflicht gegen die Kirche von vornherein abzuschneiden, mußte<lb/> der König anch über das Papsttum ebenso verfügen können, wie über jedes andre<lb/> Bistum des Reichs. Das aber vermochte er nur als römischer Kaiser," und darum<lb/> mußte er Herr von Italien sein. „So entstand eine in ihrer Art großartige<lb/> Reichsverfassung, und Deutschland gewann die Borherrschaft im Abendlande, aber<lb/> es war kein ans seinen eignen weltlichen Kräften beruhender nationaler Staat, und<lb/> darum war weder jene Verfassung noch jene Stellung von Dauer." (S. 89<lb/> und 96 bis 99.)</p><lb/> <p xml:id="ID_1063"> Aber das Eiuigungsmittcl selbst enthielt schon einen Zersetzungsstoff. „Mit dem<lb/> Christentum kam zunächst ein ungeheurer Widerspruch in das Leben der Deutschen.<lb/> Denn heidnisch im tiefsten Grnnde blieb ihr Denken in Sitte, Recht und Sage,<lb/> und die Kirche mußte sich diesen Anschauungen anbequemen, um wirksam zu sein."<lb/> Und als die allmähliche Verschmelzung im besten Fluß war, „da wurde es ein<lb/> wahres Verhängnis, daß der weltfeindliche kirchenpolitische Idealismus der Cluuia-<lb/> eenser von Frankreich und Lothringen her in Rom zur Herrschaft gelangte und<lb/> auch die deutsche Geistlichkeit zu ergreifen begann. siegte diese Richtung, so unter¬<lb/> brach sie den eingeleiteten innern Ausgleich zwischeu Klerus und Laienschaft und<lb/> mußte die enge Verbindung zwischen Königtum und Kirche, auf der die ottonische<lb/> Reichsverfnssung, die einzige damals mögliche, beruhte, bekämpfen." So traten<lb/> Papsttum und Geistlichkeit in einen feindlichen Gegensatz zu der auf fie gegründete»<lb/> Monarchie und verbanden sich mit der Selbstsucht der Fürsten zur Zerstörung des<lb/> Neichsbaus. (S. 63, 123 und 238.) Aber im Laufe vou drei Jahrhunderten<lb/> führte der Bilduugsfortschritt die Deutschen über die kirchlichen Anschauungen, von<lb/> denen diese Angriffe auf das nun schon halb zerfallene Reich ausgegangen waren,<lb/> heraus. Mit dem Ausblick auf die „geniale, zugleich volkstümliche und wahrhaft<lb/> religiöse Persönlichkeit," die berufen war, „deu klaffenden Widerspruch zwischeu der<lb/> kirchlichen Praxis und deu Anschauungen der gebildeten Deutschen zu überwinden,"<lb/> schließt dieser erste Teil. Möge ihm recht bald der zweite folgen!</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Den Kriegsverwundeten ihr Recht! Ein Mahnruf von Dr. Julius Port, K, Boirischcr<lb/> Generalarzt z. D, Stuttgart, Friedrich Ente,, >8!)I></head><lb/> <p xml:id="ID_1064" next="#ID_1065"> Aufs tiefste erschüttert durch das Lesen dieses Büchleins wünsche ich ihm zum<lb/> Nutzen unsers ganzen Vaterlandes, besonders aber derer, die in einem zukünftigen<lb/> Kriege sür das Vaterland ihr Herzblut lassen, die weiteste Verbreitung. Der um<lb/> das Sanitätswesen hoch verdiente Verfasser hat es verstanden, in allgemeinverständ¬<lb/> licher, packender Darstellung und mit nnerschrockner Wahrheitsliebe ans Grund</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0350]
Litteratur
Ideen und Ideale, sie erfüllte ihre Diener mit einem Gesamtbewußtsein und einer
Hingebung der Einzelpersönlichkeit an ein großes Ganze und seine Zwecke, mit
einer Selbstbeherrschung und Umsicht, wie sie damals in Laienkreisen niemals oder
nur selten vorhanden waren, sie überspannte mit dem Netz ihrer Bistümer und
Klöster das ganze Reich und hatte ihre einheitliche Spitze im Papsttum, sie besaß
die Einheit des Rechts und der Sprache und eine durchgebildete schriftliche Ver¬
waltung mit festen, oft städtischen Mittelpunkten, sie bewirtschaftete ihre Güter
musterhaft und verwandte ihre reichen Erträge überwiegend zu allgemeinen Zwecken.
Kurz, sie verfügte über alles, was ein großer Staat zu seinem Bestehen bedürfte";
und sie hatte außer andern Knlturrcsten auch deu Staats- und Reichsgedanken aus
dem Altertum herübergerettet. So wurden denn die Kirchenfürsten zu Reichs¬
beamten gemacht. „Um nun aber der hohen Geistlichkeit, die jetzt das Reich vor
allem trug, sür alle Fälle sicher zu sein, um jeden Widerspruch zwischen ihrer
Reichspflicht und ihrer Pflicht gegen die Kirche von vornherein abzuschneiden, mußte
der König anch über das Papsttum ebenso verfügen können, wie über jedes andre
Bistum des Reichs. Das aber vermochte er nur als römischer Kaiser," und darum
mußte er Herr von Italien sein. „So entstand eine in ihrer Art großartige
Reichsverfassung, und Deutschland gewann die Borherrschaft im Abendlande, aber
es war kein ans seinen eignen weltlichen Kräften beruhender nationaler Staat, und
darum war weder jene Verfassung noch jene Stellung von Dauer." (S. 89
und 96 bis 99.)
Aber das Eiuigungsmittcl selbst enthielt schon einen Zersetzungsstoff. „Mit dem
Christentum kam zunächst ein ungeheurer Widerspruch in das Leben der Deutschen.
Denn heidnisch im tiefsten Grnnde blieb ihr Denken in Sitte, Recht und Sage,
und die Kirche mußte sich diesen Anschauungen anbequemen, um wirksam zu sein."
Und als die allmähliche Verschmelzung im besten Fluß war, „da wurde es ein
wahres Verhängnis, daß der weltfeindliche kirchenpolitische Idealismus der Cluuia-
eenser von Frankreich und Lothringen her in Rom zur Herrschaft gelangte und
auch die deutsche Geistlichkeit zu ergreifen begann. siegte diese Richtung, so unter¬
brach sie den eingeleiteten innern Ausgleich zwischeu Klerus und Laienschaft und
mußte die enge Verbindung zwischen Königtum und Kirche, auf der die ottonische
Reichsverfnssung, die einzige damals mögliche, beruhte, bekämpfen." So traten
Papsttum und Geistlichkeit in einen feindlichen Gegensatz zu der auf fie gegründete»
Monarchie und verbanden sich mit der Selbstsucht der Fürsten zur Zerstörung des
Neichsbaus. (S. 63, 123 und 238.) Aber im Laufe vou drei Jahrhunderten
führte der Bilduugsfortschritt die Deutschen über die kirchlichen Anschauungen, von
denen diese Angriffe auf das nun schon halb zerfallene Reich ausgegangen waren,
heraus. Mit dem Ausblick auf die „geniale, zugleich volkstümliche und wahrhaft
religiöse Persönlichkeit," die berufen war, „deu klaffenden Widerspruch zwischeu der
kirchlichen Praxis und deu Anschauungen der gebildeten Deutschen zu überwinden,"
schließt dieser erste Teil. Möge ihm recht bald der zweite folgen!
Den Kriegsverwundeten ihr Recht! Ein Mahnruf von Dr. Julius Port, K, Boirischcr
Generalarzt z. D, Stuttgart, Friedrich Ente,, >8!)I>
Aufs tiefste erschüttert durch das Lesen dieses Büchleins wünsche ich ihm zum
Nutzen unsers ganzen Vaterlandes, besonders aber derer, die in einem zukünftigen
Kriege sür das Vaterland ihr Herzblut lassen, die weiteste Verbreitung. Der um
das Sanitätswesen hoch verdiente Verfasser hat es verstanden, in allgemeinverständ¬
licher, packender Darstellung und mit nnerschrockner Wahrheitsliebe ans Grund
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |