Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Land und Leute in Ostfriesland v G, F> Göbel on D-M ii'la lassen" er einmal am Strande von Norderney gelustwandelt ist, der hat könnte auch wie die Kieler ohn! sagen oder hollah! oder noch moderner Hurrah! Ein trefflicher, rein deutscher Stamm, diese Ostfriesen; ein prächtiges Volk Grenzboten II 1893 57
Land und Leute in Ostfriesland v G, F> Göbel on D-M ii'la lassen» er einmal am Strande von Norderney gelustwandelt ist, der hat könnte auch wie die Kieler ohn! sagen oder hollah! oder noch moderner Hurrah! Ein trefflicher, rein deutscher Stamm, diese Ostfriesen; ein prächtiges Volk Grenzboten II 1893 57
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0458" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214913"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341857_214455/figures/grenzboten_341857_214455_214913_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Land und Leute in Ostfriesland<lb/> v<note type="byline"> G, F> Göbel</note> on </head><lb/> <quote type="epigraph"> D-M ii'la lassen»</quote><lb/> <p xml:id="ID_1792"> er einmal am Strande von Norderney gelustwandelt ist, der hat<lb/> gewiß auch an der Villa des ostfriesischen Grafen zu Jnn- und<lb/> Knhphansen die Inschrift gelesen: Mrta drin ^ressua.! Die<lb/> Worte sind altfriesisch, gehören also einer Sprache an, die seit<lb/> fünfhundert Jahren von der niedersächsisch-friesischen Mundart<lb/> verdrängt worden ist. Was sie bedeuten? Sonderbare Schwärmer wollen das<lb/> ülüg. mit „Heil" übersetzen. Aber das hätte ihnen schon ein Blick auf die der<lb/> altfriesischen so nahe verwandte angelsächsische Sprache verbieten sollen, in<lb/> der Luk. 7, 14 (Jüngling, ich sage dir, stehe auf!) übersetzt ist: Lg,1a AsonM<lb/> -u-is! ist eine Interjektion, die wir alle in der Form helas! kennen; man</p><lb/> <p xml:id="ID_1793"> könnte auch wie die Kieler ohn! sagen oder hollah! oder noch moderner Hurrah!<lb/> Die Inschrift bedeutet also: Hurrah, freier Friese! und bildet den alt¬<lb/> friesischen Weck-, Kampf- und Streitruf, das Feldgeschrei, mit dem die alten<lb/> Recken zu ihren Heldenthaten auszogen, zu ihren Streichen ausholten. Wer<lb/> den Ruf in wogender Feldschlacht oder im grimmen Orlog zur See vernahm,<lb/> der konnte gewiß sein, daß es da Hiebe setzte, deutsche Hiebe von deutscheu<lb/> Männern, und das Ware» keine kartoffelnessenden, branntweintrinkenden, son¬<lb/> dern gerstengrützecssende, methtrinkendc Männer mit Mark in den Knochen<lb/> und Kraft in den Fäusten. Wo so einer hintraf, da wuchs kein Gras mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1794" next="#ID_1795"> Ein trefflicher, rein deutscher Stamm, diese Ostfriesen; ein prächtiges Volk<lb/> mit einer reichen und lehrreichen Geschichte. Warum keimt man in Deutsch¬<lb/> land, ach, daß ich sagen muß: auch in Ostfriesland! so wenig davon? Warum<lb/> drängen sich die andern Stämme an diesem „so kalt und fremd vorüber"?<lb/> Als im Jahre 1867 in Worms die Hauptversammlung des Gustav-Adolf-<lb/> Vereins tagte, stand in einem Zeitungsbericht zu lesen, es wären Gäste an¬<lb/> wesend gewesen ans ganz Deutschland, ans Belgien, Holland, der Schweiz,<lb/> Italien, Österreich-Ungarn „und sogar aus dem fernen Ostfriesland." Mit<lb/> wie wenig Geographie läßt sich doch eine Zeitung schreiben! Wie herzlich<lb/> habe ich den damaligen Vertreter Ostfrieslands über dieses „sogar" lachen<lb/> hören! Und doch hat dieses zeitungschreibende kindliche Gemüt wahrer ge-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1893 57</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0458]
[Abbildung]
Land und Leute in Ostfriesland
v G, F> Göbel on
D-M ii'la lassen»
er einmal am Strande von Norderney gelustwandelt ist, der hat
gewiß auch an der Villa des ostfriesischen Grafen zu Jnn- und
Knhphansen die Inschrift gelesen: Mrta drin ^ressua.! Die
Worte sind altfriesisch, gehören also einer Sprache an, die seit
fünfhundert Jahren von der niedersächsisch-friesischen Mundart
verdrängt worden ist. Was sie bedeuten? Sonderbare Schwärmer wollen das
ülüg. mit „Heil" übersetzen. Aber das hätte ihnen schon ein Blick auf die der
altfriesischen so nahe verwandte angelsächsische Sprache verbieten sollen, in
der Luk. 7, 14 (Jüngling, ich sage dir, stehe auf!) übersetzt ist: Lg,1a AsonM
-u-is! ist eine Interjektion, die wir alle in der Form helas! kennen; man
könnte auch wie die Kieler ohn! sagen oder hollah! oder noch moderner Hurrah!
Die Inschrift bedeutet also: Hurrah, freier Friese! und bildet den alt¬
friesischen Weck-, Kampf- und Streitruf, das Feldgeschrei, mit dem die alten
Recken zu ihren Heldenthaten auszogen, zu ihren Streichen ausholten. Wer
den Ruf in wogender Feldschlacht oder im grimmen Orlog zur See vernahm,
der konnte gewiß sein, daß es da Hiebe setzte, deutsche Hiebe von deutscheu
Männern, und das Ware» keine kartoffelnessenden, branntweintrinkenden, son¬
dern gerstengrützecssende, methtrinkendc Männer mit Mark in den Knochen
und Kraft in den Fäusten. Wo so einer hintraf, da wuchs kein Gras mehr.
Ein trefflicher, rein deutscher Stamm, diese Ostfriesen; ein prächtiges Volk
mit einer reichen und lehrreichen Geschichte. Warum keimt man in Deutsch¬
land, ach, daß ich sagen muß: auch in Ostfriesland! so wenig davon? Warum
drängen sich die andern Stämme an diesem „so kalt und fremd vorüber"?
Als im Jahre 1867 in Worms die Hauptversammlung des Gustav-Adolf-
Vereins tagte, stand in einem Zeitungsbericht zu lesen, es wären Gäste an¬
wesend gewesen ans ganz Deutschland, ans Belgien, Holland, der Schweiz,
Italien, Österreich-Ungarn „und sogar aus dem fernen Ostfriesland." Mit
wie wenig Geographie läßt sich doch eine Zeitung schreiben! Wie herzlich
habe ich den damaligen Vertreter Ostfrieslands über dieses „sogar" lachen
hören! Und doch hat dieses zeitungschreibende kindliche Gemüt wahrer ge-
Grenzboten II 1893 57
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |