Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Unser Panama a hätten wir ja wieder einmal die schönste Gelegenheit, Gott zu Unser Panama a hätten wir ja wieder einmal die schönste Gelegenheit, Gott zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0174" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213966"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341857_213791/figures/grenzboten_341857_213791_213966_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Unser Panama</head><lb/> <p xml:id="ID_540" next="#ID_541"> a hätten wir ja wieder einmal die schönste Gelegenheit, Gott zu<lb/> danken, daß wir nicht sind wie die Zöllner und Sünder an<lb/> der Seine! In der That getrösten wir uns der Hoffnung, daß<lb/> für ein Schauspiel, wie es die vielbelobte Republik gegenwärtig<lb/> zum besten giebt, auf deutschem Boden niemals Raum sein werde.<lb/> Was aber den Dank anbetrifft, so haben wir ihn dafür abzustatten, daß uns<lb/> noch zu rechter Zeit ein solcher Spiegel vorgehalten wird. Denn wer Augen<lb/> hat zu sehen, mußte längst bemerkt haben, wie weite Kreise bei-uns von der<lb/> Lust ergriffen sind, wie alle französischen Moden, mich diese mitzumachen.<lb/> Französische Blätter bringen ihren Landsleuten in Erinnerung, daß unter den<lb/> Berufspolitikern niemand mehr an das Land, sondern jeder nur noch an das<lb/> politische, d. h. an das persönliche Interesse denke. Paßt das nicht auch, wenn<lb/> auch nicht in solcher Allgemeinheit, auf unsre Zustände? Und wenn sich in<lb/> Frankreich seit Jahren der Kern des Bürgerstandes mit Unwillen von einer<lb/> Vertretung abwendet, in der wildester Parteigeist, Ränkesncht und Streben nach<lb/> der Herrschaft die Sorge für das Wohl des Volkes gänzlich verdrängt haben,<lb/> so dürfen wir uns nicht verhehlen, daß der Unterschied zu unsern Gunsten<lb/> schwerlich groß sein würde, wenn die Macht ebenso vorhanden wäre wie die<lb/> Lust, zu regieren, zu stürzen, und zu erheben. Das begeisterte Vertrauen, mit<lb/> dem die deutsche Nation vor zwanzig Jahren auf deu neuen Reichstag blickte,<lb/> ist leider geschwunden, und wie konnte es anders sein, da die Parteiführer<lb/> mit solcher Offenherzigkeit in den Wahlkämpfen ihre wahren Ziele enthüllten<lb/> und im Parlament selbst nicht weniger ungescheut auf den Wühlerfang aus¬<lb/> gingen? Eine Partei wirft der andern Interessenpolitik vor. Als ob es nicht<lb/> ein Glück wäre, wenn die Abgeordneten wirklich Interessen verträten, natürlich<lb/> die Interessen ihrer Wähler! Als ob das Land nicht besser fahren würde,<lb/> wenn jeder Wahlkreis Eingesessene entsendete, die dessen Verhältnisse und Be¬<lb/> dürfnisse aus eigner Anschauung und Erfahrung kennen, anstatt daß jetzt die<lb/> Parteivorstände in den Hauptstädten bestimmen, welchen redegewaltigen oder<lb/> doch auf das Parteiprogramm eingeschwornen, durch Dicknnddünn mit den<lb/> Führern gehenden Freund sie haben wollen! Jeden Wähler, der nicht seinen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0174]
[Abbildung]
Unser Panama
a hätten wir ja wieder einmal die schönste Gelegenheit, Gott zu
danken, daß wir nicht sind wie die Zöllner und Sünder an
der Seine! In der That getrösten wir uns der Hoffnung, daß
für ein Schauspiel, wie es die vielbelobte Republik gegenwärtig
zum besten giebt, auf deutschem Boden niemals Raum sein werde.
Was aber den Dank anbetrifft, so haben wir ihn dafür abzustatten, daß uns
noch zu rechter Zeit ein solcher Spiegel vorgehalten wird. Denn wer Augen
hat zu sehen, mußte längst bemerkt haben, wie weite Kreise bei-uns von der
Lust ergriffen sind, wie alle französischen Moden, mich diese mitzumachen.
Französische Blätter bringen ihren Landsleuten in Erinnerung, daß unter den
Berufspolitikern niemand mehr an das Land, sondern jeder nur noch an das
politische, d. h. an das persönliche Interesse denke. Paßt das nicht auch, wenn
auch nicht in solcher Allgemeinheit, auf unsre Zustände? Und wenn sich in
Frankreich seit Jahren der Kern des Bürgerstandes mit Unwillen von einer
Vertretung abwendet, in der wildester Parteigeist, Ränkesncht und Streben nach
der Herrschaft die Sorge für das Wohl des Volkes gänzlich verdrängt haben,
so dürfen wir uns nicht verhehlen, daß der Unterschied zu unsern Gunsten
schwerlich groß sein würde, wenn die Macht ebenso vorhanden wäre wie die
Lust, zu regieren, zu stürzen, und zu erheben. Das begeisterte Vertrauen, mit
dem die deutsche Nation vor zwanzig Jahren auf deu neuen Reichstag blickte,
ist leider geschwunden, und wie konnte es anders sein, da die Parteiführer
mit solcher Offenherzigkeit in den Wahlkämpfen ihre wahren Ziele enthüllten
und im Parlament selbst nicht weniger ungescheut auf den Wühlerfang aus¬
gingen? Eine Partei wirft der andern Interessenpolitik vor. Als ob es nicht
ein Glück wäre, wenn die Abgeordneten wirklich Interessen verträten, natürlich
die Interessen ihrer Wähler! Als ob das Land nicht besser fahren würde,
wenn jeder Wahlkreis Eingesessene entsendete, die dessen Verhältnisse und Be¬
dürfnisse aus eigner Anschauung und Erfahrung kennen, anstatt daß jetzt die
Parteivorstände in den Hauptstädten bestimmen, welchen redegewaltigen oder
doch auf das Parteiprogramm eingeschwornen, durch Dicknnddünn mit den
Führern gehenden Freund sie haben wollen! Jeden Wähler, der nicht seinen
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