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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Litteratur

Wie es besser werden soll? Nur die Schule kau" helfen. Wir brauchen
dringend Lehrer, in großer, großer Anzahl Lehrer, die selber ein gutes Deutsch
reden und schreiben und ihre Schüler darin so unterrichten können, daß ihnen später
alles Professoren- und Kauzlistendeutsch nichts mehr anhaben kann.




Litteratur
Die Missionen der Jesuiten in Paraguay. Ein Bild aus der ältern römischen
Missionsthätigkeit, zugleich eine Antwort auf die Frage nach dem Werte römischer Mission,
sowie einVeitrag zurGeschichteSüdamcrilas. Nach dcnQuellen zusammengestellt von I. Pfoten-
haner, Mitglied der geographischen Gesellschaft zu Hannover. Gütersloh, C. Bertelsmann.
1. und 2. Teil 1891, Z. Teil 1893

Der Verfasser dieses Werkes beherrscht die reiche Litteratur über den Gegen¬
stand vollständig und fußt überall in erster Linie auf den eignen Briefen und
Berichten der Jesuiten, sowie auf deu Verfügungen der Ordensobern. An der
Hand dieser Quellen zeigt er, wie die merkwürdige Gründung aus der Not der
Zeit heraus geboren wurde, zunächst zum Schutze der Indianer vor der Habsucht
und deu unvernünftigen Ansbentnugsversnchcu der Spanier (im Gegensatz zu Gothein,
der im Jesuitenstant einen berechneten Versuch zur Verwirklichung der in Cmnpa-
nellas Sonnenstaat entwickelten Ideen fielst); wie jedoch die Bekehrung, mit rein
äußerlichen Mitteln ins Werk gesetzt, rein äußerlich blieb, wie die Bekehrten bis
zur Auflösung des Jesuitenstaats mehr oder weniger artige Kinder, oder wenn
man es gröber ausdrücken will, gut dressirtes und gut gefüttertes Arbeitsvieh ge¬
blieben sind, und Wie die Missionare, zu unumschränkten Gebietern eines großen
und reichen Landes geworden, den Versuchungen ihrer Stellung unterlagen, den
Unterthanen gegenüber die Paschas spielten und in ihren Häusern ein epiknreisches
Leben führten.

Das Wertvolle an dein fleißigen Werke sind die Schilderungen der verschiednen
Jndianerstämme, die genanen Angaben über ihre Wohnsitze, ihre Geschichte, soweit
sie in den Rahmen der Geschichte des Missionswerkes fallt, und diese Missions¬
geschichte selbst. Schade, daß der Verfasser den wissenschaftlichen Wert dieser Teile
seines Werkes durch die auf dem Titel angegebne Tendenz vermindert hat, die sich
namentlich im letzten Teile fast ans jeder Seite hervordrängt, der er sehr
viel Raum opfert, und die er in der Einleitung zum dritten Baude noch stärker
in dem Satze ausdrückt: "Das jesuitische System in Paraguay in seiner ganzen
schamlosen Nacktheit soll jetzt sich vor uns enthüllen, Fragen von unendlicher Be¬
deutung sollen hier zum Austrage kommen, und im steigenden Maße wird dieses
alles eine gewaltige, laut zeugende Apologie Protestantischer Mission gegen unlautere
Augriffe aus verschleimen Heerlagern werden." Es ist doch schade um ein so reiches
wissenschaftliches Material, um die Früchte eines so mühsamen Fleißes, wenn sie
zuguderletzt bloß für ein Pamphlet verwendet werden, das mit weit geringern
Unkosten viel wirkungsvoller hätte hergestellt werden können. Denn, das ist das


Litteratur

Wie es besser werden soll? Nur die Schule kau» helfen. Wir brauchen
dringend Lehrer, in großer, großer Anzahl Lehrer, die selber ein gutes Deutsch
reden und schreiben und ihre Schüler darin so unterrichten können, daß ihnen später
alles Professoren- und Kauzlistendeutsch nichts mehr anhaben kann.




Litteratur
Die Missionen der Jesuiten in Paraguay. Ein Bild aus der ältern römischen
Missionsthätigkeit, zugleich eine Antwort auf die Frage nach dem Werte römischer Mission,
sowie einVeitrag zurGeschichteSüdamcrilas. Nach dcnQuellen zusammengestellt von I. Pfoten-
haner, Mitglied der geographischen Gesellschaft zu Hannover. Gütersloh, C. Bertelsmann.
1. und 2. Teil 1891, Z. Teil 1893

Der Verfasser dieses Werkes beherrscht die reiche Litteratur über den Gegen¬
stand vollständig und fußt überall in erster Linie auf den eignen Briefen und
Berichten der Jesuiten, sowie auf deu Verfügungen der Ordensobern. An der
Hand dieser Quellen zeigt er, wie die merkwürdige Gründung aus der Not der
Zeit heraus geboren wurde, zunächst zum Schutze der Indianer vor der Habsucht
und deu unvernünftigen Ansbentnugsversnchcu der Spanier (im Gegensatz zu Gothein,
der im Jesuitenstant einen berechneten Versuch zur Verwirklichung der in Cmnpa-
nellas Sonnenstaat entwickelten Ideen fielst); wie jedoch die Bekehrung, mit rein
äußerlichen Mitteln ins Werk gesetzt, rein äußerlich blieb, wie die Bekehrten bis
zur Auflösung des Jesuitenstaats mehr oder weniger artige Kinder, oder wenn
man es gröber ausdrücken will, gut dressirtes und gut gefüttertes Arbeitsvieh ge¬
blieben sind, und Wie die Missionare, zu unumschränkten Gebietern eines großen
und reichen Landes geworden, den Versuchungen ihrer Stellung unterlagen, den
Unterthanen gegenüber die Paschas spielten und in ihren Häusern ein epiknreisches
Leben führten.

Das Wertvolle an dein fleißigen Werke sind die Schilderungen der verschiednen
Jndianerstämme, die genanen Angaben über ihre Wohnsitze, ihre Geschichte, soweit
sie in den Rahmen der Geschichte des Missionswerkes fallt, und diese Missions¬
geschichte selbst. Schade, daß der Verfasser den wissenschaftlichen Wert dieser Teile
seines Werkes durch die auf dem Titel angegebne Tendenz vermindert hat, die sich
namentlich im letzten Teile fast ans jeder Seite hervordrängt, der er sehr
viel Raum opfert, und die er in der Einleitung zum dritten Baude noch stärker
in dem Satze ausdrückt: „Das jesuitische System in Paraguay in seiner ganzen
schamlosen Nacktheit soll jetzt sich vor uns enthüllen, Fragen von unendlicher Be¬
deutung sollen hier zum Austrage kommen, und im steigenden Maße wird dieses
alles eine gewaltige, laut zeugende Apologie Protestantischer Mission gegen unlautere
Augriffe aus verschleimen Heerlagern werden." Es ist doch schade um ein so reiches
wissenschaftliches Material, um die Früchte eines so mühsamen Fleißes, wenn sie
zuguderletzt bloß für ein Pamphlet verwendet werden, das mit weit geringern
Unkosten viel wirkungsvoller hätte hergestellt werden können. Denn, das ist das


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[0101] Litteratur Wie es besser werden soll? Nur die Schule kau» helfen. Wir brauchen dringend Lehrer, in großer, großer Anzahl Lehrer, die selber ein gutes Deutsch reden und schreiben und ihre Schüler darin so unterrichten können, daß ihnen später alles Professoren- und Kauzlistendeutsch nichts mehr anhaben kann. Litteratur Die Missionen der Jesuiten in Paraguay. Ein Bild aus der ältern römischen Missionsthätigkeit, zugleich eine Antwort auf die Frage nach dem Werte römischer Mission, sowie einVeitrag zurGeschichteSüdamcrilas. Nach dcnQuellen zusammengestellt von I. Pfoten- haner, Mitglied der geographischen Gesellschaft zu Hannover. Gütersloh, C. Bertelsmann. 1. und 2. Teil 1891, Z. Teil 1893 Der Verfasser dieses Werkes beherrscht die reiche Litteratur über den Gegen¬ stand vollständig und fußt überall in erster Linie auf den eignen Briefen und Berichten der Jesuiten, sowie auf deu Verfügungen der Ordensobern. An der Hand dieser Quellen zeigt er, wie die merkwürdige Gründung aus der Not der Zeit heraus geboren wurde, zunächst zum Schutze der Indianer vor der Habsucht und deu unvernünftigen Ansbentnugsversnchcu der Spanier (im Gegensatz zu Gothein, der im Jesuitenstant einen berechneten Versuch zur Verwirklichung der in Cmnpa- nellas Sonnenstaat entwickelten Ideen fielst); wie jedoch die Bekehrung, mit rein äußerlichen Mitteln ins Werk gesetzt, rein äußerlich blieb, wie die Bekehrten bis zur Auflösung des Jesuitenstaats mehr oder weniger artige Kinder, oder wenn man es gröber ausdrücken will, gut dressirtes und gut gefüttertes Arbeitsvieh ge¬ blieben sind, und Wie die Missionare, zu unumschränkten Gebietern eines großen und reichen Landes geworden, den Versuchungen ihrer Stellung unterlagen, den Unterthanen gegenüber die Paschas spielten und in ihren Häusern ein epiknreisches Leben führten. Das Wertvolle an dein fleißigen Werke sind die Schilderungen der verschiednen Jndianerstämme, die genanen Angaben über ihre Wohnsitze, ihre Geschichte, soweit sie in den Rahmen der Geschichte des Missionswerkes fallt, und diese Missions¬ geschichte selbst. Schade, daß der Verfasser den wissenschaftlichen Wert dieser Teile seines Werkes durch die auf dem Titel angegebne Tendenz vermindert hat, die sich namentlich im letzten Teile fast ans jeder Seite hervordrängt, der er sehr viel Raum opfert, und die er in der Einleitung zum dritten Baude noch stärker in dem Satze ausdrückt: „Das jesuitische System in Paraguay in seiner ganzen schamlosen Nacktheit soll jetzt sich vor uns enthüllen, Fragen von unendlicher Be¬ deutung sollen hier zum Austrage kommen, und im steigenden Maße wird dieses alles eine gewaltige, laut zeugende Apologie Protestantischer Mission gegen unlautere Augriffe aus verschleimen Heerlagern werden." Es ist doch schade um ein so reiches wissenschaftliches Material, um die Früchte eines so mühsamen Fleißes, wenn sie zuguderletzt bloß für ein Pamphlet verwendet werden, das mit weit geringern Unkosten viel wirkungsvoller hätte hergestellt werden können. Denn, das ist das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/101>, abgerufen am 27.06.2024.