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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Der erste Beste
Btto Verdeck Erzählung von
(Fortsetzung)
9

ritz kam, von seinem englischen Hühnerhund begleitet, durch den
Garten her aufs Haus zu. Er hatte die Flinte über der
Schulter, an der Jagdtasche hingen einige Nebhühner. Als er
der Alten ansichtig wurde, die unter dem Apfelbaum auf ihrer
Bank an der Hinterthür saß machte er die Vögel los
,.
Da haben Sie was zu morgen Mittag, Mamselling.

Sie betrachtete die Beute. nette Dinger. Gute Jagd dies Jahr, Herr
Heilborn, nich? Ich meine, Hansing hat auch schon für den Hühnern ge¬
schwärmt.

Ja, es giebt viele. Wo ist meine Frau? setzte er nach kurzem Zögern hinzu.

Mir is, sie muß in ihre Stube gegangen sein; sie kam vorhin aus dem
Garten. Wo is denn unser junger Herr?

Der sieht noch nach den Masern, kommt aber auch bald.

Fritz ging in sein Arbeitszimmer, hängte Flinte und Jagdtasche in den
Gewehrschrank und trat an den Schreibtisch, wo er einen Brief liegen sah.
Es war aber nur eine langweilige Anzeige. Das Blatt in der niedergesunkenen
Hand, blickte er über den Schreibtisch weg nach der Thür zu Margaretens
Zimmer. Drinnen rührte sich nichts. Lautlose Stille, als wenn niemand
da wäre.

Und war denn in seinem Hause eine junge Frau? Hatte er wohl schon
einmal ihr Stimmchen die Treppe hinunter singen hören, wie es ihm in den
wachen Träumen seiner einsamen Stunden erklungen war? Ging sie nicht wie
ein blasser Schatten durchs Haus, sie, die seine lichte Freude hatte sein sollen?
War denn das Leben mit ihm gar so schwer zu ertragen? "Hinnehmen, was
dir leid --" Er drückte die Lippen zusammen. -- Ein starkes Stück! Mit
solchen Kreuzigungsgedanken war sie in die Ehe gegangen. Wenn das nicht
krankhaft war, so wars ein schweres Unrecht. Aber so oder so, geschehen war
geschehen. Gelebt mußte werden. "Hinnehmen, was dir leid --" Wie ein
Wurm saß ihm das im Hirn, mit dem kleinwinzigen, verräterischen Datum
daneben. Und er hätte sich freudig für sie in Stücke hauen lassen. Auch
heute noch. So ein Esel war man. Auch das war nicht zu ändern.




Der erste Beste
Btto Verdeck Erzählung von
(Fortsetzung)
9

ritz kam, von seinem englischen Hühnerhund begleitet, durch den
Garten her aufs Haus zu. Er hatte die Flinte über der
Schulter, an der Jagdtasche hingen einige Nebhühner. Als er
der Alten ansichtig wurde, die unter dem Apfelbaum auf ihrer
Bank an der Hinterthür saß machte er die Vögel los
,.
Da haben Sie was zu morgen Mittag, Mamselling.

Sie betrachtete die Beute. nette Dinger. Gute Jagd dies Jahr, Herr
Heilborn, nich? Ich meine, Hansing hat auch schon für den Hühnern ge¬
schwärmt.

Ja, es giebt viele. Wo ist meine Frau? setzte er nach kurzem Zögern hinzu.

Mir is, sie muß in ihre Stube gegangen sein; sie kam vorhin aus dem
Garten. Wo is denn unser junger Herr?

Der sieht noch nach den Masern, kommt aber auch bald.

Fritz ging in sein Arbeitszimmer, hängte Flinte und Jagdtasche in den
Gewehrschrank und trat an den Schreibtisch, wo er einen Brief liegen sah.
Es war aber nur eine langweilige Anzeige. Das Blatt in der niedergesunkenen
Hand, blickte er über den Schreibtisch weg nach der Thür zu Margaretens
Zimmer. Drinnen rührte sich nichts. Lautlose Stille, als wenn niemand
da wäre.

Und war denn in seinem Hause eine junge Frau? Hatte er wohl schon
einmal ihr Stimmchen die Treppe hinunter singen hören, wie es ihm in den
wachen Träumen seiner einsamen Stunden erklungen war? Ging sie nicht wie
ein blasser Schatten durchs Haus, sie, die seine lichte Freude hatte sein sollen?
War denn das Leben mit ihm gar so schwer zu ertragen? „Hinnehmen, was
dir leid —" Er drückte die Lippen zusammen. — Ein starkes Stück! Mit
solchen Kreuzigungsgedanken war sie in die Ehe gegangen. Wenn das nicht
krankhaft war, so wars ein schweres Unrecht. Aber so oder so, geschehen war
geschehen. Gelebt mußte werden. „Hinnehmen, was dir leid —" Wie ein
Wurm saß ihm das im Hirn, mit dem kleinwinzigen, verräterischen Datum
daneben. Und er hätte sich freudig für sie in Stücke hauen lassen. Auch
heute noch. So ein Esel war man. Auch das war nicht zu ändern.


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[0580] [Abbildung] Der erste Beste Btto Verdeck Erzählung von (Fortsetzung) 9 ritz kam, von seinem englischen Hühnerhund begleitet, durch den Garten her aufs Haus zu. Er hatte die Flinte über der Schulter, an der Jagdtasche hingen einige Nebhühner. Als er der Alten ansichtig wurde, die unter dem Apfelbaum auf ihrer Bank an der Hinterthür saß machte er die Vögel los ,. Da haben Sie was zu morgen Mittag, Mamselling. Sie betrachtete die Beute. nette Dinger. Gute Jagd dies Jahr, Herr Heilborn, nich? Ich meine, Hansing hat auch schon für den Hühnern ge¬ schwärmt. Ja, es giebt viele. Wo ist meine Frau? setzte er nach kurzem Zögern hinzu. Mir is, sie muß in ihre Stube gegangen sein; sie kam vorhin aus dem Garten. Wo is denn unser junger Herr? Der sieht noch nach den Masern, kommt aber auch bald. Fritz ging in sein Arbeitszimmer, hängte Flinte und Jagdtasche in den Gewehrschrank und trat an den Schreibtisch, wo er einen Brief liegen sah. Es war aber nur eine langweilige Anzeige. Das Blatt in der niedergesunkenen Hand, blickte er über den Schreibtisch weg nach der Thür zu Margaretens Zimmer. Drinnen rührte sich nichts. Lautlose Stille, als wenn niemand da wäre. Und war denn in seinem Hause eine junge Frau? Hatte er wohl schon einmal ihr Stimmchen die Treppe hinunter singen hören, wie es ihm in den wachen Träumen seiner einsamen Stunden erklungen war? Ging sie nicht wie ein blasser Schatten durchs Haus, sie, die seine lichte Freude hatte sein sollen? War denn das Leben mit ihm gar so schwer zu ertragen? „Hinnehmen, was dir leid —" Er drückte die Lippen zusammen. — Ein starkes Stück! Mit solchen Kreuzigungsgedanken war sie in die Ehe gegangen. Wenn das nicht krankhaft war, so wars ein schweres Unrecht. Aber so oder so, geschehen war geschehen. Gelebt mußte werden. „Hinnehmen, was dir leid —" Wie ein Wurm saß ihm das im Hirn, mit dem kleinwinzigen, verräterischen Datum daneben. Und er hätte sich freudig für sie in Stücke hauen lassen. Auch heute noch. So ein Esel war man. Auch das war nicht zu ändern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/580>, abgerufen am 21.12.2024.