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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Außer der Frage nach dem Einfluß der örtlichen Verteilung der Handwerker
auf die Durchführbarkeit einer allgemeinen örtlichen Organisation in Zwangs¬
innungen hatte der Reichskanzler noch vorgeschrieben, daß man durch die Erhebung
darüber Aufklärung zu gewinnen versuchen sollte, inwieweit die weit verbreitete
Annahme der Wirklichkeit entspreche, "daß die Zahl derjenigen Unternehmer von
Handwerksbetrieben, die eine fachmännische Vorbildung entweder gar nicht oder nur
in unzulänglicher Weise genossen haben, eine recht erhebliche sei und schon aus
diesem Grunde die zweckentsprechende Ausbildung des gewerblichen Nachwuchses bei
dem gegenwärtigen Zustande und noch mehr bei dessen Fortdauer gefährdet er¬
scheine." Auch diese Erhebung über die fachmännische Vorbildung der heutigen
Unternehmer von Handwerksbetriebe" ist mit großer Gründlichkeit durchgeführt
worden. Dabei siud von deu im ganzen gezählten 61 199 unzweifelhaft zum
Handwerk gehörigen Unternehmern 1607 weibliche Prinzipale ausgeschieden worden,
sodaß nur 59 592 Meister im Erhebungsgebiet in Betracht kommen. Das Er¬
gebnis ist folgendes:



Die an und für sich sehr geringe Anzahl der Meister ohne Lehrzeit ist in
den ländlichen Bezirken, einschließlich der Städte unter 10 000 Einwohnern, etwas
größer als in den Städten mit 10 000 und mehr Einwohnern. Auch die Meister
mit kurzer Lehrzeit sind in den ländlichen Bezirken zahlreicher als in den Städten,
während die Meister mit langer Lehrzeit weit mehr in den Städten zu finden sind
als auf dem Lande. Von den Meistern mit Lehrzeit betreiben im ganzen nur
0,7 Prozent ein andres Gewerbe, als in dem sie ihre Lehrzeit durchgemacht haben,
ebenso haben nur 0,7 Prozent ihre Lehrzeit nur in einer Fabrik überstanden, wäh¬
rend 96,1 Prozent bei einem Handwerksmeister gelernt haben. Von den 3,2 Pro¬
zent, die ohne Lehrzeit sind, haben viele in Fachschulen, Lehrwerkstätten, beim
Militär, auch in Taubstumme"- und Blindenanstalten eine gewisse fachmännische
Vorbildung genossen. Jedenfalls hat die Erhebung ergeben, daß von dem Fehlen
einer fachmännischer Vorbildung kaum recht die Rede sein kann, wobei freilich nicht
zu vergessen ist, daß durch statistische Zählkarten der erzieherische Wert der durch¬
gemachten Lehrzeit nicht erfaßt werden konnte.

Wir müssen uns hier mit diesen Ausführungen begnügen. Ein so umfang¬
reiches statistisches Tabellenwerk ist nur durch eine Reihe von Einzelbildern von
den verschiednen Gesichtspunkten aus dem größern Interessentenkreise zu erschließen
und genießbar zu machen. Es ist zu bedauern, daß nach dieser Richtung hin für
die gewaltigen Materialiensammlungen der Statistik des deutschen Reichs bisher so
wenig geschehen ist. Möge dies den besonders umfangreichen Zählarbeiten von 1895
nicht wieder so ergehen.


Die öffentlichen Prüfungen.

Es ist in Preußen mit großem Beifall
begrüßt wordeu, daß der Kultusminister mit einem Federstrich die öffentlichen Prü-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Außer der Frage nach dem Einfluß der örtlichen Verteilung der Handwerker
auf die Durchführbarkeit einer allgemeinen örtlichen Organisation in Zwangs¬
innungen hatte der Reichskanzler noch vorgeschrieben, daß man durch die Erhebung
darüber Aufklärung zu gewinnen versuchen sollte, inwieweit die weit verbreitete
Annahme der Wirklichkeit entspreche, „daß die Zahl derjenigen Unternehmer von
Handwerksbetrieben, die eine fachmännische Vorbildung entweder gar nicht oder nur
in unzulänglicher Weise genossen haben, eine recht erhebliche sei und schon aus
diesem Grunde die zweckentsprechende Ausbildung des gewerblichen Nachwuchses bei
dem gegenwärtigen Zustande und noch mehr bei dessen Fortdauer gefährdet er¬
scheine." Auch diese Erhebung über die fachmännische Vorbildung der heutigen
Unternehmer von Handwerksbetriebe» ist mit großer Gründlichkeit durchgeführt
worden. Dabei siud von deu im ganzen gezählten 61 199 unzweifelhaft zum
Handwerk gehörigen Unternehmern 1607 weibliche Prinzipale ausgeschieden worden,
sodaß nur 59 592 Meister im Erhebungsgebiet in Betracht kommen. Das Er¬
gebnis ist folgendes:



Die an und für sich sehr geringe Anzahl der Meister ohne Lehrzeit ist in
den ländlichen Bezirken, einschließlich der Städte unter 10 000 Einwohnern, etwas
größer als in den Städten mit 10 000 und mehr Einwohnern. Auch die Meister
mit kurzer Lehrzeit sind in den ländlichen Bezirken zahlreicher als in den Städten,
während die Meister mit langer Lehrzeit weit mehr in den Städten zu finden sind
als auf dem Lande. Von den Meistern mit Lehrzeit betreiben im ganzen nur
0,7 Prozent ein andres Gewerbe, als in dem sie ihre Lehrzeit durchgemacht haben,
ebenso haben nur 0,7 Prozent ihre Lehrzeit nur in einer Fabrik überstanden, wäh¬
rend 96,1 Prozent bei einem Handwerksmeister gelernt haben. Von den 3,2 Pro¬
zent, die ohne Lehrzeit sind, haben viele in Fachschulen, Lehrwerkstätten, beim
Militär, auch in Taubstumme«- und Blindenanstalten eine gewisse fachmännische
Vorbildung genossen. Jedenfalls hat die Erhebung ergeben, daß von dem Fehlen
einer fachmännischer Vorbildung kaum recht die Rede sein kann, wobei freilich nicht
zu vergessen ist, daß durch statistische Zählkarten der erzieherische Wert der durch¬
gemachten Lehrzeit nicht erfaßt werden konnte.

Wir müssen uns hier mit diesen Ausführungen begnügen. Ein so umfang¬
reiches statistisches Tabellenwerk ist nur durch eine Reihe von Einzelbildern von
den verschiednen Gesichtspunkten aus dem größern Interessentenkreise zu erschließen
und genießbar zu machen. Es ist zu bedauern, daß nach dieser Richtung hin für
die gewaltigen Materialiensammlungen der Statistik des deutschen Reichs bisher so
wenig geschehen ist. Möge dies den besonders umfangreichen Zählarbeiten von 1895
nicht wieder so ergehen.


Die öffentlichen Prüfungen.

Es ist in Preußen mit großem Beifall
begrüßt wordeu, daß der Kultusminister mit einem Federstrich die öffentlichen Prü-


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[0354] Maßgebliches und Unmaßgebliches Außer der Frage nach dem Einfluß der örtlichen Verteilung der Handwerker auf die Durchführbarkeit einer allgemeinen örtlichen Organisation in Zwangs¬ innungen hatte der Reichskanzler noch vorgeschrieben, daß man durch die Erhebung darüber Aufklärung zu gewinnen versuchen sollte, inwieweit die weit verbreitete Annahme der Wirklichkeit entspreche, „daß die Zahl derjenigen Unternehmer von Handwerksbetrieben, die eine fachmännische Vorbildung entweder gar nicht oder nur in unzulänglicher Weise genossen haben, eine recht erhebliche sei und schon aus diesem Grunde die zweckentsprechende Ausbildung des gewerblichen Nachwuchses bei dem gegenwärtigen Zustande und noch mehr bei dessen Fortdauer gefährdet er¬ scheine." Auch diese Erhebung über die fachmännische Vorbildung der heutigen Unternehmer von Handwerksbetriebe» ist mit großer Gründlichkeit durchgeführt worden. Dabei siud von deu im ganzen gezählten 61 199 unzweifelhaft zum Handwerk gehörigen Unternehmern 1607 weibliche Prinzipale ausgeschieden worden, sodaß nur 59 592 Meister im Erhebungsgebiet in Betracht kommen. Das Er¬ gebnis ist folgendes: .in einem andern Ge¬ werbe bei einem Hand¬ werks¬ meister bis 1 Jahr von 2 bis3 Jahr ! überhaupt' von 1 bis2 Jahr in einerFabrik Von 100 Meistern haben eine Lehrzeit durchgemacht ^ !mehr als3 Jahrim jetzigenGewerbe- ., ^ 12,1 56,9 2 im ganzen Erhebnngsgebiet, 0,7 96,8 3,3 3,796,10,796,1 1,2 6,1 98,0 0.7 S2,0 38,397,20,897,7 0.4 58,7 in den ländlichen Bezirken . 96,3 4,3 14,4 18,195,70,695,9 Die an und für sich sehr geringe Anzahl der Meister ohne Lehrzeit ist in den ländlichen Bezirken, einschließlich der Städte unter 10 000 Einwohnern, etwas größer als in den Städten mit 10 000 und mehr Einwohnern. Auch die Meister mit kurzer Lehrzeit sind in den ländlichen Bezirken zahlreicher als in den Städten, während die Meister mit langer Lehrzeit weit mehr in den Städten zu finden sind als auf dem Lande. Von den Meistern mit Lehrzeit betreiben im ganzen nur 0,7 Prozent ein andres Gewerbe, als in dem sie ihre Lehrzeit durchgemacht haben, ebenso haben nur 0,7 Prozent ihre Lehrzeit nur in einer Fabrik überstanden, wäh¬ rend 96,1 Prozent bei einem Handwerksmeister gelernt haben. Von den 3,2 Pro¬ zent, die ohne Lehrzeit sind, haben viele in Fachschulen, Lehrwerkstätten, beim Militär, auch in Taubstumme«- und Blindenanstalten eine gewisse fachmännische Vorbildung genossen. Jedenfalls hat die Erhebung ergeben, daß von dem Fehlen einer fachmännischer Vorbildung kaum recht die Rede sein kann, wobei freilich nicht zu vergessen ist, daß durch statistische Zählkarten der erzieherische Wert der durch¬ gemachten Lehrzeit nicht erfaßt werden konnte. Wir müssen uns hier mit diesen Ausführungen begnügen. Ein so umfang¬ reiches statistisches Tabellenwerk ist nur durch eine Reihe von Einzelbildern von den verschiednen Gesichtspunkten aus dem größern Interessentenkreise zu erschließen und genießbar zu machen. Es ist zu bedauern, daß nach dieser Richtung hin für die gewaltigen Materialiensammlungen der Statistik des deutschen Reichs bisher so wenig geschehen ist. Möge dies den besonders umfangreichen Zählarbeiten von 1895 nicht wieder so ergehen. Die öffentlichen Prüfungen. Es ist in Preußen mit großem Beifall begrüßt wordeu, daß der Kultusminister mit einem Federstrich die öffentlichen Prü-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/354>, abgerufen am 21.11.2024.