Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Gruft Moritz Arndt und Johanna Notherby von Adolf Stern Wer nie im Zorn erglühte, inen gewaltigern, jähem und hcrzerhebendern Wechsel der Dinge Gruft Moritz Arndt und Johanna Notherby von Adolf Stern Wer nie im Zorn erglühte, inen gewaltigern, jähem und hcrzerhebendern Wechsel der Dinge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215232"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341857_215089/figures/grenzboten_341857_215089_215232_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Gruft Moritz Arndt und Johanna Notherby<lb/><note type="byline"> von Adolf Stern</note></head><lb/> <quote type="epigraph"> Wer nie im Zorn erglühte,<lb/> Kennt auch die Liebe nicht:<lb/> Die Lieb ist süße Blüte,<lb/> Die bitterm Zorn entbricht;<lb/> Wie Rosen blüh» aus Dornen<lb/> . Und wunderlieblich stehn.<lb/> So steht auf scharfen Zornen<lb/> Auch Liebe wunderschön.<lb/><bibl> E. M. Arndt</bibl></quote><lb/> <p xml:id="ID_471" next="#ID_472"> inen gewaltigern, jähem und hcrzerhebendern Wechsel der Dinge<lb/> binnen wenigen Tagen hat wohl kaum je eine deutsche Stadt<lb/> erlebt und gesehen, als die alte Hauptstadt Ostpreußens in dem<lb/> schneidend kalten Januar des Jahres 1813. Eben noch war<lb/> Königsberg ein Mittelpunkt der französischen Depots und Truppeu-<lb/> nachschübe gegen Rußland, eine große Station für Hospitäler, Magazine und<lb/> Verwaltungsbehörden, unmittelbar nach Neujahr auch das Hauptquartier der auf<lb/> wenige Tausend geordneter Truppen und einige Zehntausend den Schrecknissen<lb/> der Beresinci und Wilnas entronnener halb erfrorner und zerlumpter Jammer¬<lb/> gestalten zusammengeschmolzenen „großen Armee" gewesen; König Joachim<lb/> Murat von Neapel, der seit der Fluchtfahrt seines kaiserlichen Schwagers von<lb/> Smorgonh nach Paris jene große Armee befehligte, hatte einige Tage hindurch<lb/> in dem leerstehenden Schlosse der Könige von Preußen Rast und Erquickung<lb/> nach russischen und litauischen Biwaks gesucht. In allen Straßen Königs¬<lb/> bergs hatten sich die Züge der ostwärts rückender Reserven und die Schwärme<lb/> der westwärts strebenden Flüchtlinge gekreuzt, fast in alle Häuser Königs¬<lb/> bergs hatten Einauartierte und Kranke ihr Elend, ihre Lumpen, ihre Schlacht-<lb/> und Frostwunden und die Keime des Nervenfiebers getragen. Noch an dem letzten<lb/> Tage des Jahres 1812 hatte eine Bekanntmachung des Oberbürgermeisters<lb/> Dr. Heidemann den Königsbergern Vorsicht wegen ansteckender Krankheiten<lb/> und die Verpflichtung eingeschärft, von jedem Sterbefall einer „fremden Militär-<lb/> Person" in Stadtwohnungen Anzeige auf dem Kneiphöfischen Rathause zu<lb/> macheu. Noch eben hatte man sich in allen patriotischen Kreisen zweifelnd</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
[Abbildung]
Gruft Moritz Arndt und Johanna Notherby
von Adolf Stern
Wer nie im Zorn erglühte,
Kennt auch die Liebe nicht:
Die Lieb ist süße Blüte,
Die bitterm Zorn entbricht;
Wie Rosen blüh» aus Dornen
. Und wunderlieblich stehn.
So steht auf scharfen Zornen
Auch Liebe wunderschön.
E. M. Arndt
inen gewaltigern, jähem und hcrzerhebendern Wechsel der Dinge
binnen wenigen Tagen hat wohl kaum je eine deutsche Stadt
erlebt und gesehen, als die alte Hauptstadt Ostpreußens in dem
schneidend kalten Januar des Jahres 1813. Eben noch war
Königsberg ein Mittelpunkt der französischen Depots und Truppeu-
nachschübe gegen Rußland, eine große Station für Hospitäler, Magazine und
Verwaltungsbehörden, unmittelbar nach Neujahr auch das Hauptquartier der auf
wenige Tausend geordneter Truppen und einige Zehntausend den Schrecknissen
der Beresinci und Wilnas entronnener halb erfrorner und zerlumpter Jammer¬
gestalten zusammengeschmolzenen „großen Armee" gewesen; König Joachim
Murat von Neapel, der seit der Fluchtfahrt seines kaiserlichen Schwagers von
Smorgonh nach Paris jene große Armee befehligte, hatte einige Tage hindurch
in dem leerstehenden Schlosse der Könige von Preußen Rast und Erquickung
nach russischen und litauischen Biwaks gesucht. In allen Straßen Königs¬
bergs hatten sich die Züge der ostwärts rückender Reserven und die Schwärme
der westwärts strebenden Flüchtlinge gekreuzt, fast in alle Häuser Königs¬
bergs hatten Einauartierte und Kranke ihr Elend, ihre Lumpen, ihre Schlacht-
und Frostwunden und die Keime des Nervenfiebers getragen. Noch an dem letzten
Tage des Jahres 1812 hatte eine Bekanntmachung des Oberbürgermeisters
Dr. Heidemann den Königsbergern Vorsicht wegen ansteckender Krankheiten
und die Verpflichtung eingeschärft, von jedem Sterbefall einer „fremden Militär-
Person" in Stadtwohnungen Anzeige auf dem Kneiphöfischen Rathause zu
macheu. Noch eben hatte man sich in allen patriotischen Kreisen zweifelnd
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