Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Weder Kommunismus noch Kapitalismus 9 W^N^9terblichkeit, Pauperismus, Arbeitslosigkeit -- diese drei Schatten¬ Bei einer der Parlamcntsenguöteu, die in England zur Begründung der Weder Kommunismus noch Kapitalismus 9 W^N^9terblichkeit, Pauperismus, Arbeitslosigkeit — diese drei Schatten¬ Bei einer der Parlamcntsenguöteu, die in England zur Begründung der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214173"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341857_213791/figures/grenzboten_341857_213791_214173_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Weder Kommunismus noch Kapitalismus<lb/> 9 </head><lb/> <p xml:id="ID_1290"> W^N^9terblichkeit, Pauperismus, Arbeitslosigkeit — diese drei Schatten¬<lb/> seiten des Lebens bieten den Sozialisten eine Fülle von Agi-<lb/> tativnsstofs dar, und es ist daher selbstverständlich, daß sich<lb/> Wolf nach Kräften bemüht, sie unter den leuchtenden Farben<lb/> seines optimistischen Kulturbildes verschwinden zu lassen. Leichtes<lb/> Spiel hat er im ersten Punkte. Die Bevölkerung aller Staaten Europas mit<lb/> Ausnahme Frankreichs, das in neuester Zeit fast stationär geworden ist, hat<lb/> seit etwa 150 Jahren in einem weit stärkern Grade zugenommen, als im Alter¬<lb/> tum und namentlich als im Mittelnltcr; und diese stärkere Bevölkeruugs-<lb/> zuucihme beruht teils auf einer Vermehrung der Geburten, teils auf Erhöhung<lb/> des durchschnittlichen Lebensalters durch Verminderung der Sterblichkeit. Es<lb/> versteht sich, daß diese beiden „Faktoren" in verschiednen Zeiten und Ländern<lb/> ungleich groß sind, hie und da der eine sogar gänzlich verschwindet. Die<lb/> Frage nun, ob diese stärkere Volksvermehrung als ein Beweis für zunehmende<lb/> Volkswohlfahrt anzusehen sei, wollen wir nach unsrer eignen Einsicht beant¬<lb/> worten, ohne für jeden einzelnen Punkt die Autoritäten anzuführen, die etwa<lb/> früher schon dieselbe Meinung ausgesprochen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1291" next="#ID_1292"> Bei einer der Parlamcntsenguöteu, die in England zur Begründung der<lb/> Arbeiterschntzvorschlügc angestellt wurden, machte ein Arzt die Bemerkung, aus<lb/> der Abnahme der Sterblichkeit dürfe man keineswegs auf Verbesserung der<lb/> Lage der arbeitenden Klassen schließen; die akuten Krankheiten eines kräftigen<lb/> Geschlechts hätten eben den schleichenden, langsamer tötenden eines schwäch¬<lb/> lichen und ausgemergelten Platz gemacht. Wenn man sich erinnert, wie alt<lb/> häufig schwächliche, immer kränkelnde Personen bei geordneter Lebensweise<lb/> werden, und wie viele kräftige vollblütige Müuner vom Schlage oder von<lb/> Entzüudungskrankheiteu vorzeitig weggerafft werden oder bei halsbrechenden<lb/> Wagnissen umkommen, so wird mau sich nicht darüber wundern, daß im Mittel¬<lb/> alter, wo Unmäßigkeit im Essen und Trinken allgemein war und noch dazu<lb/> das Blut durch eine unvernünftige Menge von Gewürzen erhitzt wurde, uno<lb/> wo bei dem gänzlichen Mangel an Komfort und bequemen Verkehrsmitteln die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0381]
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Weder Kommunismus noch Kapitalismus
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W^N^9terblichkeit, Pauperismus, Arbeitslosigkeit — diese drei Schatten¬
seiten des Lebens bieten den Sozialisten eine Fülle von Agi-
tativnsstofs dar, und es ist daher selbstverständlich, daß sich
Wolf nach Kräften bemüht, sie unter den leuchtenden Farben
seines optimistischen Kulturbildes verschwinden zu lassen. Leichtes
Spiel hat er im ersten Punkte. Die Bevölkerung aller Staaten Europas mit
Ausnahme Frankreichs, das in neuester Zeit fast stationär geworden ist, hat
seit etwa 150 Jahren in einem weit stärkern Grade zugenommen, als im Alter¬
tum und namentlich als im Mittelnltcr; und diese stärkere Bevölkeruugs-
zuucihme beruht teils auf einer Vermehrung der Geburten, teils auf Erhöhung
des durchschnittlichen Lebensalters durch Verminderung der Sterblichkeit. Es
versteht sich, daß diese beiden „Faktoren" in verschiednen Zeiten und Ländern
ungleich groß sind, hie und da der eine sogar gänzlich verschwindet. Die
Frage nun, ob diese stärkere Volksvermehrung als ein Beweis für zunehmende
Volkswohlfahrt anzusehen sei, wollen wir nach unsrer eignen Einsicht beant¬
worten, ohne für jeden einzelnen Punkt die Autoritäten anzuführen, die etwa
früher schon dieselbe Meinung ausgesprochen haben.
Bei einer der Parlamcntsenguöteu, die in England zur Begründung der
Arbeiterschntzvorschlügc angestellt wurden, machte ein Arzt die Bemerkung, aus
der Abnahme der Sterblichkeit dürfe man keineswegs auf Verbesserung der
Lage der arbeitenden Klassen schließen; die akuten Krankheiten eines kräftigen
Geschlechts hätten eben den schleichenden, langsamer tötenden eines schwäch¬
lichen und ausgemergelten Platz gemacht. Wenn man sich erinnert, wie alt
häufig schwächliche, immer kränkelnde Personen bei geordneter Lebensweise
werden, und wie viele kräftige vollblütige Müuner vom Schlage oder von
Entzüudungskrankheiteu vorzeitig weggerafft werden oder bei halsbrechenden
Wagnissen umkommen, so wird mau sich nicht darüber wundern, daß im Mittel¬
alter, wo Unmäßigkeit im Essen und Trinken allgemein war und noch dazu
das Blut durch eine unvernünftige Menge von Gewürzen erhitzt wurde, uno
wo bei dem gänzlichen Mangel an Komfort und bequemen Verkehrsmitteln die
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