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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Bilder aus dem Westen
von L. Below
5. Beim ZVohnungsuchen

Welt, wie bist du so wunderschön! Hütte ich mit weitgeöffneten
Armen ausrufen mögen, mis ich, dem Geschäftsgewühl entronnen,
an einem der ersten schonen Frühlingstage draußen auf den Höhen
stand und das Panorama von Kansas City überblickte. Früher,
in Newhork, hatte mich das Hasten und Jagen der neuen Welt
tre dazu kommen lassen. Wenn man um des eignen Broterwerbs willen
duftender Mitbewerber wird, verliert man den Überblick. Hier, wo ich ruhiger
Beschauer war, mich nicht in den Strudel mit hineinziehen zu lassen brauchte,
lag auf einmal das Großartige des Geheimnisses der neuen Welt wie eine
Offenbarung vor mir. Wo war es je dem Menschengeiste so leicht gemacht
worden, sich auszuleben wie hier?

Was war Italien sür die auswandernden griechischen Kolonisten im Ver¬
gleich zu diesen unermeßlichen Länderstrecken, die sich hier das beengte alte
Europa in so kurzer Zeit mit so vervollkommneten Mitteln und so glänzendem
Erfolg erschlossen hat? Eine neue Welt ist hier erstanden durch den stetig von
Osten nach Westen fortschreitenden Völkerwanderuugsstrom der europäischen
Auswanderung des neunzehnten Jahrhunderts. Hier lag sie vor mir, altes
und neues wunderbar durch einander gemischt.

Hier ragte aus den Bäumen der Wartturin einer funkelnagelneuen Ritter¬
burg, dort das Prachtportal einer Villa modernsten Stils; nnter mir im
Grunde sprengte ein zigeunerhaft drapirter Cow-Bos, ein Hirtenjunge, aus
dem Zeltlager kommend, durch die Büsche, dort surrten die Wagen der elektrischen
Bahn auf ebner Straße nach der von Rauchwolken bedeckten Stadt, von der man
in der Ferne nur eine Zahl qualmender Schornsteine erblickte, die sich von
dem blauen Horizonte, dem Thale des Missouri, dunkel abhoben.

Es war an einem jener vorzeitigen sonnigen Frühlingsmorgen im Februar,
als ich mich mit Freund Karl, dem alleswissenden Zeitungsmann als Führer,
auf die "Wvhnungsuche" begab. Ein passendes Häuschen sür eine oder zwei kleine
Familien hier zu finden, ist nicht schwer. Alle die Hänser ringsherum sind
mehr oder weniger von bescheidnen Zuschnitt. Man hat die Wahl, in welches




Bilder aus dem Westen
von L. Below
5. Beim ZVohnungsuchen

Welt, wie bist du so wunderschön! Hütte ich mit weitgeöffneten
Armen ausrufen mögen, mis ich, dem Geschäftsgewühl entronnen,
an einem der ersten schonen Frühlingstage draußen auf den Höhen
stand und das Panorama von Kansas City überblickte. Früher,
in Newhork, hatte mich das Hasten und Jagen der neuen Welt
tre dazu kommen lassen. Wenn man um des eignen Broterwerbs willen
duftender Mitbewerber wird, verliert man den Überblick. Hier, wo ich ruhiger
Beschauer war, mich nicht in den Strudel mit hineinziehen zu lassen brauchte,
lag auf einmal das Großartige des Geheimnisses der neuen Welt wie eine
Offenbarung vor mir. Wo war es je dem Menschengeiste so leicht gemacht
worden, sich auszuleben wie hier?

Was war Italien sür die auswandernden griechischen Kolonisten im Ver¬
gleich zu diesen unermeßlichen Länderstrecken, die sich hier das beengte alte
Europa in so kurzer Zeit mit so vervollkommneten Mitteln und so glänzendem
Erfolg erschlossen hat? Eine neue Welt ist hier erstanden durch den stetig von
Osten nach Westen fortschreitenden Völkerwanderuugsstrom der europäischen
Auswanderung des neunzehnten Jahrhunderts. Hier lag sie vor mir, altes
und neues wunderbar durch einander gemischt.

Hier ragte aus den Bäumen der Wartturin einer funkelnagelneuen Ritter¬
burg, dort das Prachtportal einer Villa modernsten Stils; nnter mir im
Grunde sprengte ein zigeunerhaft drapirter Cow-Bos, ein Hirtenjunge, aus
dem Zeltlager kommend, durch die Büsche, dort surrten die Wagen der elektrischen
Bahn auf ebner Straße nach der von Rauchwolken bedeckten Stadt, von der man
in der Ferne nur eine Zahl qualmender Schornsteine erblickte, die sich von
dem blauen Horizonte, dem Thale des Missouri, dunkel abhoben.

Es war an einem jener vorzeitigen sonnigen Frühlingsmorgen im Februar,
als ich mich mit Freund Karl, dem alleswissenden Zeitungsmann als Führer,
auf die „Wvhnungsuche" begab. Ein passendes Häuschen sür eine oder zwei kleine
Familien hier zu finden, ist nicht schwer. Alle die Hänser ringsherum sind
mehr oder weniger von bescheidnen Zuschnitt. Man hat die Wahl, in welches


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[0045] [Abbildung] Bilder aus dem Westen von L. Below 5. Beim ZVohnungsuchen Welt, wie bist du so wunderschön! Hütte ich mit weitgeöffneten Armen ausrufen mögen, mis ich, dem Geschäftsgewühl entronnen, an einem der ersten schonen Frühlingstage draußen auf den Höhen stand und das Panorama von Kansas City überblickte. Früher, in Newhork, hatte mich das Hasten und Jagen der neuen Welt tre dazu kommen lassen. Wenn man um des eignen Broterwerbs willen duftender Mitbewerber wird, verliert man den Überblick. Hier, wo ich ruhiger Beschauer war, mich nicht in den Strudel mit hineinziehen zu lassen brauchte, lag auf einmal das Großartige des Geheimnisses der neuen Welt wie eine Offenbarung vor mir. Wo war es je dem Menschengeiste so leicht gemacht worden, sich auszuleben wie hier? Was war Italien sür die auswandernden griechischen Kolonisten im Ver¬ gleich zu diesen unermeßlichen Länderstrecken, die sich hier das beengte alte Europa in so kurzer Zeit mit so vervollkommneten Mitteln und so glänzendem Erfolg erschlossen hat? Eine neue Welt ist hier erstanden durch den stetig von Osten nach Westen fortschreitenden Völkerwanderuugsstrom der europäischen Auswanderung des neunzehnten Jahrhunderts. Hier lag sie vor mir, altes und neues wunderbar durch einander gemischt. Hier ragte aus den Bäumen der Wartturin einer funkelnagelneuen Ritter¬ burg, dort das Prachtportal einer Villa modernsten Stils; nnter mir im Grunde sprengte ein zigeunerhaft drapirter Cow-Bos, ein Hirtenjunge, aus dem Zeltlager kommend, durch die Büsche, dort surrten die Wagen der elektrischen Bahn auf ebner Straße nach der von Rauchwolken bedeckten Stadt, von der man in der Ferne nur eine Zahl qualmender Schornsteine erblickte, die sich von dem blauen Horizonte, dem Thale des Missouri, dunkel abhoben. Es war an einem jener vorzeitigen sonnigen Frühlingsmorgen im Februar, als ich mich mit Freund Karl, dem alleswissenden Zeitungsmann als Führer, auf die „Wvhnungsuche" begab. Ein passendes Häuschen sür eine oder zwei kleine Familien hier zu finden, ist nicht schwer. Alle die Hänser ringsherum sind mehr oder weniger von bescheidnen Zuschnitt. Man hat die Wahl, in welches

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/45>, abgerufen am 27.07.2024.